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Konrad Beikircher in der Kulturkirche Nippes

Für nicht so recht Luther-kompatibel hält Konrad Beikircher die rheinischen Protestanten. Der Kabarettist kann nicht anders: Er muss den Anhängern der Reformation in seinem neuen Programm „500 Jahr falscher Glaube“ bescheinigen. Wie erwartet theologisch unkorrekt und mit bissigem Witz trat Beikircher deshalb in der ausverkauften Lutherkirche in Nippes, die seit 2002 Kulturkirche ist, zur heiteren Missionierung aller Abtrünnigen vom „normalen Glauben“ an.

„Was wäre, wenn Martin Luther seine 95 Thesen im Rheinland angeschlagen hätte – hören wir mal“, kündigte Thomas Diederichs, evangelischer Pfarrer und Hausherr der Nippeser Lutherkirche, den Kabarettisten an, dessen Auftritt das WDR-Fernsehen aufzeichnete. Nicht nur zum Vergnügen der künftigen Zuschauer im protestantisch geprägten Ostwestfalen erzählte Beikircher den über 200 Jahre alten und immer noch zündenden Witz aus Köln von der Verteilung der Mundarten. Dass der Kölsch sprechende Gott zu den leer ausgegangenen Kölnern meint: „Dann sprecht Ihr eben wie ich“, ist die Pointe. In perfektem Dialekt leiht der aus Südtirol stammende Beikircher dem Schöpfer von Sprachen und anderem seine Stimme. „Können Sie sich einen solchen Witz in der protestantischen Kirche vorstellen?“, fragte er anschließend augenzwinkernd ins Publikum.

Verstehen Protestanten etwas von Festen?
„Ja, die Protestanten feiern das Reformationsjubiläum – nur wie sie es feiern!“, lästerte Beikircher. Er hat das Programm studiert: Bücher, eines ernster als das andere, Feste, Konzerte, alles eine Spur zu ernst, stichelte er, tief schürfende Gesprächsrunden mit Betroffenheit und Anliegen. „Spaß an d'r Freud'“, ohne das für Rheinländer und integrierte Imis ein Fest keines ist, fand er jedenfalls nicht einmal in der Aufführung des Luther-Pop-Oratoriums in Dortmund.

Amtshilfe beim Feiern angefordert
Als beim Eröffnungsgottesdienst zu den Veranstaltungen im Reformationsjubiläumsjahr die Posaunen anfingen „zu hupen“, entdeckte Beikircher hochrangige katholische Würdenträger unter den Festgästen. „Wenn's ums Feiern geht, sind Kardinäle den Protestanten recht, denn die haben weit mehr drauf als die Bäffchen-Träger“, spöttelte der Humor-Papst. Und setzte noch eine Pointe drauf: „Neben Kardinal Lehmann sah der damalige Bundespräsident Gauck aus, als hätte er sich beim Thesenanschlagen mit dem Hammer auf den Daumen gehauen.“

Ein ICE namens Martin Luther
Manche Eigenarten protestantischen Humors amüsieren Beikircher dennoch. Dass der frühere Bahnchef Rüdiger Grube und die Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017, Margot Käßmann, Ende 2016 einen Intercity-Express auf den Namen Martin Luther tauften, das gefiel ihm. Aber wenn nach der 500-Jahr-Feier nur ein ICE übrig bleiben sollte, würde der Kabarettist mit dem „normalen Glauben“ das ein bisschen schade finden.

500 Jahre – lohnt sich das Feiern überhaupt?
„Wir im normalen Glauben würden 500 Jahre nicht feiern, da haben wir größere Zeiträume zu bieten“, frotzelte Beikircher. Und zählte auf: 5000 Jahre Teilung Rotes Meer, 2000 Jahre Mariä Himmelfahrt oder den Ablasshandel von Johann Tetzel. Die Vermarktung könnte einige Jahre vor Luthers Thesenanschlag auf dem berühmten Pützchens Markt in Beikirchers Wahlheimatstadt Bonn allein schon wegen Tetzels sächsischem Tonfall eine echte Unterhaltungsshow gewesen sein.

Ablasshandel und Fegefeuer – alles gar nicht so schlimm?
Eine gehörige Portion katholischer Selbstironie ließ Beikircher mitschwingen bei seiner Betrachtung von Ablasshandel und Fegefeuer – Sitten, die Luther bekanntermaßen aus dem gelebten Glauben verbannte. Spaßeshalber spielte der Kabarettist durch, wie er selbst „frisch verstorben“ an die Himmelstür klopft. Petrus entdeckt noch schwarze Flecken auf der Seele des rheinischen Imi. Einen davon hat er sich zugezogen, weil er im evangelischen Johanniter-Krankenhaus verblichen ist und nicht, wie es sich für einen Katholiken gehört, in einem Marienhospital.

Erworbene Bonuspunkte für Beichten, Pilgerfahrten oder Kniefällen in Rom hätten die Fegefeuerjahre verkürzen können. Trotzdem kann sich Beikircher nicht mit dem protestantischen Glauben anfreunden, dass jeder Sünder, der im Himmel ankommt, „automatisch blütenrein“ wird. „Möchte gar nicht wissen, was für protestantische Dreckspatzen den Himmel bevölkern“, grummelt Beikircher. „Sei nicht so gehässig“, mahnt nun eine sanfte Stimme von oben. „Tja, Don Camillo war eben der einzige, der mit Jesus sprechen kann“, frohlockte der Kabarettist.

Mit „500 Jahre falscher Glaube“ dürfte Konrad Beikircher den ein oder anderen Protestanten zu dem Wunsch verleitet haben, dass Martin Luther seine 95 Thesen vor 500 Jahren an einer wichtigen Tür im Rheinland angeschlagen hätte.

Text: Ulrike Weinert
Foto(s): Ulrike Weinert