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„Liebe und Freundschaft lassen sich durch Konfessionsunterschiede nicht aufhalten“ – Manfred Kock las aus seinem neuen Buch „Wider die ökumenische Eiszeit“

Manfred Kock war sein ganzes Pfarrerleben lang ein Mann der Ökumene. In dieser Zeit hat er Höhen und Tiefen in der Zusammenarbeit der katholischen und evangelischen Christen erlebt. Aber seinen Optimismus lässt sich der Altpräses der Evangelischen Kirche im Rheinland nicht nehmen. Aus seinem neuen Buch „Wider die ökumenische Eiszeit. Die Vision von der Einheit der Kirche“, das 2006 in der Neukirchener Verlagsgesellschaft erschienen ist, las Kock in der evangelischen AntoniterCityKirche.



„Die Einheit der Christen ist nicht das Problem“
Dr. Martin Bock, Ökumenepfarrer des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, sprach die einleitenden Worte bei der Veranstaltung und erinnerte daran, dass die Lesung zur Mitte der Weltgebetswoche für die Einheit der Kirchen stattfände. „Die Einheit der Christen ist nicht das Problem“, entgegnete Kock. Die der Kirchen schon eher, auch wenn von einer „Eiszeit“ überhaupt nicht die Rede sein könne. Viele Journalisten schrieben, „die Zeichen stehen auf Distanz“. Sicher seien manche Gespräche zwischen den Konfessionen schwieriger als noch vor Jahren. Und es habe auch vor Ort manchen Dämpfer für die Ökumene gegeben. Der Altpräses zitierte Walter Caspers, in der römischen Kurie unter anderem Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Der habe gesagt, die Krise der Ökumene sei kein Zeichen ihres Misserfolgs, sondern ein Zeichen ihres Erfolgs. „Und vielleicht ist es so, dass wir angesichts der vielen Gemeinsamkeiten das Trennende mehr wahrnehmen“, fuhr Kock fort.

Eine mögliche Gefahr: die ökumenischen Resignation
Als Beispiele nannte er, dass Ehepaare aus unterschiedlichen Konfessionen „am Tisch des Herrn getrennt werden“, also das Abendmahl nicht gemeinsam feiern dürften. Kock warnte vor der Gefahr der ökumenischen Resignation. Zur Illustration der ökumenischen „Erfolgsgeschichte“ erzählte Kock eine Geschichte aus seinem Leben. Sein protestantischer Großvater hatte eine katholische Frau kennen- und liebengelernt, und ehe man sich versah, war ein Kind unterwegs. Der katholische Pfarrer sah das Problem und hatte auch gleich die Lösung: „Dieses Kind kriegen wir auch groß, ohne dass die beiden heiraten.“ Taten sie kurz darauf aber doch. Und heute sei eine ähnliche Äußerung eines katholischen Geistlichen so wohl kaum mehr denkbar. „Liebe und Freundschaft lassen sich durch Konfessionsverschiedenheit nicht mehr aufhalten“, so Kock.

Unstrittig zwischen evangelischer und katholischer Kirche: das christliche Menschenbild
Aber nicht nur auf der persönlichen Ebene habe es deutliche Zeichen für eine bessere Verständigung gegeben. Kock erinnerte vor allem an die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“. Danach sei es auf jeden Fall keiner Konfession mehr möglich, die andere zu verdammen. Völlig unstrittig zwischen evangelischer und katholischer Kirche sei darüber hinaus das christliche Menschenbild.

Eine Irritation: die gescheiterte Einheitsübersetzung der Bibel
Aber es habe auch Irritationen gegeben. So habe es die Evangelische Kirche in Deutschland abgelehnt, mit der katholischen Kirche an einer Einheitsübersetzung der Bibel mitzuarbeiten. Über deren Gültigkeit hätte für die Katholiken allein das Lehramt des Papstes entschieden. Das sei für die Protestanten nicht hinnehmbar gewesen.

Weitere Schwierigkeiten
Auch die Frauenordinationen würden die Katholischen als Belastung verstehen, da dadurch der Druck in der katholischen Kirche wachse, abenfalls Frauen mit dem Priesteramt zu betrauen. Aber auch für die Protestanten gebe es einige katholische Standpunkte, die man nicht teilen könne. So hätten die Katholiken während des Heiligen Jahres 2000 und während des Weltjugendtages vom „Ablass geredet wie zu Luthers Zeiten“. Auch die Mariendogmen von der „unbefleckten Empfängnis“, die 1854 und 1950 dogmatisiert wurde und von der in der heiligen Schrift nirgends die Rede sei, stießen bei den Protestanten auf Protest. Und die Unfehlbarkeit des Papstes, 1870 zum Dogma erhoben, sei für die Protestanten nicht akzeptabel.

Nivellierung der Gegensätze führt in die Sackgasse
„Diese Beispiele zeigen“, so Kock, „dass wir trotz aller Erfolge noch eine weite Wegstrecke vor uns haben.“ Schließlich blicke man auf eine Jahrhunderte alte Geschichte ökumenischer Feindseligkeiten zurück. „Aber die Menschen vor Ort dürfen sich nicht irre machen lassen.“ Denn die säkularisierte Gesellschaft mit dem Verlust des Gottesbezuges sei eine Herausforderung für beide Kirchen. Und Irritationen müssten ja nicht nur schlecht sein. Es gebe auch im Leben von Menschen Krisen, aus denen sie gestärkt hervorgingen. „Man muss die Grenzen des Machbaren testen und gucken, wie weit man kommt.“ Kock warnte davor, die Einheit aus Gleichgültigkeit und Beliebigkeit erwachsen zu lassen. Die Nivellierung der Gegensätze führe beide Kirchen in die Sackgasse.

Zukunftsplanung: Modelle für die Einheit der Kirchen
Kock nannte vier Modelle, die derzeit diskutiert würden, um die Einheit der Kirchen zu verwirklichen. Da sei zunächst das Allianzmodell. Man schließe einen Bund, mit dessen Hilfe in der Welt gehandelt werde. Das sei in Deutschland bereits Realität. Beide Kirchen setzten sich etwa ein für die Bewahrung der Schöpfung oder etwa den Schutz des Sonntags. Das Modell, beide Kirchen unter dem Papst zu vereinigen, hält Kock für irreal aus protestantischer Sicht. Die Kirchenunion, die Aufgabe von Traditonen und Verschmelzung der Kirchen, sei zwischen lutherischen und reformierten Kirchen gelungen, darüber hinaus gibt Kock der Union keine Chance. Als viertes Modell nannte der Altpräses die Kirchengemeinschaft. Die zeichne sich aus durch die gegenseitige Anerkennung und das Bemühen, den Unterschieden die trennende Schärfe zu nehmen.

Versöhnte Verschiedenheit
Das entsprechende Schlagwort sei die „versöhnte Verschiedenheit“, die aber auch Ausdruck einer großen Ratlosigkeit sei. Trotzdem sieht Kock gute Voraussetzungen für die Einheit der Kirche Jesu Christi, die mehr sei als die Summe der Einzelkirche. Gemeinsamkeiten zwischen Protestanten und Katholiken gebe es im apostolischen Glaubensbekenntnis, in dem sich beide Konfessionen zur „einen Kirche“ bekennen würden, und in der Anerkennung der jeweiligen Taufe. Unterschiede bestünden beim Abendmahl und bei der Anerkennung der geistlichen Ämter. Aber nichtsdestotrotz: „Ziel ist das Reich Gottes. Und die Voraussetzung dafür ist auch der respektvolle Umgang miteinander.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): ran