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Kölner Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes hielt Stadtpredigt in der Antoniterkirche

„Die Gedanken der Nächstenliebe müssen umgesetzt werden“, forderte Elfi Scho-Antwerpes zu Beginn ihrer Kölner Stadtpredigt in der Antoniterkirche. Die Bürgermeisterin der Stadt Köln war als vierte „Verantwortungstragende der Gesellschaft“ eingeladen, innerhalb der neuen Reihe zum Thema „Was hält Köln/eine Gesellschaft zusammen?“ zu sprechen. Als Mitwirkende des Gottesdienstes konnte Pfarrer Dr. Bertold Höcker auch den Knabenchor „Coro Getsemani“ aus Nicaragua begrüßen, der auf Einladung der Rednerin erschienen war.

„die Liebe ist langmütig, die Liebe freut sich an der Wahrheit“
Bei ihrer Beschäftigung mit der Fragestellung bezog Scho-Antwerpes sich immer wieder auf  Worte des Alten und Neuen Testaments. Sie zitierte das Gebot, das Hohelied der Liebe – „die Liebe ist langmütig, die Liebe freut sich an der Wahrheit, die Liebe hört niemals auf“. Sie wiederholte die zuvor gehörte Lesung aus dem 1. Buch Mose über den Großmut Josephs – „Fürchtet euch nicht!“. Schließlich fragte sie: „Leben wir in einer verlogenen Gesellschaft?“ Der Zusammenhalt einer Gesellschaft, so ihre These, bedinge „Gerechtigkeit und Anerkennung“.

Kinder brauchen Anerkennung und Toleranz
„Die Gesunderhaltung der Seele muss ein wichtiges Ziel unseres Gemeinwesens sein“, forderte die Kommunalpolitikerin. Unseren Kindern müsse daher nicht nur Faktenwissen, sondern auch ethische Werte vermittelt werden. Um ihre Kinder zu stabilisieren, sollten Eltern ihr Augenmerk nicht nur auf Leistung richten, sondern eher deren Stärken herausstellen. Dabei würden sie etwa Anerkennung und Toleranz erfahren, schließlich Konfliktbewältigung lernen. Gute Beispiele seien etwa schulische Initiativen, in denen die Schüler sich als Streitschlichter engagieren, als Fahrzeugbegleiter in Bahn und Bus ausgebildet würden. Die Menschenwürde müsse als Grundwert, Religions- und Meinungsfreiheit und Partizipation als politische, gesellschaftliche Tugenden anerkannt und umgesetzt werden. Diese führten zur Identitätsbildung. So würden Kinder Tugenden kennen-, Andersartigkeit tolerieren lernen.

Wer Nächstenliebe ausübt, übernimmt Verantwortung für das Gemeinwohl
Das Bekenntnis zum demokratischen Staat müsse einher gehen mit Teilnahme und Anteilnahme der Bürger, so Scho-Antwerpes, die auch im Vorstand der Aidshilfe e.V. aktiv ist und der Kölner Kreisgruppe des paritätischen Wohlfahrtsverbandes vorsitzt. „Früher gab es eine Orientierung an Pflicht und Leistung“, behauptete sie. Dagegen sei man heute eher am Genuss orientiert, lebe selbstbezogen. „Die Werte haben sich gewandelt.“ Aber wenn man Nächstenliebe ausübe, übernehme man Verantwortung für das Gemeinwohl. „Wir leben in einem Sozialstaat“, stellte Scho-Antwerpes fest. Soziale Gerechtigkeit sei wesentliche Voraussetzung für einen sozialer Frieden. Das schließe auch ein, dass man mit seiner Arbeit zufrieden sei, dass man überhaupt Arbeit habe. „Du bist mehr als eine Nummer, mehr als ein Kostenfaktor“, erinnerte sie an eine Stellungnahme des DGB, in der der Umgang von Unternehmen mit den Beschäftigen kritisiert wird. „Ist der Mensch nur noch Arbeitskraft und Kaufender, Produzent und Konsument?“, fragte die Sozialdemokratin. Die Freiheit des Einzelnen werde nicht mehr geschützt, sprach sie auch die Gefahren bei einer kompletten Aufgabe des gesetzlichen Ladenschlusses an. Wenn Geschäfte 24 Stunden am Tag öffnen dürften, verursache dies weitreichende Probleme, verwies sie etwa auf die ungleiche Konkurrenzsituation von großen Kaufhäusern und kleinen Familienbetrieben.

„Kommt Liebe demnächst aus der Steckdose?“
„Massenarbeitslosigkeit ist unser größtes Gerechtigkeitsproblem“, wiederholte die Bürgermeisterin bekannte Tatsachen. Ihr müsse man gemeinsam begegnen, forderte sie eine neue Formulierung und Verteilung. Sonst breche die Kommunikation ab. Ebenso müsse man sich weiterhin für die Integration, das Miteinander der Kulturen, den interkulturellen Dialog in dieser Stadt, der so viele Chancen eröffne, einsetzen. Obwohl unzählige Interessenverbände, Vereine, Institutionen usw. soziales Engagement zeigten, dominiere heute das individualistische Prinzip. Ersatzreligionen erführen Zulauf, die Gurus und Fitnesspäpste mit ihren Glücksverheißungen – und ihrer Künstlichkeit. „Kommt Liebe demnächst aus der Steckdose?“, fragte sie sarkastisch. „Die elementaren Regeln des Zusammenlebens funktionieren nicht mehr richtig. Enttabuisierung und Respektlosigkeit beherrschen unseren Alltag immer stärker.“

Beispielhaft: Überlebensstation „Gulliver“ und „Vringstreff“
„Junge und Alte dürfen nicht als Belastung, sondern als Gewinn gesehen werden.“ Die Armen und Alten, die Kranken und Schwachen, diejenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen, dürften nicht isoliert werden bzw. bleiben. Man solle von Toleranz und Mitmenschlichkeit nicht nur sprechen oder, wie im Fööss-Klassiker „Drink doch ene mit“, singen. Man müsse die Barmherzigkeit, von der Jesu spricht, auch im Alltag aufgreifen. Und dem, der alleine ist und fällt, wieder aufhelfen. „Den Menschen, die sich nicht auf der Sonnenseite bewegen können, müssen wir uns zuwenden“, wies sie beispielhaft hin auf die von der evangelischen Kirche in Köln mitgetragenen Einrichtungen für Nichtsesshafte, die Überlebensstation „Gulliver“ in der Trankgasse und den „Vringstreff“ in der Südstadt.

Auch Kirche könnte Sinnstifter sein, Orientierung geben
„Aus städtischer Perspektive würde ich mir wünschen, dass viel mehr Menschen Verantwortung für ihre Mitmenschen übernehmen“, sagte die Bürgermeisterin. Mit jeder Hilfe steige die soziale Temperatur, würden die Glieder der gesellschaftlichen Kette weiter gestärkt. Auch Kirche könnte hier Sinnstifter sein, vielleicht noch mehr Orientierung geben. Schließlich forderte Scho-Antwerpes alle auf, „die am Gesellschaftsprozess beteiligt sind“, der Entsolidarisierung zu begegnen und Verantwortung zu übernehmen.

Die nächste Stadtpredigt innerhalb der Reihe „Was hält eine Gesellschaft/ Köln zusammen?“, die bis zum Evangelischen Kirchentag 2007 in Köln läuft, hält am 18. September 2005, 18 Uhr, Joachim Kardinal Meisner, der Erzbischof von Köln.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich