„Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland“ – so der Titel der 2006 erschienenen Handreichung des Rats der EKD. Ein grundlegendes Stichwort jeder interreligiösen Debatte: Dialog. Wie dialogfähig aber ist diese Handreichung? Die neue Handreichung der EKD wurde mit großer Kritik aufgenommen, zuletzt deutlich geworden beim Kirchentag 2007 in Köln. Wenig Zustimmung fand das Papier – weder auf muslimischer, noch auf christlicher Seite. So stellt sich die Frage: Wie dialogfähig ist diese Handreichung? Dem ging ein Symposium der rheinischen Kirche in Düsseldorf nach.
„Klarstellung der eigenen Position und Kritik“
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, betonte bei der Eröffnung: „Die Frage der Integration steht heute in großer Ernsthaftigkeit an.“ Dabei seien bei jeder Debatte zwei Ebenen zu unterscheiden: Die Ebene von Gesellschaft und Politik sowie die Ebene theologischer Verständigung. Das absolute Ziel sei aber, in Frieden zusammen zu leben, so Schneider weiter. Für Schneider ist wichtig: „Gespräche müssen gemeinsam geführt werden, damit Zusammenleben gelingen kann.“
Der Vorsitzende der EKD-Komission, Dr. Jürgen Schmude, stellte die Handreichung kurz vor und betonte, dass das neue Papier an guter Nachbarschaft, an Religionsfreiheit für alle und an der positiven Zuwendung zu den Muslimen festhalten wolle. „Die Kirche tritt für die uneingeschränkte Religionsfreiheit auch der Muslime ein“, so Schmude in Düsseldorf. Schmude betonte weiter, dass die Handreichung auch als Appell an die DITIB, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V., zu verstehen sein müsse: „Die, die Einfluss haben, mögen sich ansprechen lassen.“
Für den Juristen und ehemaligen Politiker sind die meisten Kritikpunkte, nicht nur von Seiten der Muslimen, auch aus den christlichen Reihen, nicht haltbar. Den Vorwurf der Pauschalisierung und des fehlenden Respektes wies er ab. Auch die Kritik, dass die Handreichung ohne Muslime geschrieben worden sei, ist für ihn weniger problematisch: Denn das Papier sei eine „Klarstellung der eigenen Position und Kritik“, die neben guter Nachbarschaft und Klarheit stehen solle.
Wer sind eigentlich die Adressaten?
Eine andere Perspektive brachte der Religionswissenschaftler Professor Dr. Ulrich Dehn ein. Er sieht den Text der Handreichung kritisch und spricht unter anderem von einer „naiven Konstruktion der Islamischen Welt“, die den Aussagen der Handreichung zugrunde läge. Vor allem bemängelt er, dass die Adressaten dieses Papiers unklar seien: „Wer ist hier angesprochen – Verbände oder die Gemeinden?“. Für den Religionswissenschaftler und rheinischen Theologen „spricht die EKD hier als staatliches Organ“ – und nicht als Religionsgemeinschaft. Theologische Themen kämen nur gering zur Sprache, bei einigen wäre die Formulierungsweise schwierig.
Auch die Verbindung von Dialog und Mission im EKD-Papier sieht Dehn kritisch. Wurden diese beiden Bereiche 2003 in der jüdisch-christlichen EKD-Schrift noch klar auseinander gehalten, „gehören sie hier auf einmal wieder zusammen – warum?“, fragte der Hamburger Professor deutlich nach. „Der atmosphärische Unterschied zwischen diesen beiden EKD-Schriften könnte größer nicht sein“, so Dehn. Geradezu „fahrlässig“ sei zudem die Behauptung, der islamistische Anteil der muslimischen Bevölkerung läge bei ein bis drei Prozent – der Verfassungsschutz ginge von maximal einem Prozent aus, erläuterte Dehn. Für ihn ist die Handreichung der EKD „eine Provokation – zumeist an die falschen Gesprächspartner“. „Die EKD spricht über, und nicht mit dem Isalm“, schloss Dehn seine Ausführungen in Düsseldorf.
„Die Handreichung ist nicht förderlich“
Eine doppelte Perspektive brachte Hamideh Mohagheghi ein. Die Referentin für interreligiösen Dialog und Vorstandsmitglied des Netzwerkes für muslimische Frauen e.V., HUDA, nahm das Stichwort der guten Nachbarschaft auf: „Solidarität, Achtung und Teilnahme“ sind für sie die entscheidenden Faktoren einer solchen. Die andauernde Rechtfertigungzwang des eigenen religiösen Auslebens würden den Prozeß der Vertrauensbildung belasten, so Mohaghedi weiter. Zudem seien Anerkennung und Respekt nötig, und nicht Toleranz, der oft ein Moment der Herablassung innewohne. Für Mohagheghi besteht eine „Asymmetrie zwischen den Dialogpartnern“. Es sei ein „Dialog des Handelns“ nötig, so die iranische Juristin.
Für Mohagheghi ist klar: „Die Handreichung ist nicht förderlich“. Menschen, die ein bestimmt geprägtes Islambild hätten, würden durch das EKD-Papier bestätigt.
„Unbestreitbar gibt es auch solche Muslime“, erklärte die Referentin weiter. Und „solche Nachbarn möchte ich nicht haben!“ Aber die Handreichung sei nur insofern dialogfähig, als dass „sie für Klarheit gesorgt hat, wie der Islam von EKD und kirchlichen Stellen wahrgenommen wird“, so Mohagheghi. „Sie sorgt nicht für gute Nachbarschaft!“ Die Muslime in Deutschland befänden sich in einer Phase der Selbstfindung – „Neuorientierung ist fraglos notwendig!“. Und ebenso eine reflektierte und aufgeklärte Theologie. „Es kann aber nicht erwartet werden, dass die Muslime diese einfach kopieren“, betonte Mohagheghi. Denn eine gute Nachbarschaft sei aufmerksam, fürsorglich und sensibel – aber niemals aufdringlich.
Köln: Ein Beispiel für das Zusammenleben in der Praxis
Der Text oben, die Zusammenfassung des Düsseldorfer Symposiums auf den Seiten www.ekir.de , endet hier. Wir in Köln aber fragen weiter: Wie sieht das Zusammenleben von Menschen christlichen und muslimischen Glaubens in der Praxis denn aus? Schließlich haben wir mit dem geplanten Moscheeneubau in Ehrenfeld ein ganz konkretes Beispiel mitten in der Stadt. Die Diskussionen reißen nicht ab, Sie können das seit Monaten in der Tagespresse verfolgen.
Der Evangelische Kirchenverband Köln und Region hat dazu schon seit über einem Jahr ganz klar Stellung bezogen – daran hat sich bis heute nichts geändert. Nachzulesen hier.
Foto(s): EKiR