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Landessynode 2004: Rückblick auf die wichtigsten Themen

Abendmahl für alle statt „Kirchenzucht“
In der rheinischen Kirche darf niemand vom Abendmahl ausgeschlossen werden, das hat die Landessynode 2004 der Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) bekräftigt.
Damit zieht die Kirche die Konsequenz aus der ersatzlosen Streichung der „Kirchenzucht-Artikel“ in der Kirchenordung aus dem Jahr 1996.
Für viele Christinnen und Christen ist das Abendmahl eine zentrale Feier: Hier wird Gemeinschaft mit Gott und anderen Gläubigen und die Sündenvergebung erfahren. Darum ist sie ein Augenblick, der geschützt werden muss. So entstanden Regelungen, wie eine als „unangemessen“ empfundene Teilnahme am Abendmahl ausgeschlossen werden könne, die sogenannte „Kirchenzucht“ . Aus der Absicht, das heilige Abendmahl vor unangemessener Teilnahme zu schützen, entwickelte sich in einigen Gemeinden Missbrauch: Unliebsame Mitglieder konnten vom Abendmahl ausgeschlossen werden.
„Gott nimmt alle Menschen an, wie sie sind, aber er lässt sie nicht, wie sie sind.“ Dieser theologische Grundsatz wird nun konsequent auf die Feier des Abendmahls übertragen: Alle sind an den Tisch des Herrn eingeladen, egal welcher Konfession und in welcher Lebenssituation sie stehen. Dieses Abendmahlsverständnis erlaubt es auch, dass im Rheinland Kinder das Abendmahl mitfeiern dürfen. Noch kann jede Gemeinde dies in der Praxis unterschiedlich handhaben, weitere Beratungen sind nötig. Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland ist nun beauftragt, ihre Position in ökumenischen Gesprächen auch anderen Kirchen darzulegen.

Zum Arbeitsverständnis in und für Kirche
Soll es zukünftig in der rheinischen Kirche auch hauptamtliche Superintendentinnen und Superintendenten geben können? Bislang wird dieser Dienst für die Leitung eines Kirchenkreises nur nebenamtlich neben dem Gemeindepfarramt ausgeübt. Unumstritten blieb in der Beratung die Feststellung, dass sich der Aufgabenkatalog für die Superintendentinnen und Superintendenten in den letzten Jahren erheblich erweitert hat. 
Die Voten waren unterschiedlich: Ja, die Hauptamtlichkeit für die Kirchenkreise sei angesichts der Aufgabenfülle unbedingt erforderlich. Sie solle allen Kirchenkreisen ermöglicht werden, die das wünschen. Nein, die Hauptamtlichkeit könne dazu führen, dass Superintendent oder Superintendentin in der Leitung des Kirchenkreises nicht mehr primus bzw. prima inter pares sei, sondern nur noch „Chef“  oder „Chefin“ der anderen Pfarrerinnen und Pfarrer. Die Gemeindebindung könne verloren gehen. Es sei fatal, SuperintendentInnen  von den Quellen der praktischen Gemeindearbeit abzuschneiden.
Im Vorfeld der Synode hatte sich bei Umfragen in den Gemeinden, Kirchenkreisen und Ausschüssen keine eindeutige Mehrheit für die Ermöglichung der Hauptamtlichkeit abgezeichnet. Von den 813 Kirchengemeinden hatten bis Ende letzten Jahres 608 Kirchengemeinden ihr Votum zurückgemeldet – davon 56,6 Prozent mit einem „Pro“ für die Hauptamtlichkeit. Dieser Trend verstärkte sich in der Abstimmung nicht: Nach langer Diskussion hat die Landessynode die Hauptamtlichkeit von Superintendentinnen und Superintendenten abgelehnt.

Alle ChristInnen sind zum Dienst berufen

In der Kirche gibt es nur einen Dienst, aber viele verschiedene Ämter. Das ist die Grundaussage des theologischen Ausschusses der EKiR in der Vorlage „Ordination, Dienst und Ämter“, die von der Landessynode 2004 fast einstimmig angenommen wurde.
Demnach ist jede Christin und jeder Christ durch die Taufe berufen, Gottes Wort weiterzugeben und Nächstenliebe zu üben. In diesem Sinne sind alle Priester, berufen zu Dienst am ‚Heiligtum‘ des Wortes Gottes. Die Leitung des Abendmahls durch nicht Ordinierte bleibt allerdings eine Ausnahme.
Aus dem Evangelium begründet sich auch die Ordination von Frauen: In der Kirche darf der Unterschied der Geschlechter für geistliche Ämter nicht von Bedeutung sein. Im Leib Christi darf es keine Bevorzugten oder Benachteiligten geben. Das gilt auch für organisatorische Hierarchien: Wenn es nur den einen Dienst und nur eine Ordination gibt, kann es keine übergeordnete Ämter geben. Das Amt des Superintendenten oder Präses ist also nicht wertvoller oder wichtiger für die Verbreitung des Evangeliums als andere Ämter. Konsequenzen aus diesem Verständnis von Dienst und Ämtern ergeben sich viele: Ordination bedeutet nicht gleich Pfarramt. Es kann auch ehrenamtlich Ordinierte geben: beispielsweise Predigthelfer oder Pastoren im Ehrenamt.

Predigthelferinnen und Predigthelfer werden künftig die Bezeichnung Prädikantin oder Prädikant tragen. Diese von der Landessynode 2004 beschlossene Bezeichnung soll deutlicher machen, welchen Dienst diese ordinierten Gemeindeglieder in der öffentlichen Verkündigung tun: Prädikant heißt übersetzt Prediger. Mehr als 500 Prädikantinnen und Prädikanten tun in der rheinischen Kirche ihren Dienst. Nach einer zweijährigen Vorbreitungszeit werden die ehrenamtlich tätigen Männer und Frauen, die in der Regel keine volle theologische Ausbildung haben, ordiniert. Neben der Predigt gehören auch Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Bestattungen sowie die Leitung der Feier des Heiligen Abendmahls zu ihren Aufgaben.

Kleinere Änderungen im „Lebensordnungsgesetz“

Die Rolle der Kinder- und Jugendarbeit in der Gemeinde wird jetzt stärker betont und ein behindertengerechter Zugang zu deren Räumen gefordert.
Zwei Neuerungen gibt es im Bereich der Amtshandlungen. Das Lebensordnungsgesetz schreibt jetzt fest, dass man keine Pfarrerin und keinen Pfarrer zwingen kann, eine Trauung oder eine Bestattung durchzuführen, wenn sie für die Amtsträger nicht verantwortbar erscheint. Dann muss eine Kollegin oder ein Kollege einspringen.
Trauungen waren bisher nur „in der Stätte des Gottesdienstes“ einer Gemeinde möglich. Nun muss es eine „öffentlich zugängliche Gottesdienststätte“ sein. Diese Formulierung wendet sich zum einen gegen Trauungen in Privathäusern oder Veranstaltungssälen, ermöglicht aber gleichzeitig kirchliche Hochzeiten in Kapellen oder Kirchen, die sonst nicht mehr von Gemeinden für Gottesdienste genutzt werden. Trauungen an anderen Orten sind nur bei begründeten Ausnahmefällen, etwa am Krankenbett, möglich.

Neue Leitlienien bei sexualisierter Gewalt in der Kirche
Die Evangelische Kirche im Rheinland hat für Fälle von sexualisierter Gewalt in der Kirche ein besonderes Verfahren installiert Nötig sind diese Leitlinien, weil sexualisierte Gewalt auch vor Kirche nicht Halt macht, wie Pressesprecher Jens Peter Iven sagte, als die Handreichung „Die Zeit heilt keineswegs alle Wunden“ vorgestellt wurde. In der Broschüre wird das neue Verfahren beschrieben – die EKiR ist die erste evangelische Landeskirche in Deutschland, die ein solches Verfahren zur Anwendung bringt.
Das Besondere dieses Hilfsangebots ist: Die vertrauliche Beratung und die juristischen Ermittlungen verlaufen – auch personell – getrennt voneinander: Zwei Juristinnen nehmen die Aufgaben wahr: Petra Kelp (Frauenreferat der EKiR) ist Ansprechpartnerin als beratende Juristin, Landeskirchenrätin Katja Wäller als ermittelnde Juristin.
Im Schnitt komme es zu fünf Verfahren pro Jahr, berichtete Vizepräses Petra Bosse-Huber. Sehr viel mehr Anfragen würden aber vertraulich beantwortet. Der Kirche gehe es mit dem neuen Verfahren darum, „offen und transparent“ mit dem Thema sexualisierte Gewalt umzugehen, „Bagatellisierung und Tabuisierung“ zu vermeiden.

Tipps:
Die Handreichung „Die Zeit heilt keineswegs alle Wunden – Leitlinien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt“ kann kostenlos bestellt werden: Landeskirchenamt, Abteilung 2, Alexandra Diehl, Telefon 0211/45 62-222, Fax -560, Email alexandra.diehl@ekir-lka.de

Den ersten Teil unserer Berichterstattung zur Landessynode „Das Geld“ finden Sie hier.

Alle Dokumente der Landessynode 2004
– Dokumente, Pressemitteilungen und Fotos – finden Sie hier als Internet-Dateien. Weitestgehend unformatierte Texte und Bilder im RTF-Format als Vorlagen für eigene Dokumente (Web, Gemeindebrief) hier

Text: ekir/AL
Foto(s): ekir