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Köln hat sich quer gestellt

Großen Beifall erhielt Pfarrer Rolf Domning von der Menge auf dem Heumarkt, als er sich gegen die mögliche Vereinnahmung durch rechte politische Gruppierungen wehrte, die sich gern als Verteidiger des „christlichen Abendlands“ aufspielen: „Es ist unerträglich, wenn auf Kreuze die Farben der Deutschlandfahne gemalt werden, dagegen verwahren wir uns in aller Form“, sagte der Superintendent des Kirchenverbands Köln und Region mit Nachdruck auf der Kundgebung des Bündnisses „Köln stellt sich quer“ anlässlich des Parteitags der AfD im Hotel Maritim auf der anderen Seite der Pipinstraße .

Gemeinsam mit dem Kölner Stadtdechanten Monsignore Robert Kleine und Hannelore Bartscherer, der Vorsitzenden des Katholikenausschusses der Stadt, entrollte Domning auf der Bühne außerdem ein großes Transparent mit dem Schriftzug „Unser Kreuz hat keine Haken“. Unter diesem Motto beteiligte sich die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) an der Demonstration für Weltoffenheit, Toleranz und Solidarität, zu der am Samstag rund 12.000 Menschen auf den Heumarkt gekommen waren.
Rolf Domning, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, und Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschuss in der Stadt Köln, mit dem Banner auf der Bühne
„Wir können doch nicht die Augen verschließen und später sagen, wir hätten nichts gesehen“, begründete Hannelore Bartscherer das Engagement in Anspielung auf die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Stadtsuperintendent Domning betonte aber auch, dass beispielsweise in den Gemeinden aktiv und direkt der rassistischen Hetze entgegengearbeitet wird: „Es macht mich stolz, dass dort die Unterstützung für die Flüchtlinge ungebrochen ist.“
Diese Mischung aus Mahnung und Zuversicht bestimmte die mehr als zweistündige Kundgebung auf dem Heumarkt, wo Vertreter der zu „Köln stellt sich quer“ gehörenden knapp 80 gesellschaftlichen Gruppen – darunter Religionsgemeinschaften, Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Vereine und Unternehmen – bunte Fahnen oder Plakate schwenkten und Flyer verteilten.

Auch die AG „Arsch huh“ von Kölner Künstlern machte mit. Eine All Star-Besetzung aus Mitgliedern der Bläck Fööss und der Höhner, von Brings, Kasalla und Cat Ballou sorgte mit dem Fööss-Song „Unsere Stammbaum“ für Gänsehaut. „Jeder is wat besonderes, keiner is wat besseres“, stellte Kasalla-Frontmann Bastian Campmann klar. Daneben unterhielt die multiethnisch besetzte Band „Buntes Herz“ die Versammelten und die AfDler im Maritim mit einer Mischung aus orientalischen und kölschen Tön.

So freute sich auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker darüber, dass die Stadtgesellschaft mit einem so breiten Spektrum, von links bis wertkonservativ, auf der Veranstaltung vertreten war. Sie warnte aber gleichzeitig davor, die rechte Propaganda auf die leichte Schulter zu nehmen: „Erst gehen die Parolen spazieren, dann die Messer.“ Sie wusste, wovon sie redete, schließlich war die parteilose Politikerin 2015 von einem rechtsradikalen Attentäter niedergestochen worden. Daher beschwor Reker den in Köln herrschenden Geist des Miteinanders: „Ich bin stolz auf diese Stadt: Wir heißen die Menschen willkommen, die bei uns Schutz suchen.“

Auch Gäste von außerhalb wie Hannelore Kraft, SPD-Politikerin und Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, oder Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, wunderten sich, dass die AfD für ihren Parteitag ausgerechnet eine so „weltoffene Stadt“ wie Köln gewählt hatte. Kraft, erkennbar im Wahlkampf-Modus, rief in Richtung Maritim: „Ihr seid nicht willkommen in unserer Gesellschaft, nicht in Nordrhein-Westfalen und nicht in Köln. Ihr habt euch das falsche Bundesland, die falsche Stadt ausgesucht.“

Nachdenkliches trug Pfarrer Franz Meurer bei. Das Miteinander, so der erste „alternative Ehrenbürger“ Kölns, könne nur dann funktionieren, wenn der Wohlstand gerechter verteilt werde, wenn sich niemand als Verlierer fühlen müsse. Mit Blick auf die vielen Arbeitslosen in seiner Gemeinde Höhenberg/Vingst sagte er: „Wenn ich die Leute in unserem Veedel sehe, kann ich es verstehen, dass die Blödsinn wählen.“

Im Anschluss an die Kundgebung zogen auch die Kirchen im Protestzug mit durch die Kölner Innenstadt. Das Banner „Unser Kreuz hat keine Haken“ trugen sie dabei gut sichtbar durch die Stadt und setzten so noch einmal ein Zeichen. Stadtsuperintendent Rolf Domning zog eine vorläufige positive Bilanz der friedlichen Proteste der Kirchen im Rahmen von „Köln stellt sich quer“. In Bezug auf die Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei am Samstagmorgen sagte Domning: „Wir bedauern sehr, dass es zu diesen vereinzelten Vorfällen gekommen ist, die unserem Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit nicht entsprechen. Im Großen und Ganzen werten wir die Aktionen am Samstag und besonders die Veranstaltung von ‚Köln stellt sich quer‘ als Erfolg. Wir sind froh, dass wir mit so vielen Menschen ein deutliches Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung gesetzt haben.“

Text: H.-W. Hermans
Foto(s): APK