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„Kölner Zigeunernacht“- in der Advents- und Weihnachtszeit

Das Konzert „Kölner Zigeunernacht“ in der weihnachtlich geschmückten Lutherkirche in der Kölner Südstadt versprach „eine Brücke von der Klassik zum Orient, von Nordafrika bis Ungarn“ – und dieses Versprechen hielt es auch. Die Reise begann in Ungarn. Der ungarische Maestro Elemer Balogh stellt sein Instrument vor: das Zymbal oder Cymbalon, ein mit kleinen Klöppeln geschlagenes Hackbrett. Im 16. Jahrhundert habe es das Klavier vertreten. Sein Klang sei „fein und weich“, was er gleich mit „Dein ist mein ganzes Herz“ von Franz Lehár unterstreicht. Den Titel „Kölner Zigeunernacht“ hatten die Veranstalter bewusst gewählt. Sie haben im vergangenen Jahr auch das dritte Zigeunerfestival in Köln veranstaltet. „Mit dem Rheinischen Zigeunerfestival wollen wir ein Zeichen der Stärke und der kulturellen Vielfalt mitten in der Rheinmetropole setzen“, schreibt Musiker und Initiator Markus Reinhardt auf der Homepage des Festivals. „Die Zigeunerkultur ist Teil unseres gemeinsamen Kulturerbes und muss Teil unserer gemeinsamen Zukunft sein.“

Die nächsten Ankündigungen im Konzert schwankten zwischen geplanten Reisen und improvisierten Routen. Geradewegs landeten die mehr als 200 Südstadt-Gäste „bei den Zigeunern in Nord-Afrika“, so die Ansage. Der Musikant Djamel Laroussi aus Algerien sah sich hier einem umfangreichen Brückenbau entgegen: Geografisch wollte er der Frage nachgehen, „wo sind Zigeuner aus Nordafrika?!“ Hinzu kam eine dritte Dimensionalität „Wie wäre die Musik geworden, wären Zigeuner in Nordafrika geblieben?“ Er ergänzte, dass die Küste Nord-Afrikas 1200 Kilometer lang sei, bereits alle 50 Kilometer jedoch eine andere musikalische Stilrichtung herrsche.

Djamel Laroussi hat an der Musikhochschule in Köln studiert, bevor er nach Paris wechselte und dort bereits 2008 seine Band gründete. Seine vier Lieder, angelehnt an die vier Himmelsrichtungen, sang er auf „Berberisch“, Arabisch und Französisch. In der pentatonischen Musik klang sein virtuoses Gitarrenspiel „Sahara-light“ oder „afrikanisch-jüdisch“. Manches klang orientalisch, sein Groove war entfernt von Klezmer oder synagogalen Kaddisch. Die musikalische Reise ging vorbei an blühenden Bauten über die Berge von Algier ins Land der kleinen Hüftkreise. In ‚Ägypten‘ gesellte sich Markus Reinhardt an der Fiedel hinzu. Das Publikum feierte die orientalische Bauchtanz-Stimmung mit großem Beifall.

Im Auftakt nach der Pause wurde von der zehnjährigen Zusammenarbeit mit Markus Reinhardts berichtet, von den drei großen ‚Zigeuner‘-Festivals in Köln-Deutz oder der ‚Kulturnacht im Zigeunerwagen‘. Markus Reinhardt erinnerte sich: „Mein Opa hatte einen Wagen in Bickendorf auf dem Schwarz-Weiss-Platz. Von da wurden 14 Mitglieder unserer Familie zur Messe Deutz gebracht und nach Auschwitz deportiert. Nur 7 kamen zurück.“ Für Markus Reinhardt ist der Wohnwagen ein Symbol. Er möchte „die Kölner Zigeuner sichtbar machen“. „Wir wollen uns nicht abgrenzen, sondern in die Kulturszene eingreifen“. Den Begriff „Zigeuner“ benutzt er dabei immer ganz bewusst. Sein Ziel wäre der Erwerb eines ‚Zigeunerwagens‘ mit Fördermitteln für „Kultur auf Rädern“. Der Wagen als „Symbol, auch etwas zurückzugeben“: Mit einem Wohnwagen wird gereist, im Wagen können Lesungen stattfinden, am Wagen wird musiziert und vieles mehr.

Aziz Belaouache, ein Trommler aus Lille (Frankreich) zur Linken von Djamel Laroussi, heizte mit seinen Rhythmen über Percussions oder die arabische Darbuka ein. Beinahe unauffällig zur Rechten ein junger Mann an der Gitarre oder anderen alt-orientalischen Schlaginstrumenten: Nadim Laroussi. Er ist der Djamels Sohn, knapp über 18 Jahre. Zurückhaltend erklärte er in der Pause, dass er mit der Musik seines Vaters aufgewachsen sei und alle Stücke spielen könne. Dass er darin bereits virtuos ist, bewies er am Abend. Genauso dezent trat die nächste Generation der Familie Reinhardt ans Mikrofon: Angelina verzauberte die Zuhörer mit einem Chanson und ihrer samtig-klaren Stimme.
Stella Louise Goeke sing in der Lutherkirche in der Kölner Südstadt
Natürlich fühlt sich das Markus Reinhardt Ensemble in der Lutherkirche zuhause. Mit den Musikern und Interpreten durchlebte das Publikum Reisestationen vom Swing bis hin zum Jazz – „Night and day, you are the one“. Die große Überraschung zauberten die Musiker aber erst am Ende des Konzerts auf die Bühne: Stella. Selbstbewusst greift diese junge Künstlerin das Mikro und singt ein ungarisches Lied von leeren Zigarettenschachteln, verknülltem Butterbrotpapier und einer Stadt, in der sie sich auskennt, in der Stadt, wo sie mal zuhause war. Beinahe süffisant wirkte da das Orchester mit den Zwischentönen von „Bei mir ist es schön…“. Über die Interpretation von Stella wehte ein leichter Hauch von Kurt Weill oder Georg Kreisler. Kaum verklang das Chanson, tauchte die Sängerin in ihrem akzentuierten Bühnenoutfit die Bühne in Glamour. Einer der Höhepunkte dieses Abends war die Interpretation der ausgebildeten lyrischen Koloratursopranistin Stella Luise Göke von „Hör' ich Cymbalklänge“ aus der Operette „Zigeunerliebe“ von Franz Lehár:

„Hör' ich Cymbalklänge,
Wird ums Herz mir enge,
Süsses Land der Muttersprache,
Heimatland!
Träum von Deinen Wäldern,
Nach den gold'nen Feldern,
Sehne mich nach dir,
Mein süsses Ungàrland!
Ziehst du weit hinaus,
Gehst die Welt du aus,
Überall ist's schön und doch
Am schönsten ist's zuhaus!
Hör' ich Cymbalklänge,
Wird ums Herz mir enge,
Süsses Land der Muttersprache,
Heimatland!
Macht nichts! Hol's der Teufel!
Macht nichts! Ohne Zweifel
Kann der Mensch nicht immer traurig sein!
Liebt mein Schatz mich nimmer,
Find't man And're immer,
Schad' um jede Träne, die ich wein'!
Will nicht ohne Küsse leben, nein, nein!
Keine Stunde ohne Liebsten sein!
Jaj, jaj, hol's der Teufel!
Jaj, jaj, ohne Zweifel,
Immer kann der Mensch nicht traurig sein! (…)“
(Text/Musik: Franz Lehár)

Dieses Stück stand für sich. Es war Antwort auf die Frage, was in der Kölner Südstadt unter einer „Zigeunernacht“, wie die Künstler sie selbst nannten, erwartet und verstanden wird.

Text: Antje Rabe
Foto(s): Antje Rabe