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Kölner Frauen pfeifen auf Gewalt

Es muss nicht gleich brachiale Gewalt sein: Auch hinter einem „Poklatscher“ in einem ARD-Fernsehfilm zur besten Sendezeit oder einer anzüglichen Bemerkung des Chefs verbirgt sich eine für Frauen diskriminierende Haltung. Der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November will auf offene und verborgene Gewalt an Frauen weltweit aufmerksam machen. In Köln gab es dazu eine Ausstellung in der Evangelischen Informationsstelle.

„Kein Mensch zweiter Klasse“
„Es ist schwierig für Leute, einfach zu sagen „Guten Tag, ich brauche Hilfe“, berichtet Susanne Maroldt, Leiterin der Evangelischen Informationsstelle in der Antoniterkirche. Da war die Ausstellung „Mein Beitrag für Köln – gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen und Mädchen“, im Gruppenraum der Informationsstelle, eine gute Gelegenheit, sich anonym zu informieren. Die Ausstellung, die 2001 als „Mitmachprojekt“ entstand, enthält laminierte DIN A 4-Blätter, in denen Kölner – Männer und Frauen, Alte und Junge, Prominente und „Normalbürger“ – ihre Gefühle und Gedanken zum Thema äußern. „Auch als Hure bin ich kein Mensch zweiter Klasse“ heißt es da; eigene Erlebnisse – mit Missbrauch und häuslicher Gewalt, aber auch Skurriles – werden geschildert, handschriftlich, mit allen Ausrutschern und Rechtschreibfehlern. Wer sich tiefergehend informieren wollte, fand im Ausstellungraum Informationsmaterial zu Beratungs- und Hilfsangeboten.

3.368 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt
Die Ausstellung war Teil der Aktionen rund um den „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ am 25. November. Organisiert und koordiniert werden die Veranstaltungen vom Arbeitskreis „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ unter der Leitung der Gleichstellungsstelle der Stadt Köln. Beteiligt sind rund 20 Einrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft. An der Finanzierung der Aktionen beteiligte sich der Evangelische Kirchenverband Köln und Region zum dritten Mal. 2011 übernahm erstmals auch eine Mitarbeiterin des Kirchenverbands die Koordination. „In diesem Jahr habe ich das ausnahmsweise übernommen, weil Katlen Peter von der Gleichstellungsstelle mit der Ausstellung „Keine Angst – Nur Mut“ im Studio DuMont genug zu tun hatte“, berichtet Heike von Hagen, Frauenbeauftragte des Kirchenkreises Köln-Mitte.
Konfrontiert, so von Hagen, wird sie in ihrem Arbeitsalltag mit dem Thema häufig, kann aber Betroffene in erster Linie an Beratungsstellen lund und weitere Hilfsangebote der Evangelischen Kirche verweisen. Dass dies nötig ist, belegen einige Zahlen: „Im Jahr beraten wir ungefähr 600 Frauen zu den Themen Trennung und Scheidung. Etwa die Hälfte davon hat Erfahrungen mit körperlicher oder psychischer Gewalt“, berichtet Elisabeth Faßbender vom Frauenberatungszentrum am Friesenplatz. Dazu gehört nicht nur brachiale körperliche Gewalt, sondern auch Geldentzug oder Einsperren in den eigenen vier Wänden. Katlen Peter spricht von 3.368 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt, die im Jahr 2010 bei der Kölner Polizei eingingen.

Wer schlägt muss gehen – seit fast zehn Jahren
Diese entspricht nicht der Anzahl der sogenannten „Wegweisungen“. Seit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes am 1. Januar 2002 hat die Polizei die Möglichkeit, in Fälle häuslicher Gewalt den prügelnden „Partner“ für zehn Tage aus der Wohnung zu weisen. Zehn Tage Bedenkzeit, in denen die betroffene Frau Anzeige erstatten kann, sich Verletzungen beim Arzt dokumentieren lassen kann und entscheiden muss, ob sie mit dem Abwesenden länger zusammenleben möchte.
Seit das Gesetz existiert, hat die Polizei eine Handhabe bei häuslicher Gewalt, die jahrzehntelang als „Familienstreitigkeit“ abgetan wurde. Selbst wenn die Polizei helfen wollte, gab es kaum Instrumente dazu. „Wir konnten höchstens Frauen und Kinder unter Polizeischutz aus der Wohnung holen“, erinnert sich Faßbender. „Es ist gut, dass es heute eine Handhabe gibt“. Schon im Jahr 2002 gingen in Köln rund 1.400 Anzeigen ein, berichtet Katlen Peter. Die gestiegene Zahl im Jahr 2010 muss keinen Negativtrend zeigen: „Wir interpretieren das so, dass sich immer mehr Frauen trauen, Anzeige zu erstatten“, betont Peter. Das Hilfsangebot in Köln insgesamt bezeichnet sie als „sehr professionell“. In einem Bereich gibt es allerdings Ergänzungsbedarf: Bundesweit suchen jährlich rund 45.000 Frauen in Frauenhäusern Schutz vor Gewalt. In Köln mit zwei Frauenhäusern reicht das Angebot nicht aus. „Wir unterstützen den Verein „Frauen helfen Frauen e.V.“ mit einer Unterschriftenliste, um ein drittes Frauenhaus für Köln einzurichten“, so von Hagen.
Diese Unterschriftenliste war, neben der Verteilung von Informationsmaterial, ein wichtiger Punkt beim abschließenden Informationsstand auf der Schildergasse. Symbolisch erhielten Standbesucher Trillerpfeifen, um dem Motto „Wir pfeifen auf Gewalt“ auf das Anliegen aufmerksam zu machen. Regen Zuspruch fand die Unterschriftenliste, auch bei älteren Bürgerinnen und Bürgern. „Wir hörten mehrmals ‚früher wurde das ja unter den Teppich gekehrt'“, berichtet Peter.

Info: Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen
Der 25. November als Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen wurde 1981 von lateinamerikanischen Feministinnen ins Leben gerufen. Sie erinnerten damit an die Schwestern Minerva, Patria und Maria Teresia aus der Dominikanischen Republik. Sie waren politisch gegen den damaligen Diktator Rafael Trujillo aktiv und wurden am 25. November 1960 von seinen Schergen verschleppt, gefoltert, vergewaltigt und ermordet. Seit 1999 ist der 25. November offizieller Gedenk- und Aktionstag der Vereinten Nationen.

Ausstellung:
Eine weitere Ausstellung vertieft das Thema: Am Dienstag, 29. November, wird um 18.30 Uhr im „Studio DuMont“ (Breite Straße 72) die Ausstellung „Keine Angst – Nur Mut“ eröffnet und ist bis zum 9. Dezember zu sehen.

Unterschriften:
Gemeinden, die eine Unterschriftenliste auslegen wollen, um die Einrichtung eines dritten Frauenhauses zu unterstützen, können sich unter www.frauenhaus-koeln.de informieren.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Annette von Czarnowski