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Kryptologen begeistern mit „Alte Liebe“ – wenige Restkarten für März-Termin

„Ich will nicht enden wie meine Mutter“, sagt Lore und denkt an die Bettlägerige, die nur noch von Maschinen am Leben erhalten wird. „Wirst du nicht“, beruhigt der Ehemann, „da achte ich drauf.“ Lores prompte Replik: „Aber da bist du doch schon tot!“

Ja, in der Ehe von Lore und Harry läuft im Groben zwar alles, doch von Nahem betrachtet gibt es jede Menge Sand im ehelichen Getriebe. Inga Engels-Kunz (Lore) und Siegfried Pietsch (Harry) spielen in der Krypta der Andreaskirche Bergisch Gladbach-Schildgen, die zur Evangelischen Kirchengemeinde Altenberg-Schildgen gehört, souverän ein seit 40 Jahren verheiratetes Paar, das mit sich, den Umständen und der Tochter Gloria hadert, das aber am Ende die „Kurve“ kriegt und noch einmal Frühlingsgefühle füreinander entwickelt. „Alte Liebe“ heißt der Roman, der die Vorlage für das Zwei-Personen-Stück ist und der von Elke Heidenreich und ihrem Mann Bernd Schroeder geschrieben wurde, als sie bereits getrennt lebten. „Alte Liebe“ ist in der Kirchen-Krypta der Renner.

Zusatztermin am 22. März wegen großer Nachfrage
Zwei Aufführungen hatte die Amateur-Theatergruppe „Die Kryptologen“ geplant, fünf wurden gespielt – immer ausverkauft. Wegen der großen Nachfrage gibt es jetzt einen weiteren Zusatztermin am Sonntag, 22. März, 19 Uhr. Karten zu je 8 Euro können reserviert werden über das Evangelische Gemeindebüro der Andreaskirche, Telefon 02202 82134, oder die Bücherscheune in Schildgen, Telefon 02202 238643, oder per E-Mail unter kryptologen@andreaskirche-schildgen.de.

„Sind wir glücklich?“, fragt Lore irgendwann
Es ist der Hochzeitstermin von Lores und Harrys Tochter Gloria, der sich wie ein roter Faden durch das Stück zieht – stets im Hintergrund und dennoch immer präsent, da er zum Katalysator für Gespräche und Selbstgespräche des Paares wird. Dass die Tochter zum dritten Mal heiratet, noch dazu einen sehr reichen Industriellen, ist für die Eheleute der Anstoß, über vieles nachzudenken, zu streiten, zu sinnieren und auch Bilanz zu ziehen. „Sind wir glücklich?“, fragt Lore irgendwann, und Harry antwortet: „Meistens.“ Doch beide haben Zweifel an ihrem – oberflächlich betrachtet intakten – Ehe-Glück. Er, der Rentner, der Architekt werden wollte und im Bauamt landete, spielt gerne Golf und liebt den Garten. Sie, die leidenschaftliche Bibliothekarin schimpft auf jüngere Kolleginnen, fürchtet die Pensionierung und wünscht sich, ihr Mann begleite sie zu ihren Lesungen. Doch auch Harry treibt etwas um, er will kein „sprachloses, langweiliges Paar werden“, dass nur noch „Weißt du noch …?“ statt „Siehst du auch, was ich sehe?“ sagt.

Jeder fühlt sich ein bisschen verstanden
„Jeder fühlt sich da etwas verstanden und wird an seine Probleme erinnert“, sagt Siegfried Pietsch alias Harry. Der 64-Jährige, der zehn Jahre Presbyter an der Andreaskirche war, ist Initiator der Theatergruppe „Die Kryptologen“. Er gründete sie 2003 mit drei weiteren Mitgliedern der Andreasgemeinde: Elke Hüppeler, Gisa Bongartz und Claudia Dietze. Die Idee war auf seiner Terrasse geboren worden und kam freilich nicht aus dem Nichts: Siegfried Pietsch hatte früher bereits bei den kleinen Theater-Anspielen für die „Lebendigen Gottesdienste“ der Andreaskirche mitgemacht, dafür sogar Schauspieler-Coachings organisiert und eine Band gegründet.

Spiel in der Krypta der Andreaskirche
Die kleinen Spielszenen hatten Lust auf mehr, auf Größeres gemacht – die Kryptologen wurden geboren. Und standen zwei Wochen später bereits im Sommer 2003 beim Gemeindefest auf der Bühne mit Jean Tardieus Stück „Ein Wort für das andere“! Mit ihrem Namen ehrt die Theatergruppe ihre Heimspielstätte: die Krypta der Andreaskirche, in der im November 2003 die erste Komödie auf die Bretter kam. Nein – korrekterweise war es der Steinfußboden, auf dem damals gespielt wurde. Die Bretter der 24 Quadratmeter großen Bühne brachte erst eine Renovierung des kleinen Raums mit sich, der seither den Charme eines „Zimmertheaters“ hat. Die Kirchenbänke und privat organisierten Baustrahler der ersten Stunde sind längst ersetzt durch bequeme Stühle und hochprofessionelle Lichttechnik. Geld, sagt Pietsch, kosten sie die Gemeinde keines. Die Kryptologen finanzieren sich aus den Eintrittserlösen und tun bei Benefiz-Veranstaltungen manchmal sogar noch Gutes.

Pointierte Dialoge, nachdenkliche Monologe
Die 60 Plätze sind auch jetzt bei „Alter Liebe“ wieder voll besetzt. Das Stück hat sich zum Dauerbrenner entwickelt. Die pointierten Dialoge, nachdenklichen Monologe und selbstironischen Gedanken der Eheleute reizen mal zum Lachen und lassen es ein anderes Mal im Halse stecken bleiben. Etwa, als Lore nach dem Tod ihrer Mutter ihrem Mann zu erklären versucht: „Ich habe da so ein Ziehen, so ein Loch. Verstehst du das?“ Harry reagiert pragmatisch: „Das füllen wir mit einem schönen Seidenkleid!“ Lore schmilzt dahin: „Du, Harry, ich glaube, ich lieb dich sooo!“ Er trocken: „Sag’s mir, wenn du es genau weißt.“

Keine „Schenkelklopfer“ im Programm
Der Text ist original von Heidenreich und Schroeder. Der Roman wurde lediglich auf etwa ein Drittel gekürzt. Das haben die beiden Hauptdarsteller in halbjähriger Arbeit selbst gemacht. Zuvor sei das Buch nur zweimal – von einer Amateurgruppe und von Profis in Baden-Baden – auf die Bühne gebracht worden, erzählt Pietsch. Ihm und den übrigen Kryptologen liegt daran, nachdenkliche, ernste, fröhliche, aber immer anspruchsvolle Stücke einzustudieren. „Schenkelklopfer“, sagt Siegfried Pietsch, würden sie nicht aufführen. Das Publikum honoriert das: Die Kryptologen spielen immer vor ausverkauftem Haus. Die Zuschauer kommen teilweise von weither, dieses Mal einige aus Westfalen und dem Hunsrück, Kunden von Pietsch, der im Vertrieb tätig ist. Andere sind treue Fans aus der Nähe.

Schauspielerische Leistung im kleinen Raum
Conny und Günter Klippert aus Bergisch Gladbach-Bärbroich sind das erste Mal bei den Kryptologen – und begeistert von der schauspielerischen Leistung, dem Stück und dem intimen Raum. Selbst seit 25 ein Paar, lächeln die Klipperts öfters über die Szenen, die typische Beziehungssituationen aufgreifen: das Zeitungslesen, die Gartenarbeit, das Golfen, die Häufigkeit des Sex, das Jammern über fehlende Komplimente des Gatten, das Problem angemessener Kleidung bei einer Hochzeit – und ob man überhaupt hinfahren solle. In einem Punkt sei es allerdings bei ihnen „genau andersherum“, erzählt Conny Klippert: Nicht sie sei es, die die vom Gatten gefaltete Wäsche wieder entfalte und noch einmal „schön“ falte, sondern ihr Mann Günter sei in diesem Punkt so akkurat.

Mutig ohne Souffleuse
„Manchmal möchte ich gerne alleine leben“, sinniert Lore, „nur ein Zimmer für mich!“ Und Harry grübelt: „Ich muss wieder zu den Dingen zurückfinden, die unseren ersten Frühling ausmachten.“ Das Publikum sieht fasziniert zu, wie entspannt und wie glaubwürdig die beiden Schildgener Gemeindeglieder das Ehepaar verkörpern. Die übrigen acht Mitglieder des Ensembles sind im Hintergrund aktiv. Sie kümmern sich um den Einlass, Bühnenaufbau, Requisiten, Licht- und Tontechnik sowie um Getränke und Gebäck in der Pause, die sich kommunikativ nebenan an Stehtischen verbringen lässt. Nur eine Souffleuse gibt es nicht. „Wir sind mutig“, sagt Siegfried Pietsch und setzt beruhigend hinzu, dass die Regisseurinnen Martina Schmitz und Brigitte Affeldt immer in der ersten Reihe säßen.

„Der letzte der feurigen Liebhaber“ im September
Während die „Alte Liebe“ – deren Ende hier nicht verraten sei – das Publikum noch entzückt, ist das nächste Stück bereits ausgesucht: „Der letzte der feurigen Liebhaber“ von Neil Simon wird am 19. und 27. September 2015 erstmals in der Krypta aufgeführt. „Wir hätten gerne Nachwuchs“, sagt Siegfried Pietsch, am liebsten Leute zwischen 25 und 40 Jahren. Wer interessiert sei, könne ihn anrufen unter 02202/25 54 99 oder ihm mailen unter kryptologen@andreaskirche-schildgen.de. Neben guten Stücken und Spaß im Kryptologen-Team gibt es auch Weiterbildungen beim Amateurtheaterverband. Doch noch für etwas anderes hat der Theatermann ein offenes Ohr: für Engagement-Angebote. Sein Traum ist es, mit „Alter Liebe“ auf Tournee zu gehen.

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser