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Konsequenzen aus den Lehren Martin Luthers ins Heute übertragen

Rund 700 Gäste kamen am 31. Oktober in der Kölner Trinitatiskirche zusammen, um in einem feierlichen Gottesdienst den Reformationstag unter dem Motto „Weite wirkt“ zu feiern.

An der Eingangstür begrüßte eine gerade mal hüfthohe Luther-Statue die Besucherinnen und Besucher und Rolf Domning, Stadtuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, hatte den noch viel kleineren Playmobil-Luther mitgebracht. Den zeigte er den Gästen zur Begrüßung, darunter zahlreiche Vertreter anderer Konfessionen und Religionen, aus Politik und Stadtgesellschaft, die gekommen waren, um mit den Protestanten zusammen den diesjährigen Reformationsgottesdienst zu feiern. „Wir werden unseren Reformator jetzt richtig groß machen“, versprach Domning.

Luther reagierte mit Weitsicht
Keinen Personenkult indes kündigte der Stadtsuperintendent an, sondern eine Würdigung der Größe von Luthers Reformen im Rahmen eines Gottesdienstes, der als „Eingangspforte“ ins Jubiläumsjahr 2017 gedacht war. Denn mit Luthers Thesenanschlag vor nun 499 Jahren, so Domning „dämmerte eine neue Zeit“, seine Impulse hätten unsere Ethik ebenso maßgeblich beeinflusst wie sie unsere Sprache formten. Seine Bibelübersetzung sei das erste gedruckte Buch und damit das erste Massenmedium der Weltgeschichte gewesen: „Gott hat den Reformator wahrlich auf weiten Raum gestellt. Und Luther reagierte mit Weitsicht: mit Ideen, die größer waren als seine Zeit.“

Andächtig lauschte die Gemeinde den Gesängen des Chores

Durch Gottes Gnade garantiert
Auch im Leitwort „Weite wirkt“ der Evangelischen Kirche im Rheinland, das die Losung „Reformation und die Eine Welt“ der Reformationsdekade variiert, wird die Größe dieser Ideen zum Thema. Oberkirchenrätin Barbara Rudolph, Leiterin der „Abteilung Theologie und Ökumene“ der Evangelischen Kirche Rheinland, beschrieb sie in ihrer Predigt: Da sei vor allem der Gedanke, dass der Mensch Gottes Zuwendung nicht durch einen Ablasshandel – in welcher konkreten Form auch immer – erkaufen kann, sondern dass die Rechtfertigung des Menschen allein durch Gottes Gnade garantiert und gesichert ist – und zwar die Rechtfertigung jedes Menschen.

Weltweite evangelische Bewegung
Diese Idee, so Barbara Rudolph, habe eine „Sprengkraft“ gehabt, „die nicht nur die Geschichte in Deutschland und Europa verändert hat, sondern die ganze Welt.“ Sie sei „die Gottesentdeckung, das Gottesereignis (gewesen), das Himmel und Erde bewegt.“ Die Lesung des Gottesdiensts aus dem Lukas-Evangelium, 19,1-10, als Jesus den korrupten Zöllner Zachäus als „Abrahams Sohn“ anspricht und in seinem Haus einkehrt, interpretierte die Oberkirchenrätin als biblischen Beleg für Luthers feste Überzeugung, dass im Himmel jeder willkommen sei. Und als Grundlage für eine weltweite evangelische Bewegung, die ganz von selbst die große Menschheitsfamilie als Adressaten hat und für die ökumenische Beziehungen zu Kirchen auf allen Kontinenten nur konsequent seien.

Ob polnisch oder indonesisch: das Markusvokalensemble unter Leitung von Thomas Wegst übersetzte das Motto

Beispiel von Gemeinden in Ruanda
Dass diese Haltung nicht immer einfach ist, beschrieb Barbara Rudolph am Beispiel von Gemeinden in Ruanda, wo die Familien der Opfer des Völkermords, auch überlebende Opfer, eine Verständigung mit den Tätern von damals suchen müssen. Doch es gebe keinen Grund, sich dem Himmel ein Stück näher zu wähnen, sich als etwas Besseres zu fühlen als andere, aus welchen Gründen auch immer. Man müsse im Gegenüber stets den „Sohn Abrahams“ erkennen, ihm auf Augenhöhe begegnen. Auch das sei eine Konsequenz aus Luthers Lehren.

Die vollständige Predigt können Sie hier nachlesen.

Papst feiert mit Lutheranern
Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Süd, der den Gottesdienst zusammen mit Markus Zimmermann, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord, liturgisch leitete, begrüßte daher ausdrücklich die Reise von Papst Franziskus ins schwedische Lund, wo er an diesem Abend gemeinsam mit Lutheranern den Reformationstag feierte. „Lasst uns stets das Zeugnis von Brüdern und Schwestern anderer Konfessionen achten“, bat Bernhard Seiger und Markus Zimmermann ergänzte: „Gib uns die Kraft, Menschen zuzugestehen, dass Du sie liebst, wie sie sind.“ Aber eben auch die Kraft, „nicht die Augen zu schließen und den Mund zu halten, wenn es darum geht, Unrecht zu benennen.“

Mit einem Grußwort für die Stadt Köln bereicherte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes die Feier am Reformationstag

Kollekte für Küche in Ruanda
Musikalisch wurde der Gottesdiensts vom Porzer Markusvokalensemble unter Leitung von Kreiskantor Thomas Wegst begleitet, die Chorwerke wurden in englischer, indonesischer, schwedischer, polnischer und französischer Sprache vorgetragen, und auch die Gemeinde war eingeladen, mitzusingen. Die Fürbitten galten Gemeinden in Brasilien, Indonesien, auf Sumatra und in Hongkong, mit denen die Kirchenkreise des Kirchenverbandes über Patenschaftsprojekte verbunden sind. Mit der Kollekte von rund 2400 Euro wurde für ein Waisenhaus der Presbyterianischen Kirche von Ruanda gesammelt, in dem Straßenkinder unterkommen können. Es soll jetzt eine Küche bekommen.

Grußwort der Bürgermeisterin
Bevor Kreiskantor Johannes Quack den Gottesdienst mit dem letzten Satz aus Enjott Schneiders neuer Orgelsinfonie Nr. 16 „Martin Luther“ beendete und die Gäste sich zum Gespräch bei Kölsch und gesalzenen Speisen im Nebenraum trafen, trat Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes nach vorn, um ein Grußwort zu entrichten. Sie betonte, dass die Bewegung der Reformation noch lange nicht zum Stillstand gekommen sei und erinnerte an das Wort von Bischöfin Margot Käßmann: „Uns verbindet mehr als uns trennt.“ Scho-Antwerpes begrüßte es auch, dass an der Reformationsfeier 2017 im Altenberger Dom Präses Manfred Rekowski und Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki gemeinsam beteiligt sein werden: „Dann ist der Reformationstag in Nordrhein-Westfalen erstmals ein gesetzlicher Feiertag.“

Ehemalige und amtierende Kirchenleitung im Gespräch nach dem Gottesdienst: Eva Hoffmann von Zedlitz, Barbara Rudolph und Ingrid Schaefer (v.l.)

Text: Hans-Willi-Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans/Angelika Knapic