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Lebendige Schönheit: Fotoausstellung im Lindenthaler Paul-Gerhardt-Forum über Italien

Italienische und deutsche Fotografen sehen „Italia“
Lebendige Schönheit, verfallende Architektur und Steinbrüche, ausdrucksstarke Gesichter, bevölkerte und menschenleere Situationen… Die Ausstellung „Italia“ in der Paul-Gerhardt-Kirche vereint rund vierzig Schwarz-Weiß-Arbeiten von vier freischaffenden Fotografen. Der Titel verdeutlicht das Thema, um das diese kreisen. Es geht um den jeweiligen Blick auf Italien, auf ein kleineres oder größeres Stück.
Ein Jahr hat der 1956 in Portici (Neapel) geborene Ciro Pascale, der seit 1968 in Köln lebt, die Schau vorbereitet. Sein „Traum war, mehrere italienische und deutsche Fotografen zusammenzubringen“. Dass die vom „Forum Paul-Gerhardt-Kirche e.V.“ veranstaltete Präsentation, die auch Teil der „Internationalen Photoszene Köln 2004“ ist, sich nun auf vier Lichtbildner konzentriert, ist wahrlich kein Nachteil. Zwei von ihnen, Pascale und Tony Vaccaro, sind in Italien aufgewachsen und leben nun fern ihrer Heimat. Die anderen beiden, Natalie Aschenbroich und Horst Hahn, stammen aus Deutschland.

Licht und Schatten
1965 in Langenfeld/Rheinland geboren, hat Natalie Aschenbroich innerhalb ihres Kommunikationsdesign-Studiums in den neunziger Jahren auch Sizilien, insbesondere Palermo bereist. Ihre Motive heißen Architektur und Sonne. Dem Licht spürt sie auch mit einer Infrarot-Kamera nach, womit sie die Helligkeit zu steigern vermag. Deutlich wird dies in ihrer Aufnahme eines menschenleeren Marktplatzes um die Mittagszeit. In diese grell-weiße, unwirklich scheinende Szenerie sticht nur der gräuliche längliche Schatten eines Mastes. Als kontrastreiches Gegenstück, das die überbordende Leuchtkraft noch verstärkt, bezieht Aschenbroich am rechten oberen Bildrand ein verschattetes Gebäude mit ein. „Tendenziell künstlerisch“, abstrahierend, arbeitet sie auch in einem Bild, das ausschnitthaft ein beschienenes Mauerwerk zeigt, welches in eine noch hellere Fläche übergeht. Diese entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Dach eines Autos.

Marmor und Landschaft
Horst Hahn besticht mit einer Reihe über die Marmorbrüche von Carrara. Sie bildet eine Auswahl aus einer Vielzahl 1999 und 2001 dort entstandener Werke. Zwei Mal war das 1937 in Bergisch-Gladbach geborene Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) für je zwei Wochen in den Brüchen und deren Umgebung unterwegs. Täglich bis zu neun Stunden, „wie ein Berufstätiger“, hat er sich ihnen genähert. Die Ergebnisse zeigen die verschiedenen Facetten des Steinabbaus. Sie zeigen die Wunden, die die Marmor-Gewinnung in die Landschaft geschlagen hat. Sie zeigen den harten, desillusionierenden Arbeitsalltag über sowie unter Tage, wo man den Statuario, den ob seines dichten Materials besten Stein fördert. Die Fotografien konfrontieren mit der beeindruckenden Größe der Brüche, deren monumentalen Kargheit. Hahn, der zuletzt 36 Jahre als Restaurator für Steinskulptur und Wandmalerei beim Rheinischen Amt für Denkmalpflege tätig war, widmet sich ebenso den überraschenden feinen Details, der rauhen und zugleich zarten Schönheit der noch betriebenen wie aufgelassenen Anlagen, schlechthin der Gestalt und Struktur des Steins. In den mitunter künstlerisch-graphisch, abstrahiert anmutenden Fotografien ist die Faszination spürbar, die diese Brüche auf Hahn, ausüben. „Sie haben oft etwas von einer Bühne“, sagt er.

Thunfischfabriken und Villen
Ob eine verlassene Thunfischfabrik oder eine der baufälligen „Vesuv-Villen“, die trotzdem noch irgendwie bewohnt werden; ob eine übrig gebliebene Fassade einer Kirchenruine in Palermo oder ein verlassener Straßenzug – Ciro Pascales Motive sind Architekturen und Stadtlandschaften Siziliens. So dokumentiert er auch den Umgang mit dem architektonischen Erbe, dessen einstigen Glanz wir nur erahnen können. Auch befördert durch ihre Schwarz-Weiß-Qualität besitzen die Arbeiten des Wahlkölners eine starke suggestive Wirkung. Zumeist menschenleer, vermitteln die Bilder nicht selten eine trügerische Ruhe. Dies tritt besonders in der Aufnahme von einer Straße in Vita bei Gibellina zutage. Pascale, der 1972 autodidaktisch mit der Fotografie begann und inzwischen Mitglied der DGPh ist, hat sich für das Motiv nicht irgendeinen Ort ausgesucht. Vita liegt in einem Gebiet, das 1968 von einem schweren Erdbeben heimgesucht wurde. Noch immer bewohnt, regt sich hier zumindest zum Zeitpunkt des Auslösens der Kamera aber kein Leben außerhalb der wenigstens vor der Hitze schützenden Häuser.

Sophia Loren und Anna Magnani
Tony Vaccaros Beiträge stammen aus den vierziger und fünfziger Jahren. 1922 in Greensburg, Pennsylvania, geboren, wuchs er von seinem dritten bis 17. Lebensjahr im italienischen Bonefro auf, dem Heimatort seiner Eltern. Die Fotografien des renommierten Lichtbildnern, der für diverse Magazine tätig war und seit 1975 selbstständig arbeitet, beschäftigen sich einerseits mit der im Rückblick gerne verklärten, „entbehrungsreichen Wirklichkeit“ im Nachkriegs-Italien. Sie zeigen etwa eine alltägliche Szenerie mit großflächig zum Trocknen aufgereihten Nudeln oder stolze Landbewohner mit ihrem kleinen Transportfahrzeug und moderner Maschine. Andererseits ist Vaccaro ein großer Porträtist. Ob er nun den aufreizenden Blick der jungen Sophia Loren einfängt oder die Irritation, Verzweiflung und dennoch Stärke auf dem Antlitz von Anna Magnani – auch Vaccaros Bilder vermögen die Betrachtenden zu berühren.

Geöffnet ist die Ausstellung in der Paul-Gerhardt-Kirche, Köln-Lindenthal, Gleueler Straße/ Ecke Lindenthalgürtel, bis 15. Oktober montags bis freitags von 17 bis 19 Uhr, am Wochenende von 11 bis 14 Uhr. Außerdem am Freitag, 1. Oktober, bis 22 Uhr, Samstag, 2. Oktober, von 16 bis 21 Uhr.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich