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Konzert zur Einweihung der sanierten Orgel in der Bayenthaler Reformationskirche

„Ein großes Projekt unserer Gemeinde ist abgeschlossen“, freute sich Pfarrer André Kielbik, als er das Publikum zum Einweihungskonzert der neuen, alten Orgel der Bayenthalter Reformationskirche begrüßte. Die stolze Summe von 260.000 Euro hat die Gemeinde in den vergangenen vier Jahren dafür aufgebracht, damit sie sich auch in Zukunft an ihrer erweiterten und frisch sanierten Orgel erfreuen kann. Marc Jaquet und Samuel Dobernecker führten im Konzert mit Musik aus fünf Jahrhunderten die neuen Klangmöglichkeiten vor.

„Seifert – Peter – Späth – Orgel“ steht auf dem Programmheft des Abends, womit die Orgelhistorie der Reformationskirche aufgelistet ist. Ihre erste Orgel aus dem Hause Seifert wurde beim Bombardement der Kirche im Krieg zerstört. Nach dem Wiederaufbau sei dann 1965 das bis heute bestehende Instrument der Firma Peter eingezogen, das eigentlich seitdem pflegebedürftig gewesen sei, wie der Gemeindepfarrer ausführt. Im Jahr 2012 habe der damalige Kantor Marc Jaquet schließlich dringend empfohlen, die Orgel zu überarbeiten, aus akustischen wie auch aus Sicherheitsgründen. Daraufhin holte sich die Gemeinde Rat bei Manfred Schwartz, dem Orgelsachverständigen der Evangelischen Kirche im Rheinland und in Westfalen. „Er hat damals gleichzeitig als Bergmann und als Kardiochirurg an unserer Orgel gearbeitet hat“, so Kielbik.

Orgelbauverein ermöglicht die Sanierung
Innerhalb eines Jahres wurde die Willi-Peter-Orgel dann durch die Firma Freiburger Orgelbau Hartwig und Tilmann Späth saniert und um ein Auxiliarwerk mit sechs Registern erweitert. Auf beide Seitenemporen verteilen sich die 41 Register der Orgel, so dass sich für die dazwischen sitzende Zuhörerschaft interessante Raumeffekte ergeben, wenn die Töne mal von links, mal von rechts und mal von beiden Seiten zugleich kommen. „Ich habe mir von den Experten sagen lassen, dass man fachsprachlich richtig sagt, unsere Orgel habe nun einen Bauch bekommen“, erläuterte Pfarrer Kielbik seinen Gästen und fügte hinzu, dass für den perfekten Gesamtklang 2.879 Pfeifen vom Intonateur Rainer Jahnke angepasst werden mussten. Dass dieses Projekt überhaupt ermöglicht wurde, ist vor allem dem Orgelbauverein Bayenthaler Reformationskirche zu verdanken. Unter dem Vorsitz von Superintendent Dr. Bernhard Seiger wurde der Verein im April 2013 gegründet, um die Spendenakquise zu unterstützen. Beinahe 50 Prozent des Finanzbedarfs für die Orgelsanierung, nämlich 126.000 Euro, konnten durch die Aktionen des Vereins eingeworben werden, aber auch die Weihnachtsspenden der Gemeinde und weitere Veranstaltungen trugen zur Finanzierung bei. Allen Spendern und Unterstützern des Sanierungsprojekts gilt daher der ausdrückliche Dank der Gemeinde.

Von Zungen, Flöten und Prinzipalen
Neben Orgelbauer Tilmann Späth war natürlich auch Manfred Schwartz zum Einweihungskonzert gekommen. „Die Patientin hat die Reanimation ohne größere neurologische Schäden überstanden“, nahm er den metaphorischen Faden von Pfarrer Kielbik auf, bevor er den Zuhörerinnen und Zuhörern die neuen Klangmöglichkeiten der Orgel erklärte, die Samuel Dobernecker vom Spieltisch aus mit Musikbeispielen untermalte. Bei der Sanierung neu hinzugekommen sind bespielsweise die sogenannten Streicherregister „Celesta“ und „Unda maris“, die beim Bau des Instruments in den 60ern noch als zu lieblich verschrieen und daher unerwünscht gewesen seien. „Die sollen eben ans Gemüt gehen“, erklärt der Experte, und zitiert den Komponisten bekannter Orgelwerke, Sigfrid Karg-Elert: „Es bedeutet Glückseligkeit, auf der ‚Unda maris‘ dahinzusegeln.“

Die neue Orgel sorgt für Gänsehautmomente
Beeindruckend klingt die Prinzipalmixtur des modernisierten Instruments, das „Grand Jeu“, das besonders für den französischen Orgelklang wichtig ist – Schwartz beschreibt ihn als „den silbrigen Klang, den jeder von Hochzeiten kennt“. Als das Musikbeispiel ertönt, wird schnell klar, dass die neue, alte Orgel der Reformationskirche sicher noch für so manchen Gänsehautmoment und viele Freudentränen sorgen wird. Schließlich forderte Manfred Schwartz sein Publikum auf, die Hand auf die Kirchenbänke zu legen: Beim nächsten Klangbeispiel fingen diese an zu vibrieren, während die Orgel eine düstere Atmosphäre heraufbeschwor. „Nach der Sanierung sind nauch solche tiefen Klangteppiche möglich, die vor allem für Improvisationen und die Musik der Romantik gebraucht werden. Dafür wurde dem Klang das Grelle und Aggressive genommen. Neue Klangfarben können außerdem mit dem elektronischen Setzer am Spieltisch generiert werden“, erzählte der Sachverständige.

Wiedersehen mit Marc Jaquet
Für das Einweihungskonzert der sanierten Peter-Orgel haben sich der amtierende Kantor der Reformationskirche, Samuel Dobernecker, und sein Vorgänger Marc Jaquet zusammengetan. Letzterer hatte im April eine A-Kirchenmusikstelle an der Bonner Lutherkirche übernommen und wurde von seiner ehemaligen Gemeinde mit großer Wiedersehens- und Wiederhörensfreude begrüßt. Er spielte eine „Alamanda“ von Samuel Scheidt, die „Partita Retrospettiva III“ von Sigfrid Karg-Elert, welche von großen dynamischen Kontrasten lebt, sowie die Sätze „Salamanca“ und „Hamburg“ aus Guy Bovets „Trois préludes hambourgeois“. Vor allem diese beiden kürzeren Stücke sorgten für geflüsterte Begeisterung im Publikum – die Nutzung des Raumeffekts bescherte der effektreichen Komposition, die mit verzerrten Walzerklängen und einem in die Länge gezogenen Zitat von Beethovens „Für Elise“ groteske Kirmesbudenimpressionen evozierte, außergewöhnliche Klangeindrücke.

„Farblichter“ sorgen für Gesprächsstoff
Samuel Dobernecker hatte das Konzert zuvor mit der festlichen Orgelsonate Nr. 5 von Felix Mendelssohn Bartholdy eröffnet, spielte anschließend zwei Sätze aus Johann Sebastian Bachs „Clavierübung III“ und zum Dritten „Farblichter“ von Dominik Susteck. Geplant war ursprünglich Sustecks Werk „Zwischenklänge“, das aber wegen Fehlern in der Elektronik der neuen Orgel noch nicht gespielt werden konnte. Mit „Farblichter“ aus dem Jahr 2011 präsentierte Dobernecker ein herausfordendes Stück Neuer Musik, das in der voll besetzten Reformationskirche für Furore sorgte: Manch ein Besucher fühlte sich noch während der Aufführung zur Äußerung seines Unmuts provoziert, andere wiederum applaudierten danach lautstark und riefen „bravo“. „Mit unserem Kantor können wir uns auf viel Neues gefasst machen“, meinte eine Konzertbesucherin – für Gesprächsstoff beim Sektempfang war jedenfalls gesorgt.

Festschrift und Website zur Orgelsanierung
Anlässlich der Sanierung hat die Kirchengemeinde Bayenthal eine Orgelfestschrift herausgegeben. Das Buch mit dem Titel „Seifert – Peter – Späth – Orgel“ ist für 5 Euro im Pfarrbüro zu erwerben. Wer sich online über die Sanierung der Bayenthaler Orgel informieren möchte, kann dies auf der Website des Orgelbauvereins tun.

Text: Kristina Pott
Foto(s): Kristina Pott