„Kopfsprung“ – Ausstellung im Turm der Lutherkirche, Südstadt, mit Bildern, Objekten und Installationen von Petra Kanke sowie Malerei und Grafik von Ralf Mazura
Petra Kankes Objekte und Installationen ähneln Fledermäusen in Gewölben. Sie suchen Schmetterlingen gleich Schutz in Nischen, erinnern an vorbei ziehende Vogelschwärme.
Sie ranken sich wie Pflanzen empor, türmen sich auf zu fremdartigen Architekturen, sind geformt zu alltäglichen Gebrauchsgegenständen.
Die Grafik, Malerei und Fotografie kombinierenden Arbeiten von Ralf Mazura bilden dazu offenbar einen Gegensatz. Zumindest auf den ersten Blick haben seine Schattenfiguren, seine ausschnitthaften Architekturen und Landschaften wenig gemein mit Kankes Werken. Aber so deutlich die formalen Unterschiede zutage treten, so erscheinen die jeweiligen Beiträge nicht selten über die Inhalte miteinander verknüpft.
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Arbeit von Petra Kanke |
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Nach einigen vorangegangenen gemeinsamen Projekten bespielen beide Künstler – die sich als Nachbarn in einem Atelierhaus in Bornheim-Roisdorf kennen und schätzen gelernt haben – aktuell den
Turm der Lutherkirche in der Südstadt, in geringerem Maße auch den Kirchenraum. „Kopfsprung“, angelehnt an den Titel einer Arbeit Mazuras, nennen sie ihre Schau. Waghalsig müssen die Besuchenden nicht sein. Es genügt die Bereitschaft, sich einzulassen auf inspirierende Begegnungen. Etwa mit der Schuh-Installation „Kopfbilder“ von Kanke.
Die 1959 in Viersen geborene und in Mayschoß ansässige Künstlerin hat abgetragenes Schuhwerk aller Art paarweise abgeformt und mit den individuellen Ergebnissen einen ganzen Raum bestückt. Als Material diente ihr mit Öl, Leim und Farbe bearbeitetes Filterpapier. Auf die gleiche Weise sind die im obersten Turmzimmer wie abgelegt, verstaubt und vergessen wirkenden Schaufeln, Aktentaschen und Bauarbeiterhelme entstanden. Neben dem Filterpapier gehören von Freunden und Bekannten gebrauchte Filtertüten zu Kankes bevorzugten Arbeitsmitteln. Sie werden gefaltet, geschichtet, gerollt, aufgespannt, perforiert oder anderweitig, auch in Kombination mit Metall- und Kunststoffresten, verwendet. Kanke arbeitet mit Glas, Ton und immer wieder mit Fundstücken. Mit nutzlos gewordenen, aussortierten Sachen. Deren künstlerische Würdigung lässt geheimnisvolle, poetische, warmtonige Bilder entstehen.
Das verwendete Material Filter führt schließlich auch zu nahe liegenden Deutungen. Assoziationen zum Begriff Filtern, zum ambivalenten Vorgang des Filtrierens stellen sich ein. Dinge wie Zustände klären sich, werden anders gesehen, erscheinen in neuem Licht. Es geht also auch um Reinigungsprozesse, um die Konzentration auf zuvor Unbeachtetes.
Im engeren wie weiteren Sinn spielt Filterung ebenfalls bei Mazura eine wichtige Rolle. Der 1956 in Bonn geborene Wahlkölner fotografiert zunächst Motive, die ihm bei seinen „Streifzügen“ auffallen. Sie werden am PC leicht bearbeitet, ausgedruckt und gegebenenfalls mehrfach, teilweise in immer stärkerer Vergrößerung, fotokopiert. Dabei geht es dem Grafiker und Maler nicht um die getreue Übersetzung des Gesehenen. Ihn interessiert in erster Linie der Schwarz-Weiß-Kontrast. Auf Zwischentöne verzichtet er weitgehend. Die so verdichteten Lichtpausen sind Grundlage jeder seiner Arbeiten. Sie werden auf Holz gezogen und dienen gleichsam als Untermalung. Mazura behandelt diese Vorlagen minimal mit Farben, Ölen und Lacken. Die Schleier, Schlieren und Wischungen, die mehr transparent als deckend auf der Oberfläche liegen, betonen den fragmentarisch-ausschnitthaften, den zeichenhaften Charakter von Mazuras Werken, die zwischen Grafik und Malerei vermitteln. Obwohl die Bilder in der Regel unbestimmt und verfremdet erscheinen, sind doch unterschiedliche Motive festzumachen. Beispielsweise blicken wir auf abstrahierte Landschaften. Auch auf Stadtarchitekturen, die eine futuristisch-kubistische Wirkung entfalten, und durch ihre Aneinanderreihung und Variation einen eigenartigen Rhythmus des Sehens in Gang setzen.
Geöffnet ist die Ausstellung im Turm der Lutherkirche, Martin-Luther-Platz, bis zum 6. Juni: donnerstags und freitags von 17 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 14 Uhr.
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich