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Kölsch Hätz besteht seit 20 Jahren

Zunehmende Vereinsamung, soziale Isolation und Anonymität – die Nachbarschaftsinitiative Kölsch Hätz ist laut Peter Krücker die richtige Antwort auf die negativen Erscheinungen einer Großstadt. „Kölsch Hätz schafft wieder Beziehungen und passt in die Entwicklung Kölns“, so das Vorstandsmitglied des Caritasverbandes für die Stadt Köln e.V. beim Festakt zum 20-jährigen Bestehen der Initiative im KOMED im MediaPark.

Der Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord, Markus Zimmermann, sprach als Vertreter des Diakonischen Werkes auf dem Festakt vor rund 200 geladenen Gästen. „Vor 20 Jahren hat man sich eine solche Erfolgsgeschichte nicht träumen lassen“, sagte Zimmermann. Kölsch Hätz sei nicht nur die Idee von Caritas und Diakonie, sondern komme jeweils aus den Kirchengemeinden und Veedeln, von tief in Stadtteilen verankerten Institutionen, und führe dort in guter Ökumene Akteure zusammen.

Anfang im Jahr 1997
Getragen wird die ökumenische Nachbarschaftshilfe vom Caritasverband, Diakonischen Werk Köln und Region sowie den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden in den jeweiligen Stadtteilen. Ihren Anfang nahm sie 1997 im Kirchenverbund Mauenheim, Niehl und Weidenpesch.

Raus aus der Isolation
„Ganz entscheidend brauchte es von der ersten Minute an die Menschen, die Kontakte suchten und die, die sich sozial in ihrem Veedel engagieren wollten. Sie sind das Herz des Ganzen“, betonte Krücker in seinem Grußwort. Aus 35 ehrenamtlich Engagierten der ersten Stunde, „die in ihrem Veedel für andere Menschen ihre Zeit einbrachten und diese ein Stück raus aus ihrer Isolation, Einsamkeit und Anonymität holten“, seien bis heute 600 geworden. Darunter befinden sich 60 Koordinatoren. Sie vermitteln an aktuell 13 Kölsch Hätz-Standorten Ehrenamtliche an über 460 Nutzerinnen und Nutzer in 27 Stadtteilen.

Jeder kann helfen
„Eigentlich kann das jeder“, ist Helga Pieper überzeugt, und meint helfen. Die ehrenamtliche Koordinatorin in Weiden, Lövenich und Widdersdorf strahlte übers ganze Gesicht, als von ihren Aufgaben und den der Mitstreitenden erzählte. „Das Zusammenwirken, die verlässliche Ansprache gefällt mir“, begründete Pieper, weshalb sie auch als Pensionärin gerne bei Kölsch Hätz mitwirkt. Als Koordinatorin nimmt sie an Teamkonferenzen teil, verschafft sich durch Besuche einen Eindruck von den Bedürfnissen der Nutzer und stimmt mit den Helfenden die Einsätze ab.

Vorlesen in Kitas
Ehrenamtliche kümmerten sich wöchentlich bis zu drei Stunden um eine Person in der Nachbarschaft. Sie statteten Senioren Besuche ab, gingen mit ihnen spazieren oder einkaufen, führten Spielnachmittage durch, beschrieb Claudia Heep, eine der vier hauptamtlichen Koordinatorinnen, die Vermittlungsarbeit. Ebenso würden Familien und Alleinerziehende unterstützt, in Kitas vorgelesen oder sich mit Schulkindern beschäftigt.

„Und vertrauenswürdig sein“
„Mitbringen“ sollten die Engagierten Geduld, Kontaktfreudigkeit und Verlässlichkeit. „Sie sollten schon offen und interessiert auf Menschen zugehen können“, so Pieper. „Und vertrauenswürdig sein“, ergänzte Zimmermann, der seit 2002 Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Mauenheim-Weidenpesch ist.

Lob für „gut durchdachtes Konzept“
Zimmermann nannte als einen wesentlichen Grund für die Initiative, dass „die Gemeinde einen Bedarf gesehen hat, Menschen zu besuchen, die wir sonst nicht erreichen“. „Kölsch Hätz lebt von einer begleiteten Koordination“, betonte der Pfarrer und Superintendent. „Es braucht auch ein Stück Hauptamt. Im Hintergrund muss jemand da sein, der berät und hilft.“ Zimmermann sprach von einer Fürsorgepflicht gegenüber den Ehrenamtlichen. „Sie dürfen nicht überfordert werden.“ Sie würden für ihre Tätigkeit qualifiziert, aber nicht ausgenutzt, lobte er das „gut durchdachte Konzept“.

Die Herzensanliegen der Menschen
Es sei insgesamt schwieriger geworden, an hilfebedürftige Menschen „heranzukommen“, stellte Zimmermann fest. Die Motivation, Angebote zu nutzen, habe sich verringert. Deswegen verfolge man die Idee, Ärzte, Apotheker und andere noch stärker ins Boot zu holen, damit sie Menschen auf Kölsch Hätz aufmerksam machten. „Wir möchten auf die Herzensanliegen von Menschen eingehen, andere finden, die diese Anliegen teilen.“

Kölsch Hätz braucht Geld
Als eine von sechs Freiwilligen-Agenturen in Köln benötige auch Kölsch Hätz Geld, so Hermann-Josef Roggendorf, Leiter der Nachbarschaftshilfen Kölsch Hätz. Rund die Hälfte des Jahresetats in Höhe von 300.000 Euro übernehme die zum 10-jährigen Bestehen gegründete Kölsch Hätz-Stiftung. Circa 100.000 Euro würden Kirchengemeinden, Diakonie und Caritas aufbringen. Die Stadt Köln beteilige sich mit 24.000 Euro.

Jung und Alt zusammen
Kein Mensch ist so reich, dass er nicht (s)einen Nachbarn brauchte“, hob Reker mit einem Sprichwort auf die Notwendigkeit der gegenseitigen nachbarschaftlichen Hilfe ab. Gut gefalle ihr, dass Kölsch Hätz Jung und Alt zusammenführe. Stadtweit engagierten sich 200.000 Menschen ehrenamtlich. Krücker und Zimmermann wünschen sich für die Zukunft die Initiative flächendeckend in ganz Köln. Fest verbunden mit Kirchengemeinden. Mit neuen, auch digitalen Formen. Zimmermann ist dankbar, „dass es immer mehr Junggebliebene gibt, die sich engagieren können“.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich