You are currently viewing Letzter Gottesdienst in der Lukaskirche Flittard: Gemeindezentrum wurde entwidmet, bald entsteht dort ein Seniorenheim der Johanniter

Letzter Gottesdienst in der Lukaskirche Flittard: Gemeindezentrum wurde entwidmet, bald entsteht dort ein Seniorenheim der Johanniter

Trauer und Wehmut über den Verlust, aber auch Dankbarkeit für das Erlebte und Vorfreude auf das Kommende prägten den letzten Gottesdienst in der Köln-Flittarder Lukaskirche. Vor über 49 Jahren eingeweiht, wurde sie am vergangenen Sonntag entwidmet. Aus wirtschaftlichen und strukturellen Gründen hat die Evangelische Brückenschlag-Gemeinde Köln-Flittard/Stammheim ihr Gelände an der Roggendorfstraße verkauft. Das einstige Gemeindezentrum wird abgerissen. An seiner Stelle entsteht ein in den beiden Stadtteilen lange gefordertes Seniorenheim – in Trägerschaft der Johanniter. Bezogen werden dessen zwei Gebäude voraussichtlich im Januar 2010. Der Komplex soll knapp vierzig betreute Wohnplätze und achtzig Pflegeplätze in Einzelzimmern umfassen. Im Gottesdienst wurde deutlich, dass diese Adresse weiterhin auch eine evangelische sein wird – schließlich sind die Johanniter ein evangelischer Orden. In dem Seniorenheim wird es unter anderem einen Andachtsraum und verschiedene evangelischen Angebote geben. Diese Tatsache mag bei einigen ehemaligen Gemeindegliedern den Schmerz über die Aufgabe „ihrer“ Lukaskirche lindern.



Abschied vom Gemeindezentrum Lukaskirche
Zum letzten Gottesdienst in der Lukaskirche blieb kein Platz in den Bankreihen leer. Selbst zusätzliche Stühle reichten nicht aus. Einzelne Gemeindeglieder offenbarten in sehr persönlichen Beiträgen, was sie mit diesem kirchlichen Ort verbinden. „Wir nehmen auf unterschiedliche Weise Abschied vom Gemeindezentrum Lukaskirche. Ich bin noch einmal durch die Räume gegangen“, beschrieb eine Rednerin ihre Gefühle. „Mein Glaube an Jesus Christus hat hier Wurzeln bekommen. Ich habe hier viele nette Menschen kennengelernt. Bin hier rund 250 Mal zum Abendmahl gegangen – habe ich ausgerechnet.“ Sie zeigte sich dankbar für die vergangene Zeit und traurig darüber, dass die Geschichte der Gemeinde an dieser Stelle unwiederbringlich ende. „Ich brauche einige Zeit zum Abschied nehmen.“ Man habe hier ab heute keine Heimat mehr“, betonte ein anderer Redner den Verlust des Vertrauten, um tröstlich und grundsätzlich festzustellen: Heimat sei im Gottesdienst zu finden, dort bekomme man Halt von Gott und erhalte man seine Bestimmung. „Dankbarkeit ist der Schlüssel“, schloss er mit Blick auf das Schöne, „das wir hier erlebt haben“ sowie dem Hebräer-Wort, dass „man hier keine bleibende Stadt“ habe. Eine lange Jahre in verschiedenen Arbeitsbereichen tätige Ehrenamtliche blickte auf ihre Anfänge in Flittard zurück, als sie aus Süddeutschland stammend von Heimweh geplagt war. Seitdem sie vor fast genau vierzig Jahren von einer Nachbarin zum Frauenkreis mitgenommen wurde, habe sie in dieser Gemeinde eine neue Heimat gefunden habe. Sie sei allmählich in die Gemeindearbeit hinein gewachsen, habe verborgene Kräfte entdeckt. „Diese Arbeit wurde mir ein wichtiger Ausgleich zum Hauptberuf Mutter und Hausfrau. Dankbar kann ich sagen, ich habe von Gott ausreichend Kraft bekommen.“ Dies gelte auch, „wenn wir in ein neues Haus ziehen“.

„Was bleibt?“
In einer weiteren Stellungnahme wurde die Lukaskirche als Dach bezeichnet, unter dem vieles erprobt worden sei, wo man „als Schatz für das Leben“ die Grundlage des Bibelwissens mitbekommen habe, unter dem kreative Gottesdienste, Freizeiten und Feste stattgefunden hätten, wo man gelernt habe, zusammen zu arbeiten. „Was bleibt?“, fragte die Dame. „Eigentlich sind es die Menschen, die mit Gott unterwegs sind“, zeigte sie sich froh darüber, dass mit diesen Menschen und ihren Erfahrungen wie Begabungen das Wichtigste mitgenommen und erhalten bleibe. Man müsse nicht in ein anderes Land ziehen, „nur zur anderen Hälfte unserer Gemeinde“, relativierte ein anderer Sprecher. Dafür besitze man Hilfsmittel, die den Weg erleichterten, sprach er auch das Fahrdienst-Angebot zum Gottesdienst für die Flittarder an.
In seiner Kurzpredigt sagte Pfarrer Gerold Vorländer: „Glaube, der nur in die Vergangenheit schaut, wird zur Museumspflege. Glaube, der nur in die Zukunft blickt, wirkt schwärmerisch. Glaube, der nur die Gegenwart kennt, überfordert sich, weil die Zweifel nicht weichen wollen.“ Selig sei der, der dann eine Geschichte habe, auf die er sich besinnen könne. Von Israel könnten wir lernen, dass lebendiger Glaube an den lebendigen Gott stärkt und trägt, wenn Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart gleiches Gewicht haben – mit Blick in eine Richtung, hin zu Gott.“ Man nehme heute Erinnerungssteine mit, „damit wir etwas zu erzählen haben von unseren Erfahrungen, die uns nicht verloren gehen“.

Unterwegs: gemeinsamer Fußmarsch von der Lukaskirche zum Dietrich-Bonhoeffer-Haus
Nachdem der Presbyteriumsvorsitzende Fred Mallon sichtlich bewegt die Kirche für entwidmet erklärt und Küster Peter Kraus die Altarkerzen gelöscht hatte, verharrten die Gemeindeglieder für einige Zeit in den Bänken. Stehend und schweigend nahmen sie Abschied von dem Ort, an dem viele von ihnen getauft, konfirmiert und/oder getraut worden sind; an dem sie in Gottesdiensten mitgewirkt, ihr Christsein gelebt haben. Anschließend führte unter großer Beteiligung ein gemeinsamer Fußmarsch von der Lukaskirche zum Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Stammheim, wo ein Umtrunk den Vormittag ausklingen ließ.
Der Umzug bei winterlichen Temperaturen diente der Überführung der liturgischen Geräte und anderer „Erinnerungsstücke“ der aufgegebenen Kirche. An der Spitze trugen Jugendliche das Altarkreuz. Mitgeführt wurden ebenso die Altarbibel und -kerzen sowie mit den 15 Arbeitsbereichen der Gemeinde beschriftete Ziegel. Ursprünglich hatte man geplant, dafür Steine aus der Wand zu stemmen. In Anbetracht des Aufwandes griff man statt dessen auf im Kellerlager gefundene, unverbaute Ziegel zurück. Diese symbolisch bezeichneten Steine wurden im Altarraum des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses abgelegt. Dorthin gelangte der (noch aus dem alten Flittarder Betsaal stammende) Taufstein per Auto. Und dort sollen auch der Grundstein sowie weitere Erinnerungssteine aus der Lukaskirche vorläufig Platz finden. Später sollen sie, ebenso wie die 1965 in Betrieb genommene Orgel von Georg Stahlhut, die eine notwendige Restaurierung erfährt, ins neue Gemeindezentrum übernommen werden.

„Es ist noch viel zu tun“
Nachdem bereits in den Wochen vor und Tagen nach Weihnachten Mitglieder der Brückenschlag-Gemeinde das Untergeschoss des Gemeindezentrums Lukaskirche geräumt hatten, steht in der laufenden Woche das Abschrauben und Zusammenpacken im Kirchenraum selbst an. „Es ist noch viel zu tun, vom Türklinken ab- bis zum Bänke auseinander schrauben“, warb eine Mitarbeiterin um tatkräftige Freiwillige. Dies biete gleichzeitig Gelegenheit zum „praktischen Abschied nehmen“. Zudem lud sie Interessierte ein, gegen eine Spende beispielsweise Ziegelsteine, Lampen oder gar Bänke zu erstehen. So ist zu erwarten, dass nach dem Abriss der Saalkirche einiges an Inventar auch an privaten Adressen überdauern wird.

In Planung: Neubau eines Gemeindezentrums dem Grundstück des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses in Stammheim
Als Veranstaltungs- und Gottesdienststätte nutzt die Brückenschlag-Gemeinde weiterhin ihr Gemeindezentrum in Stammheim, das laut Pfarrer Gerold Vorländer „relativ enge“, sanierungsbedürftige Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Zudem genießt sie Gastrecht in der katholischen Kirche St. Johannes Evangelist und im Pfarrheim von St. Pius. Zwei bis drei Jahre soll diese Übergangslösung andauern. Dann soll auf dem Grundstück des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses „der komplette Neubau eines Gemeindezentrums mit Kirche“ erfolgen.

Engelbert Broich

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich