You are currently viewing Longericher Lutherkapelle wurde zur äthiopisch-orthodoxen Kirche

Longericher Lutherkapelle wurde zur äthiopisch-orthodoxen Kirche

Frauen in weißen Gewändern begrüßen die Besucher. Eine schlägt einen Takt auf der Trommel, die anderen stehen am Rand des roten Teppichs und wiegen sich im Rhythmus. Die Gäste schreiten würdig bis vor die Kirchentür. Dort ziehen sie die Schuhe aus und stecken sie in Plastiktüten, die andere Frauen ihnen reichen. Auf Strümpfen geht es in das Gotteshaus. Es ist ein besonderer Tag für die Gläubigen. In Longerich wird die erste eigene Kirche der äthiopisch-orthodoxen Kirche in Deutschland eingeweiht. St. Mikaelskirche heißt sie und war den Longerichern bisher als Luther-Kapelle der Evangelischen Immanuel-Gemeinde Köln-Longerich bekannt. Angehörige der 27.000 Mitglieder zählenden äthiopisch-orthodoxen Kirche aus ganz Deutschland sind gekommen, um mit Erzpriester Dr. Merawi Tebege und seinen Kollegen aus den Nachbargemeinden, Pfarrer Jürgen Mocka von den Longericher Protestanten und Corneli Schmitz von St. Dionysis, mit einem ökumenischen Festakt das Fest zur Einweihung zu eröffnen. „Wir wollen Gott danken, dass wir gut in Köln-Longerich aufgenommen worden sind und unsere Gemeinde aufbauen konnten“, sagt Tebege: „Wir feiern aber auch, dass nun ein Stück Äthiopien in Deutschland existiert.“

Erste provisorische Gottesdienste
Bis dahin war es ein langer Weg. Deutschland nahm Anfang und Mitte der 70er Jahre viele Flüchtlinge aus Äthiopien auf. Nach einer Dürrekatastrophe übernahmen 1974 nach einer Revolte die Kommunisten die Macht in Addis Abeba. Kaiser Haile Selassie wurde am 12. September 1974 gestürzt. Zur gleichen Zeit promovierte in Heidelberg ein junger äthiopischer Priester, der über Russland nach Deutschland gekommen war, um sein theologisches Wissen zu vertiefen. Merawi Tebege feierte mit äthiopischen Flüchtlingen erste provisorische Gottesdienste in einem Heidelberger Studentenheim. Das sind die Anfänge der äthiopisch-orthodoxen Kirche in Deutschland. Und während in Äthiopien die kommunistischen Machthaber die Christinnen und Christen mit dem Tode bedrohten, sendete Tebege Aufnahmen der Gottesdienste über die Deutsche Welle in die Heimat, obwohl die Kommunisten dies als feindliche Propaganda streng verboten hatten.

Engel haben große Bedeutung
Am 15. Mai 1983 war es dann so weit: Die äthiopisch-orthodoxe Kirche in Deutschland
wurde gegründet. Köln war in zweierlei Hinsicht von großer Bedeutung. Einmal persönlich durch den damaligen Bickendorfer Pfarrer Manfred Kock, der später Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland wurde, und zum anderen baulich in der Lutherkapelle, die die Longericher Protestanten damals kaum nutzten und nach Fürsprache von Kock den Äthiopiern als Gebetsraum zur Verfügung stellten. In der äthiopisch-orthodoxen Kirche haben Engel eine große Bedeutung. Die Gemeinde entschied sich, die Kapelle St. Mikaelskirche zu nennen. Damit war St. Mikael der Patron der neuen Gemeinde. Bis heute feiert die Gemeinde Feste an den Festtagen des Erzengels. Immer übrigens mit den Longericher Protestanten, die genauso selbstverständlich eingeladen werden wie mittlerweile auch die Katholiken von St. Dionysius.

Investition in die Ökologie
Geheim bleibt, wie es der äthiopisch-orthodoxen Kirche in Deutschland gelungen ist, das Geld für die Kirche zu sammeln. „Eiserne Sparsamkeit und viel Gottvertrauen“, lüftet Tebege einen Teil des Geheimnisses. Ein Gutachter hat den Preis festgesetzt, auf den man sich dann mit den Evangelischen einigte. Schon im vergangenen September war die Kapelle in das Eigentum der Äthiopier übergegangen. Doch dann geschah das große Unglück: Wasserschaden, und in der Küche fiel die Decke auf den Fußboden. Doch auch das konnte die Christlich-Orthodoxen nicht bremsen. Tebege spricht von einem „beispiellosen Kraftakt“, mit dem es gelungen sei, die Schäden zu beseitigen und Kirche samt Außengelände instand zu setzen. Vom Geschäft haben beide Partner profitiert. Und sie haben in die Zukunft investiert. Die Äthiopier in die Zukunft ihrer Kirche, die Longericher Protestanten in die Ökologie. Sie haben mit dem Verkaufserlös eine Fotovoltaik-Anlage für ihr Kirchdach gekauft. Mit der produzieren sie den Strom für ihr Gemeindezentrum.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann