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Kölner Antoniterkirche wird künftig über ein sechsstimmiges Geläut verfügen

Am 31. Januar 2016 wird wieder „echtes“ Glockengeläut von der evangelischen Antoniterkirche in Köln ertönen. Aktuell hängen im Dachreiter des evangelischen Gotteshauses in der Schildergasse drei Glocken. Doch seit zwei Jahren bleiben sie stumm. Das Läuten zu Gottesdiensten und Andachten kommt als CD-Aufnahme aus der Konserve. Der unbefriedigende Zustand ist der Tatsache geschuldet, dass die Aufhängung im Dachstuhl und die Elektrik der Läute-Anlage instand gesetzt werden müssen. Aus dieser Notwendigkeit heraus reifte in der Gemeinde die Entscheidung, das gesamte Geläut zu überdenken.

Zukünftig sollen sechs neue Glocken die Kirche schmücken. Die beiden für den Dachreiter wurden bereits gegossen. Vier weitere für einen zu errichtenden Glockenstuhl im Westwerk sollen das Geläut bis zum Reformationstag 2017 vervollständigen. Die größte von ihnen wird rund 700 Kilogramm auf die Waage bringen. Die drei vorhandenen, 1956 in der Werkstatt der Gebrüder Rincker in Sinn gefertigten Exemplare müssen weichen. Sie werden an eine evangelische Kirchengemeinde in Köln veräußert.

120.000 Euro für Guss und Einbringung
Herstellung und Installation der zwei neuen Dachreiterglocken kosten insgesamt rund 30.000 Euro. Während diese Summe aus der Glockenrücklage des Bezirks Antoniterkirche finanziert wird, ist dieser bei den vier weiteren auf Spenden angewiesen. Für deren Guss und Einbringung sind 120.000 bis 130.000 Euro veranschlagt. 20.000 Euro liegen bereits auf dem Spendenkonto. Teuer werde die Angelegenheit insbesondere durch die Errichtung des Glockenstuhls und die Aufstellung der Gerüste, so Pfarrer Markus Herzberg.

Erster Klang im 10-Uhr-Gottesdienst
Den Anfang des neuen Geläutes machen also die zwei Glocken im Dachreiter. Sie werden am 31. Januar eingeweiht. Nachdem sie zuvor installiert worden sind, erklingen sie erstmals im 10-Uhr-Gottesdienst. Die größere wiegt bei einem Durchmesser von 620 Millimetern circa 190 Kilogramm. Die kleinere misst 550 Millimeter im Durchmesser und wiegt circa 120 Kilogramm. Beide wurden Mitte Oktober in der Glockengießerei Mark in Brockscheid gegossen. Zu diesem Ereignis hatten sich über 30 interessierte Gemeindeglieder in den Eifelort aufgemacht. Das volle Geläut solle das Leben vor Ort im geplanten „AntoniterQuartier“ und darüber hinaus auf verschiedene Weise auch geistlich neu bestimmen, erläuterte Pfarrer Markus Herzberg das Gesamtprojekt. „Die Glocken werden in der Kölner City zu hören sein. An ihnen kommt man nicht vorbei.“ Um die gewünschte Resonanz zu erhalten, habe man sich für Bronzeglocken entschieden, so Herzberg.

Angelehnt an Originale von 1771
Laut Herzberg sind die Patronate der Dachreiterglocken angelehnt an die Originale von 1771. Sie wurden von Jean-Martin Legros (1714-1789) gegossen. Im Zweiten Weltkrieg trafen bei alliierten Luftangriffen Minen und Bomben auch die Antoniterkirche. Aufgrund der großen Hitze verformten sich die Glocken, die schließlich das Gewölbe durchbrachen und ins Mittelschiff stürzten. Die größere der beiden neuen Glocken mit dem Ton f´´ ist Maria und dem Erzengel Michael gewidmet. Das Exemplar trägt auf der Schulter umlaufend die Inschrift „MARIAE MATRI VIRGINI + MICHAELI ANGELORUM PRINCIPI“ (Maria, der Mutter und Jungfrau + Michael, dem Fürsten der Engel [gewidmet]).

Ins Paradies mögen dich die Engel geleiten
Auf der östlichen Flanke ist ein Relief angebracht, das die Gottesmutter mit Kind in der Gestalt der Stalingrad-Madonna als Zeichen der Hoffnung zeigt. Dieses Relief, wie auch das des Erzengels Michaels auf der Westflanke, sei eigens von einer Grafikerin entwickelt worden, freut sich Herzberg. Unter dem Gottesmutter-Relief ist die Inschrift „ET VERBUM CARO FACTUM EST / ALLELUIA“ (Und das Wort ward Fleisch, Halleluja – Joh 1,14) zu lesen. Unter dem Bild des Erzengels steht „IN PARADISUM DEDUCANT TE ANGELI“ (Ins Paradies mögen dich die Engel geleiten). Die Schulterinschrift der kleineren Dachreiterglocke lautet „ANTONIO ABATI SANCTO DOMUS PROTECTORI“ (Dem heiligen Abt Antonius, Beschützer des Hauses [gewidmet]).

„Jede Glocke ist ein Unikat“
Vor Ort führte Gießerei-Mitarbeiter Horst Letsch zunächst in einem Nebenraum anschaulich-humorvoll in den Herstellungsprozess einer Bronzeglocke ein – von der Idee bis zum fertigen Meisterstück. „Vom ersten bis zum letzten Schritt ist alles Handarbeit“, betonte Letsch. „Jede Glocke ist ein Unikat mit einem speziellen Ton.“ In der rauchgeschwängerten, mit Kohlegeruch erfüllten großen Halle erlebten die Besucherinnen und Besucher aus Köln bald darauf die beeindruckende Praxis. Mit Abordnungen anderer Kirchengemeinden, etwa aus Bayern und Remscheid, versammelten sie sich um den Gussplatz. Um nach Gebeten der anwesenden Pfarrer, dem gemeinsam gesprochenen „Vaterunser“ und gesungenen „Großer Gott, wir loben Dich“ mitzuerleben, wenn die Handwerker nach wochenlanger Vorbereitung zur eigentlichen Tat schreiten.

Komplexes Schauspiel mit viel Lärm
Zahlreiche Arbeitsschritte fügten sich zu einem komplexen Schauspiel: Der Brenner machte reichlich Lärm, Flammen schlugen hoch aus dem Kessel, in dem Bronzebarren, Kupfer und schließlich Zinn für die notwendige Legierung kochten. Mit einer Sonde wurde die Temperatur gemessen. Proben wurden entnommen, und die ziegelsteingemauerten Kanäle im festgestampften Sand mit Schaufeln und Pressluft von den glühenden Briketts befreit. Diese hatten die Rinnen vorgewärmt. Kurz darauf neigte man den Kessel, stach das Gussloch durch – und die circa 1100 Grad Celsius glühende „Glockenspeise“ strömte über eine schräge Rinne in die Kanäle. „Alles hat wunderbar geklappt“, resümierte Annette Scholl, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Gemeinde Köln, drei Wochen später.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich