You are currently viewing Kunsthistorikerin Kerstin Wittmann-Englert über die Trinitatiskirche: „Eine Attraktion unter den evangelischen Kirchen“

Kunsthistorikerin Kerstin Wittmann-Englert über die Trinitatiskirche: „Eine Attraktion unter den evangelischen Kirchen“

„Die Gestalt der Trinitatiskirche ist das Resultat königlichen Wollens“, erklärte die Kunsthistorikerin Dr. Kerstin Wittmann-Englert von der Technischen Universität Berlin in ihrem Vortrag in der Kölner Trinitatiskirche. „Stüler folgt mit ihr den Vorgaben von Friedrich Wilhelm IV.“. So erinnert sie in ihrer Konzeption bis heute an das preußische Erbe in Köln: „Als Predigtkirche ‚Berliner Prägung‘ ist die Trinitatiskirche bis heute eine Attraktion unter den evangelischen Kirchen im Rheinland“. Begrüßt worden war die Wissenschaftlerin von Dr. Martin Bock, dem Leiter der Melanchthon-Akademie Köln, der erläuterte, dass ihre Ausführungen über die Bedeutung der evangelischen Trinitatiskirche Köln den Beginn einer ganzen Vortragsreihe zum Kulturprogramm „Trinitatis 2010“ markiert. Anlass für die über das Jahr verteilten Vorträge ist, dass das kunsthistorisch bedeutende Gotteshaus vor 150 Jahren eingeweiht wurde.

Friedrich August Stüler führender Baumeister
In ihrem lebhaften und reich bebilderten Dia-Vortrag führte die Referentin Wittmann-Englert vor allem in den kunsthistorischen Kontext ein, in dem die Trinitatiskirche steht. Konzipiert wurde das Gotteshaus von Friedrich August Stüler. Stüler war der führende Baumeister seiner Zeit und unter anderem Schüler von Karl Friedrich Schinkel. Aus dem Schüler und später Angestellten Schinkels wurde nach dem Tod des Lehrers sein Nachfolger: „Nach Schinkels Tod im Oktober 1841 wurde Stüler zum führenden Architekten Preußens und war 20 Jahre als Architekt Friedrich Wilhelms IV. tätig – seit 1842 sogar mit der Würde ‚Architekt des Königs'“, berichtete Wittmann-Englert. Als Mitglied der obersten preußischen Baubehörde entwarf Stüler unter anderem das „Neue Museum“ auf der Berliner Museumsinsel, das unlängst wieder im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stand. Wittman-Englert rekapitulierte: „Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, stand dieses Gebäude jahrzehntelang als Ruine im Zentrum der Stadt Berlin auf der Museumsinsel. Senat, Landesdenkmalrat, Befürworter und Gegner der Rekonstruktion diskutierten intensiv, zuweilen kämpferisch den Umgang mit diesem Bauwerk, welches schließlich im vergangenen Oktober wiedereröffnet wurde: als ein Werk von Friedrich August Stüler, restauriert und ergänzt von David Chipperfield und Julian Harrap“.

Christliche Basilika als Bautypus
Wie viele seiner anderen Bauten so ist auch die Kölner Trinitatiskirche in ihrer spätklassizistischen Gestalt durch frühchristliche Vorbilder inspiriert ist. „Der Bautypus – die christliche Basilika – verweist auf Baukunst und Zeit der frühen Christen, sprich: in das 4. Jahrhundert“, so die Kunsthistorikerin, um jedoch sofort anzumerken: „Eine Orientierung, die nicht auf den Architekten zurückzuführen ist, sondern auf König Friedrich Wilhelm IV, der für die Kirche die Gestalt einer ‚altchristlichen Basilika‘ wünschte.“ Stüler jedoch scheint der perfekte Mann gewesen zu sein, um solch präzise königliche Wünsche umzusetzen, beherrschte er doch fast alle Stilrichtungen: „Stülers Bauten weisen Stilmerkmale der frühchristlichen, romanischen, gotischen Architektur auf. Auch verwendete er Formen der italienischen Frührenaissance. Mit dieser Haltung entsprach er seiner Zeit, die wir heute mit dem Begriff des ‚Historismus‘ charakterisieren.“

Protestantische Kirche sollte sich abheben
Dass sich Friedrich Wilhelm IV. für eine antikisierende Bauweise entschieden, hat zentral mit dem Kölner Dom zu tun, der zur gleichen Zeit als deutsches Einheitsdenkmal fertig gestellt wurde. Während der Dom mit seiner gotischen Bauweise für die Größe der deutschen Nation stand, sollte die protestantische Kirche sich von der Flut gotischer und romanischer Baukunst in Köln abheben. Die Verweise auf die frühchristlichen Vorbilder sollten zudem die Einheit der gerade unierten protestantischen Kirche unterstreichen. „Für König Friedrich Wilhelm IV. – als Primas der Protestanten – verband sich mit der Basilikenform das Urchristentum. Und somit eine noch unverfälschte, ungeteilte christliche Kirche. Und genau diese wurde dem König zum Vorbild für die 1826 unierte evangelische Kirche.“

Der segnende Christus in der Apsiskalotte
Nach der fast völligen Zerstörung des „protestantischen Doms“ in den Jahren 1942 und 1943 wurde die Kirche zwar wieder aufgebaut, doch wurden hierbei Veränderungen vorgenommen. Kerstin Wittman-Englert hatte Dias mitgebracht, auf denen die ursprüngliche Wandgestaltung festgehalten ist: „Das Apsisrund zeigte um die Jahrhundertwende einen holzvertäfelten Wandabschnitt und über diesem eine ornamentale Rankenmalerei. In der Apsiskalotte thronte – gemalt von Ernst Niederhäuser – der segnende Christus auf einer im Anschnitt gezeigten Weltkugel.“ All dies ging bei der Zerstörung der Kirchen verloren. „Georg Eberlein und Fritz Renné folgten den Ideen des purifizierten, also bereinigten, in Teilen aber auch interpretierenden Wiederaufbaus“, erläutert Wittmann-Englert. „Das heutige Bauwerk zeigt Stülers Architektur – restauriert bzw. rekonstruiert bis in die Details, wie die geometrischen Reliefs der Emporenbalustraden oder auch die Kapitelle zeigen. An die einstige Wandgestaltung erinnert indes nichts mehr.“

Berliner Schwesterkirche „könnte inspirierend“ sein
Ihren Vortrag schloss Wittmann-Englert mit einem Verweis auf die Nutzung der Trinitatiskirche, die heute eine Kirche ohne Gemeinde und wöchentliche Gottesdienste ist: „In Berlin steht eine Kirche – an zentraler Stelle im Kulturforum -, die so manche Parallele zur Trinitatiskirche aufweist: Die Matthäuskirche, die ebenfalls Friedrich August Stüler geplant hat.“ Diese ist heute Stiftungskirche und Ort vielfältiger Ausstellungen und Projektreihen, bei denen, wie Wittmann-Englert es ausdrückt, „die Auseinandersetzung von Theologie und Ästhetik im Mittelpunkt steht.“ Diese Stüler-Kirche in Berlin, so Wittmann-Englert, „könnte vielleicht inspirierend auf ihre Kölner Schwester wirken.“

Den Diavortrag zum Ansehen
können Sie hier herunterladen

Den Vortrag nachlesen
können Sie hier

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Anselm Weyer