Am Sonntag, 20. Oktober, strahlt die ARD Kommissar Murots neuesten Tatort mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle aus. Begleitet von einem Krimidinner der besonderen Art kann diese Folge im Gemeindehaus der Tersteegenkirche geschaut werden. Und dabei sollte man vor allem die Ohren spitzen. Die Musik für den Film hat nämlich Simon Rummel, Improvisationsmusiker, Komponist, Klangkünstler und Kirchenmusiker, geschrieben. Er begleitet seit vielen Jahren sonntags musikalisch die Gottesdienste in der Tersteegenkirche.
Der Kirchenmusiker spricht im Interview über Inspirationen für die Komposition der Filmmusik. So spielt ein spezielles Instrument eine besondere Rolle in dem Film: Er hat sich die slowakische Hirtenflöte „Fujara“ aus einem knapp zwei Meter langen Abflussrohr aus dem Baumarkt selbst nachgebaut. Rummel sagt: „Die Musik ist größtenteils eher zurückhaltend und macht eine Art Grundfärbung, auf der dann die Geschichte spielt.“ Überraschend für ihn war, dass selbst ganz kleine Änderungen eine Szene völlig verändern können.
Was hat Sie bei der Komposition der Musik für diesen Film besonders inspiriert?
Simon Rummel: Es gibt mehrere Punkte. Zunächst einmal hatte ich den fertig geschnittenen Film vorliegen. Die Grundatmosphäre ist eher bedrückend, es geht um das Lebensgefühl in einer Diktatur, wo man immer aufpassen muss, was man wem gegenüber sagen kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Zusammenarbeit mit dem Regisseur, MX Oberg. Wir haben gemeinsam über die Musik gesprochen und er hat auch einiges an Vorschlägen und Beispielen geliefert. MX Oberg hat ein sehr gutes Gespür für Musik. Mein Kollege Bertram Denzel, mit dem ich zusammengearbeitet habe, hatte für einige Szenen sehr gut funktionierende Ideen. Ein weiterer Faktor, der mich in der Komposition beeinflusste, war die Vorstellung, dass das hr-Orchester die Musik am Ende einspielen würde. Man schreibt schon anders, wenn man das weiß! Last but not least ist der Film ganz gut gespielt. Ich habe einige Szenen sehr oft sehen müssen, und da macht es schon was aus, wenn man immer wieder Neues entdecken kann in Kleinigkeiten der Mimik, Gestik oder Aussprache.
Wie wichtig ist die musikalische Untermalung bei einem Krimi, und welche Rolle spielt sie beim Spannungsaufbau der Geschichte?
Simon Rummel: Wir wissen alle, dass die Musik im Film eine sehr große Rolle spielt, oder zumindest spielen kann. Es gibt ja erstaunliche Videos, wo man die Wirkung einer einzigen Szene mit je unterschiedlicher Musik erleben kann. Überraschend für mich war, dass selbst ganz kleine Änderungen eine Szene völlig verändern können. Hinzu kommt: Die meisten Leute nehmen Musik vor allem mit ihren Gefühlen auf. Interessant ist nun beim Schreiben einer Filmmusik, dass man damit arbeiten muss, wie Musik von einer Mehrheit mutmaßlich empfunden wird. Das interessiert mich ansonsten als freier Komponist nicht so sehr. Da lässt man sich überraschen, wie es sich für einen selber anfühlt. Wie das für andere ist, findet man dann beim Proben und bei Konzerten heraus, und es muss gar nicht gleich empfunden werden oder allgemeinverständlich sein. Bei einem Tatort mit einem Publikum von mehreren Millionen Menschen muss die Musik verstanden werden. Man greift auf bewährte Rezepte zurück, die man möglichst individuell umsetzt. Wir haben sehr auf Atmosphäre gesetzt, weniger auf Leitmotive für Figuren oder Themen (obwohl es das auch in einem Fall gibt). Die Musik ist größtenteils eher zurückhaltend und macht eine Art Grundfärbung, auf der dann die Geschichte spielt.
Welche Reaktionen erwarten Sie vom Publikum während der Präsentation des Films?
Simon Rummel: Weiß ich noch nicht. Ich bin neugierig, wie man den Film wahrnehmen wird.
Wie passen Kirchenmusik und Filmmusik zusammen? Gibt es hier überhaupt Überschneidungen?
Simon Rummel: Das sind ja große Begriffe. Kirchenmusik ist für mich eher experimentell, wie vielleicht für einen Experimentalfilm. Natürlich habe ich auch hier ein Publikum, in dem es nur sporadisch Musikspezialisten gibt, das heißt, auch hier muss es eine Allgemeinverständlichkeit geben, zumindest hier und da. Aber die Gemeinde sehe ich ja über Jahre fast jeden Sonntag, und da kann ich mich viel weiter aus dem Fenster lehnen, weil man mich kennt. Die musikalische Landkarte, die man gemeinsam abschreitet, kann viel weitläufiger sein. Und die Gottesdienste passieren im Moment, das heißt, ich kann ganz kurzfristig entscheiden, wie ich mich musikalisch verhalten soll. Sagen wir beispielsweise, ein Psalm wurde gelesen, danach ein Gebet gesprochen, und jetzt ahne ich, was gerade in der Luft liegt, und womöglich habe ich eine eigene Stimmung oder auch eine eigene Meinung, was noch „gesagt“ werden müsste, und das kann jetzt einfließen in die Art, wie ich das nächste gemeinsame Lied begleite. Und danach ist es vorbei und kann nicht noch unendlich oft wieder angesehen werden. Aber klar, es geht auch hier unter anderem um Atmosphären, Gedanken, Gefühle, Stimmungen. Der Freiraum, der den Kirchenmusikern zugestanden wird, ist nach meiner Erfahrung sehr groß, was mir gut gefällt.
Gibt es bestimmte Instrumente oder Techniken, die Sie als besonders wichtig für diese Produktion empfunden haben?
Simon Rummel: Wir haben hauptsächlich mit den Streichern des hr-Orchesters gearbeitet, und das prägt natürlich die Musik. Es gibt für eine Figur allerdings einen besonderen Klang, für den der Regisseur eine slowakische Hirtenflöte vorgeschlagen hat, die man Fujara nennt. Ich habe mir so ein Instrument dann mit einem knapp zwei Meter langen Abflussrohr aus dem Baumarkt selber gebaut, und der Klang dieses Selbstbauinstrumentes spielt nun eine entscheidende Rolle im Film. Natürlich bringe ich das Instrument zur Vorführung im Gemeindehaus der Tersteegenkirche am 20. Oktober mit.
Krimidinner der besonderen Art
Am Sonntag, 20. Oktober, 20.15 Uhr, wird ARD-Kommissar Murots neuester Tatort mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle auf einer Großleinwand im Gemeindehaus der Tersteegenkirche, Amselweg 22, gezeigt. Der Filmabend in der Evangelischen Kirchengemeinde Dünnwald geht um 19 Uhr los. Wer kommt, möchte bitte einen Beitrag für das Buffet mitbringen. Getränke spendiert die Gemeinde.
www.evangelisch-in-duennwald.de
Foto(s): Manfred Rücker