You are currently viewing Kirchen bündeln Kräfte bei der Unterbringung von Flüchtlingen

Kirchen bündeln Kräfte bei der Unterbringung von Flüchtlingen

In Köln leben zurzeit 4.000 Menschen in städtischen Flüchtlingsunterkünften, viele davon in mangelhaften Verhältnissen. Die Evangelische und die Katholische Kirche in Köln fordern in einem gemeinsamen Pressegespräch verstärkte Anstrengungen der Stadtgesellschaft, um Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen.

„Die Art, wie Menschen empfangen werden, die unfreiwillig ihre Heimat verlassen haben, spiegelt die Wertschätzung durch die Gesellschaft“, erklärte Stadtsuperintendent Rolf Domning und verwies dabei auf die Missachtung der Mindeststandards, wie sie derzeit in Massenunterkünften für Flüchtlinge zu beobachten ist. Diese menschenunwürdige Unterbringung von Menschen, die aufgrund von Gewalt aus ihrer Heimat geflohen sind, wollen die beiden Kirchen in Köln nicht länger hinnehmen. Eine „praktizierte Willkommenskultur“ sei notwenig, um gegenseitiges Verständnis zu schaffen. „Ich wünsche, dass diese Menschen zur Ruhe kommen“, so Domning.

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Köln
In den vergangenen Monaten sind über 1.000 Menschen in Kölner Flüchtlingsunterkünften untergekommen, eine weit höhere Anzahl als für das gesamte Jahr 2014 geschätzt. Jetzt sollen bis zu 200 weitere Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten in einem Baumarkt in Porz untergebracht werden. Die Menschen, darunter auch viele Familien, müssten dort in einem Großraum mit Betonboden, ohne natürliche Beleuchtung und akustische Trennung leben. Sanitäre Einrichtungen sind in Containern auf dem Parkplatz vorgesehen. „Diese geplante Notmaßnahme unterschreitet alle Qualitätsstandards und ist den betroffenen Menschen nicht zuzumuten“, sagte Peter Krücker, Zweiter Sprecher des Runden Tisches für Flüchtlingsfragen in Köln.

Leitlinien müssen erfüllt werden
Für die Unterbringung von Flüchtlingen hat der Runde Tisch mit Vertretern der Kirchen, Parteien, Verwaltung und Wohlfahrtsorganisationen Leitlinien erarbeitet, die der Rat der Stadt Köln verabschiedet hat. Vereinbart ist darin beispielsweise, dass höchstens 80 Menschen in einer Unterkunft leben dürfen. Ferner muss die Selbstversorgung möglichst in einer eigenen Wohneinheit gewährleistet sein. An vielen Standorten werden diese Leitlinien und Mindeststandards für eine menschenwürdige Unterbringung missachtet.

Schwierig: schulische Versorgung
Pfarrer Jost Mazuch, Erster Sprecher des Rundes Tisches, wies darauf hin, dass neben der Unterbringung auch die soziale Versorgung der Flüchtlinge äußerst problematisch sei. Dies betrifft vor allem die Frage der Kindergarten- und Schulplätze. Solange die Flüchtlinge nicht offiziell zugewiesen sind, haben sie kein Anrecht auf schulische Versorgung. „Und je länger das Verfahren verzögert wird, desto schwieriger wird die schulische Integration“, sagte er.

Auch positive Ergebnisse erzielt
Stadtsuperintendent Rolf Domning erklärte, dass die Unterbringung als Aufgabe der gesamten Stadtgesellschaft anzusehen sei, die keiner der Partner alleine schultern könne. Die Kirchen engagieren sich in hohem Maße und unterstützen die Verwaltung in dieser schwierigen Situation. „Wir sehen sehr wohl die großen Anstrengungen der Verwaltung“, sagte er mit Blick auf die bereits erzielten positiven Ergebnisse. So konnte ein Auszugsmanagement aufgebaut werden, das Flüchtlingen hilft, in normalen Wohnungen unterzukommen. Die frei werdenden Plätze können dann zügig mit Neuankömmlingen belegt werden. Auch hat die Stadt Köln Unterkünfte in Systembauweise entwickelt. Mit ihren abgeschlossenen Wohneinheiten entsprechen sie den Leitlinien und schaffen kurzfristig neuen Wohnraum. Erreicht wurde bislang auch, dass die Flüchtlingsstandorte durch Sozialarbeiter betreut werden. Sie gewährleisten, dass kompetente Ansprechpartner für die Belange der Menschen in der Notsituation zur Verfügung stehen.
Als positiv wertete Domning darüber hinaus die Willkommensinitiativen der Bevölkerung. Viele Menschen aus den Kirchengemeinden und Vereinen haben in den vergangenen Monaten ihre Hilfe angeboten und Flüchtlinge bei sich zu Hause aufgenommen.

Langfristiges Konzept statt kurzfristiger Lösungen
Trotz der guten Ansätze sei die Situation der Flüchtlingsunterbringung an einen kritischen Punkt geraten, so Stadtdechant Robert Kleine. Die Kirchen fordern deshalb die Erarbeitung eines gemeinsamen und langfristigen Konzepts. Das soll darlegen, wie bleibender Wohnraum geschaffen werden und wie Menschen bereits kurz nach ihrer Ankunft in normale Wohnungen umgesiedelt werden können. Vor allem aber, in welcher Weise sie rasch in das Leben in der Stadt integriert werden. Vordringlich ist die Suche nach Grundstücken für die 25 bis 30 erforderlichen Flüchtlingswohnanlagen in der genannten Systembauweise. Dafür kann die Bebauungsplanung so vorbereitet werden, dass eine zügige Umsetzung möglich wird. Die Kirchen entwickeln zudem Pläne für die Umnutzung vorhandener Immobilien aus ihrem Bestand. Darunter etwa das Klarissinnenkloster in Kalk oder das ehemalige Diakoniegebäude an der Brandenburger Straße.

Jetzt ist ein Masterplan nötig
„Wir brauchen einen Masterplan“, ergänzte Jost Mazuch und richtete ebenfalls einen Appell an die gesamte Stadtgesellschaft, alle Kräfte zu bündeln. Notfalls hieße das, fachkompetente Hilfe von außen anzufordern. „Hier sind politische Anstrengungen vonnöten, man kann die Verwaltung damit nicht alleine lassen“. Derzeit tragen die Kommunen die finanzielle Hauptlast der Flüchtlingsversorgung. Die Landes- und Bundespolitik ist gefordert, die Städte finanziell deutlich stärker dabei zu unterstützen. Mazuch richtete sich mit seinem Appell ebenfalls an Hausbesitzer, Investoren und Privatvermieter, kurzfristig Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Aber auch nach innen, also an die Kirchen selbst. „Alle müssen mithelfen, sonst schaffen wir uns die sozialen Probleme von morgen selbst!“

Abschließend rief Peter Krücker alle Gemeinden, Einrichtungen und Wohnungsgesellschaften auf, weitere Ideen zu entwickeln, um menschenwürdige Wohnungen für Flüchtlinge zu schaffen.

Hier die aktuelle Stellungnahme der beiden Kirchen im Wortlaut.

Text: Anne Siebertz
Foto(s): Anne Siebertz