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Laudatio von Pfarrer Markus Herzberg für Kirchenpräsident Dr. Volker Jung

"Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freudinnen und Freunde, sehr geehrter Herr Dr. Jung, es ist mir eine große Ehre, heute diese Laudatio für Volker Jung halten zu dürfen, den Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Ich bin mir bewusst, dass nicht wenige innerhalb der LGBTI-Szene die Stirn in Falten legten, als bekanntgegeben wurde, dass einem Kirchenmann die diesjährige Kompassnadel verliehen wird und ausgerecht auch noch ein anderer Geistlicher die Laudatio halten wird. Ich kann und will darum auch nicht verschweigen, dass viele zu Recht das Thema Kirche und lesbisch-schwule Bewegung nicht so ganz unter einen Hut bringen mögen.

Kirchen schweigen oder sehen weg
Desmond Tutu, der anglikanische Altbischof aus Südafrika hat einmal gesagt: „Wenn die Kirche so viel Zeit in Liebe und Gerechtigkeit investiert hätte, wie in die Abwehr der Homosexualität, dann sähe unsere Welt anders aus.“ Damit trifft Tutu einen Teil einer traurigen Geschichte. Die Kirchen waren und sind eine Institution, die ganz viel am Unrecht und der Unterdrückung von Homosexuellen und sexueller Vielfalt mit verursacht hat, und sie tragen darum eine große Schuld und Last auf ihren Schultern. Wenn ich mich heute in unserer Welt umschaue und mir die Landkarte der Gesetzgebung bezüglich der Rechte Homosexueller ansehe, dann muss ich feststellen, dass in vielen Ländern und Regionen immer auch die Kirchen zu einem großen Teil schweigen, wegsehen oder sich gar beteiligen. Wenn ich zum Beispiel in Russland sehe, dass orthodoxe Geistliche die Menschen in ihrer Homophobie noch anschüren, aufhetzten und sogar mitmachen, trifft mich das zutiefst.

Doppelgebot der Liebe
Um Homophobie vorzufinden, müssen wir aber nicht weit in die Ferne sehen, sondern in der momentanen Stimmung von „…man wird doch wohl mal sagen dürfen“ finden wir dies in allen Milieus unserer eigenen Gesellschaft. Auch und manchmal leider gerade Christinnen und Christen aus den verschiedensten Konfessionen und Lagern sind sich oftmals einig darin, dass Gott die Homosexualität nicht gewollt hat, dass sie ein Fehlgriff seiner Schöpfung sei. Menschen, die die Bibel plötzlich ganz wörtlich nehmen. Die nicht gelernt haben, dieses wunderbare Buch und dessen Schatz in den jeweiligen kulturspezifischen Kontext zu stellen. Würden wir die Bibel in dieser Konsequenz leben, wie es auf die Homosexualität bezogen wird, müssten wir widerspenstigen Söhne steinigen, wenn sie nicht hören wollen, müssten wir Frauen in der Evangelischen Kirche wieder zum Schweigen bringen, dürfte ich mir morgen noch Sklaven aus unseren Nachbarstaaten beschaffen usw. Doch evangelisches Schriftprinzip liest die Bibel von Christus her und somit von seinem Doppelgebot der Liebe. Dieses besagt nämlich, sich selbst so zu lieben wie Gott und seinen Nächsten. Oder wie Augustinus es prägnant und treffend formulierte: „Liebe, und dann tue, was du willst.“ Sie, lieber Herr Dr. Jung, haben sich an dieses Prinzip der evangelischen Hermeneutik gehalten und das ernst genommen.

Mensch zur Gemeinschaft bestimmt
Dr. Volker Jung ist seit seinem Amtsantritt als Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau im Januar 2009 in viele Aufgaben auf EKD-Ebene involviert. Er ist seit 2010 Vorsitzender der EKD-Kammer für Migration und Integration und war in dieser Eigenschaft bis 2013 auch Mitglied des Integrationsbeirates der Bundesregierung. Von 2009 bis 2013 hat er in der Ad-Hoc-Kommission mitgearbeitet, die den Text „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familien als verlässliche Gemeinschaft stärken. Eine Orientierungshilfe des Rates der EKD“ verfasst hat. Dies ist auch Teil einer Wirklichkeit von Kirche, die sich dem zu Beginn genannten Unrecht entgegenstellt und alte Klischees beseitigen will. Dieses Papier der Evangelischen Kirche in Deutschland sagt erstmalig in sehr deutlichen Worten, was man so selten hörte: „Der Mensch wird von Anfang an als Wesen beschrieben, das zur Gemeinschaft bestimmt ist (1. Mose 2,18).

Homosexualität weder Krankheit noch Sünde
Durch das biblische Zeugnis hindurch klingt als »Grundton« vor allem der Ruf nach einem verlässlichen, liebevollen und verantwortlichen miteinander, nach einer Treue, die der Treue Gottes entspricht. Liest man die Bibel von dieser Grundüberzeugung her, dann sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften, in denen sich Menschen zu einem verbindlichen und verantwortlichen Miteinander verpflichten, auch in theologischer Sicht als gleichwertig anzuerkennen.“ Es braucht Menschen wie Volker Jung, die an den Schnittstellen zwischen Kirche und Gesellschaft dafür sorgen, dass richtiggestellt wird, was richtig ist, und sich mutig denen entgegenstellen, die aus ihrem Denkmuster nicht ausbrechen wollen oder können. Die Orientierungshilfe hat einen wahren Sturm innerkirchlich wie auch gesellschaftlich hervorgerufen, aber Volker Jung hat gerade in den Debatten und Diskussionen, die sich an die Veröffentlichung des Papiers anschlossen, entschieden für die Rechte Homosexueller und eine veränderte Beurteilung der Homosexualität geworben. Er kann darum offen und frei zu dem Schluss kommen, dass Homosexualität weder Krankheit noch Sünde ist, sondern zur Schöpfung Gottes dazu gehört. Sie, Herr Dr. Jung, haben sich den Kritikern gestellt, ohne überheblich zu werden oder sich der Diskussion entziehen zu wollen, und haben so einen Dialog möglich gemacht.

Glaubhafte Kirche sein
Darum haben Sie gemeinsam mit Ihrer Kirche, übrigens als erste evangelische Kirche in Deutschland, im vergangen Jahr die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die seit gut zehn Jahren bereits praktiziert wird, mit der Trauung weitgehend gleichgestellt. Darüber hinaus wird in der Evangelische Kirche in Hessen und Nassau darüber beraten, ob die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare auch als Trauung bezeichnet werden kann. Vielleicht müssen wir da ja bald die Kirchen stoppen, dass nicht alles gleich sein muss. Dass Volker Jung am Thema bleiben wird, hat er gerade bewiesen, als er sich am 22. Mai dieses Jahres bei den Karlsruher Verfassungsgesprächen für ein generelles Adoptionsrecht eingetragener Lebenspartnerschaften ausgesprochen hat. Es ist wichtig, dass diese Schritte hin zu einer „gelebten Selbstverständlichkeit“ gesehen und wie heute auch gewürdigt werden. Es liegt noch ein langer und mitunter auch mühseliger Weg vor uns. Darum soll diese Kompassnadel Volker Jung und anderen in der Kirche Mut machen, an diesem eingeschlagenen Weg festzuhalten und ihn weiterzugehen. Vielleicht kann es so möglich sein, eine glaubhafte Kirche zu sein, die an der Seite derer steht, die andere an den Rand stellen wollen.

Vielfalt als Bereicherung
Es sind Menschen wie Volker Jung, denen wir es zu verdanken haben, dass ich mit meinem Mann in großer Selbstverständlichkeit in einem Pfarrhaus leben darf, dass gleichgeschlechtlich Liebende in so vielen Kirchgemeinden willkommen sind, dass Vielfalt nicht als Bedrohung sondern als Bereicherung gesehen wird, dass wir mit unsrer Traumfrau oder unserem Traummann vor den Traualtar treten dürfen.

Tatkraft und klare Worte
Lieber Herr Dr. Jung, sowohl persönlich als auch in Stellvertretung derer, die Sie als Preisträger ausgewählt haben, danke ich Ihnen von Herzen für Ihre Tatkraft und alle klaren Worte und wünsche Ihnen Kraft und Stärke für Ihren eingeschlagenen Weg einer glaubwürdigen, aufrichtigen und liebenden Kirche in unserem Land. Herzlichen Glückwunsch zur Kompassnadel 2014."

Markus Herzberg ist Citykirchenpfarrer an der Kölner Antoniterkirche.

Text: APK/knap
Foto(s): Annette Scholl