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Kölns außergewöhnliche Chormusikszene

In der Passionszeit gab es in der Kölner Philharmonie ein weniger bekanntes und zugleich sehr klangschönes Chorwerk zu hören: Mit dem Stabat Mater op. 58 B 71 für Soli, Chor und Orchester von Antonín Dvořák stand am 28. Februar ein abendfüllendes Werk auf dem Programm, das zu den lohnenden, aber selten gespielten oratorischen Kompositionen zählt.

Für dieses Konzert hatte der Rheinische Kammerchor seine langjährige Kooperation mit dem Berner Kammerchor (Einstudierung: Jörg Ritter) fortgesetzt, sodass die knapp 100 Sängerinnen und Sänger beider Chöre unter dem Dirigat von Wolfgang Siegenbrink ein klangvoller Partner für die Bochumer Symphoniker waren.

Unter souveräner Leitung
Siegenbrink ist in Köln nicht nur als hervorragender Kirchenmusiker und Organist bekannt, man kennt ihn auch als kommunikativen Orchester- und Chordirigenten. Eine Expertise, die er neben seinen umfangreichen Musikstudien in Köln und Wien durch seine langjährige Tätigkeit an der Bonner Oper, beim Beethovenorchester, beim Staatsorchester Rheinische Philharmonie Koblenz und in zahlreichen Meisterkursen, zum Beispiel bei der Stuttgarter Bach-Akademie erworben hat. So stand die Kölner Aufführung des Stabat Mater unter souveräner Leitung und es gelang Siegenbrink eine außergewöhnlich gute Balance zwischen den beiden Klangkörpern Chor und Orchester.

Balance zwischen Chor und Orchester
Die beiden Chöre überzeugten dabei durch eine sehr saubere Intonation der teilweise komplizierten harmonischen Verläufe Dvořáks und nutzte, was in der Philharmonie immer ein Wagnis ist, eine breite dynamische Palette vom zarten Pianissimo bis zum starken Forte. Die Bochumer Symphoniker lieferten eine professionelle und solide Leistung und begleiteten Chöre und Solisten sensibel. Ein Leistung, die neben Siegenbrinks Dirigat auch dem engagierten und kompetenten Konzertmeister der Bochumer geschuldet war.

Warmer, strahlender Klang
Siegenbrink wählte fließende und schwingende Tempi, die das Musizieren angenehm beflügelten ohne hastig zu wirken. Das Solistenquartett war mit Melanie Maennl (Sopran), Rena Kleifeld (Alt), Markus Francke (Tenor) und Thomas Laske (Bass) ebenfalls klangschön und kompetent besetzt. Ein besonderes Lob für ihren warmen, strahlenden Klang verdienten sich die beiden Solistinnen, während Tenor und Bass im großen Rund der Philharmonie gelegentlich ein wenig Mühe hatten, sich gegen das volle Orchester zu behaupten.

Wurzeln in evangelischen Kirchengemeinden
Die Chormusikszene in Köln zählt seit vielen Jahrzehnten zu den Vielfältigsten in Deutschland. Neben den professionellen Chören wie dem WDR-Rundfunkchor oder dem Opernchor haben sich zahlreiche Ensembles ganz unterschiedlicher Größe vom Kammerchor bis zum großen Konzertchor etabliert, die oftmals auf professionellem Niveau musizieren. Viele dieser Chöre – wie zum Beispiel die Kartäuserkantorei, die Mülheimer Kantorei, die Kölner Kantorei oder der Oratorienchor Köln – haben ihre Wurzeln in evangelischen Kirchengemeinden. Sie sind auch heute noch der Kirche verbunden und pflegen kirchenmusikalische Chorkultur innerhalb der Liturgie genauso wie im Konzert.

Zusammenschluss im „Netzwerk Kölner Chöre“
Ein Großteil dieser Chöre hat sich im „Netzwerk Kölner Chöre“ zusammengeschlossen. Diese von Martin Blankenburg ins Leben gerufene Initiative hat sich zur Aufgabe gesetzt, die chorischen Aktivitäten in der Domstadt und die Programmplanung aufeinander abzustimmen, eine gemeinsame Finanzplanung der angeschlossenen Chöre auf den Weg zu bringen und die Saisonplanung mit Kölner Veranstaltungshäusern zu unterstützen. Hierdurch wurde es in den letzten Jahren möglich, dem Kölner Publikum neben dem bekannten Repertoire durch die Aufführung unbekannter oder experimenteller Werke Neuentdeckungen zu bieten, die für einen einzelnen Chor ein zu großes finanzielles Wagnis bedeutet hätten.

Evangelische Trinitatiskirche – eine gute Alternative zur Philharmonie
Neben der Philharmonie ist auch die evangelische Trinitatiskirche für die Mitglieder des Netzwerkes Kölner Chöre seit 2010 eine feste Spielstätte geworden. Die protestantische Basilika verfügt über eine exzellente Akustik für Chor- und Orchestermusik, eine gute Infrastruktur und bietet mit rund 550 Sitzplätzen eine optimale Größe für viele Chorkonzerte. Damit stellt sie eine attraktive Alternative zur Philharmonie mit ihrer trockeneren Akustik, den hohen Kosten und den mehr als 2.100 Sitzplätzen dar, die für weniger bekannte Konzertprogramme oftmals kaum zu füllen ist.

Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Wolf-Rüdiger Spieler