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Kinderspiel oder Symbol protestantischer Rechtschaffenheit? Der Weihnachtsbaum – eine kleine Kulturgeschichte

Der Siegeszug des Weihnachtsbaums nahm als „Paradiesbaum“ und Träger des Sündensymbols bei den Krippen und  „Paradies“-Spielen in den Kirchen des späten Mittelalters seinen Anfang.  Erstmals außerhalb des kirchlichen Zusammenhangs, eingebettet in die Festbräuche der Zünfte, wird der Weihnachtsbaum im 16. Jahrhundert erwähnt. Von hier aus fand der Christbaum – wie er im süddeutschen Raum genannt wird – zunächst seine Verbreitung an den europäischen Königshöfen und beim Adel. Um 1800 hielt er Einzug in die bürgerlichen Wohnstuben der Oberschicht.  Im Laufe des 19. Jahrhunderts wird der Weihnachtsbaum in allen Kreisen der Bevölkerung zu dem Symbol der Advents- und Weihnachtszeit schlechthin. Dabei ging die Verbreitung regional sehr unterschiedlich vonstatten. In protestantischen Regionen zeigte man sich dem Weihnachtsbaum als Gegensymbol zur zunächst eher katholischen Krippe wesentlich aufgeschlossener als in vorwiegend katholischen Gebieten.


Die Popularisierung des Weihnachtsbaums als Inbegriff der Familienweihnacht wurde entscheidend von den beiden Weltkriegen gefördert. Durch die Aufstellung von Weihnachtsbäumen in den Schützengräben und Lazaretten lernten Soldaten aus allen Teilen Europas den Brauch kennen und trugen ihn nach Hause.  Die heutige Popularität des Weihnachtsbaumes spiegelt sich in seinem Facettenreichtum wider. Ob vergoldeter Christbaumschmuck, zusammenklappbare Plastikimitation oder Tannenbaumduft aus der Spraydose, die Industrie kommt allen Wünschen und Bedürfnissen ihrer Konsumenten nach.
Dieser Text ist sozusagen die Einführung in die Geschichte des Weihnachtsbaums, er stammt aus dem virtuellen Lexikon der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Wesentlicher plastischer geht es wie immer in den Texten des Pressesprechers im katholischen Erzbistum Köln, Dr. Manfred Becker-Huberti, zu (Quelle: religioeses-brauchtum.de)
Für 1605 ist in Straßburg der erste Christbaum belegt, der als Gabenbaum oder Bescherbaum, aber ohne Kerzen, hergerichtet war. In einer Chronik heißt es: „Auf Weihenachten richtett man Dannenbäume zu Strassburg in der Stubben auf, daran henckett man rossen aus vielfarbigem Papier geschnitten, Äpfel, flache kleine Kuchen, Zischgolt, Zucker …“
Diese neue Sitte fand nicht nur Freunde. Johann Konrad Dannhauer, Pastor am Straßburger Münster, polterte in einem ab 1642 erschienenen Werk dagegen: „Unter anderen Lappalien, damit man die alte Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begeht, ist auch der Weihnachts- und Tannenbaum, den man zu Hause aufrichtet, denselben mit Puppen und Zucker behängt und ihn herinach schütteln und abblümeln lässt. Wo die Gewohnheit herkommt, weiß ich nicht. Es ist ein Kinderspiel …“

Dennoch galt der Christbaum sehr bald in evangelischen Familien als weihnachtliches Symbol „rechtgläubiger“ Protestanten. Er wurde zum konfessionellen Gegensymbol der (katholischen) Weihnachtskrippe. Im 18. Jahrhundert, als die Weihnachtsfeiern zunehmend zu Familienfesten wurden, wandert der Christbaum fast konsequenterweise mit in die Wohnungen auch der einfacheren evangelischen Menschen.

Für 1748 ist der erste Weihnachtsbaum in Amerika bei Siedlern in Pennsylvanien belegt. Eingeführt haben ihn die nach Amerika „vermieteten“ hessischen Soldaten. Der mit Lichtern geschmückte Christbaum – die Lichtsymbolik verbindet Ostern und Weihnachten – scheint nicht überall und immer sofort mit dem Christbaum verbunden gewesen zu sein. Der preußische König Friedrich der Große (1740 – 1786) berichtet 1755 von Tannenbäumen, an denen die Eltern „vergoldete Erdäpfel“ (= Kartoffeln) aufhängen, „um den Kindern eine Gestalt von Paradiesäpfeln vorzuspiegeln“.

Einen der ältesten Belege für einen Christbaum mit Lichtern – hier noch ein Buchsbaum – liefert Liselotte von der Pfalz (1652 – 1722) in einem Brief vom 11.12.1708: „Ich weiß nicht, ob ihr ein anderes Spiel habt, das jetzt noch in ganz Deutschland üblich ist; man nennt es Christkindel. Da richtet man Tische wie Altäre her und stattet sie für jedes Kind mit allerlei Dingen aus, wie neue Kleider, Silberzeug, Puppen, Zuckerwerk und alles Mögliche. Auf diese Tische stellt man Buchsbäume und befestigt an jedem Zweig ein Kerzchen; das sieht allerliebst aus und ich möchte es heutzutage noch gern sehen. Ich erinnere mich, wie man mir zu Hannover das Christkindel zum letzten Mal [= 1662] kommen ließ.“
Mit brennenden Kerzen bestückte Christbäume finden sich erst bei protestantischen adligen und wohlhabenden bürgerlichen Familien. Erst im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts tauchen die Lichterbäume zunächst in den Wohnstuben evangelischer Familien und ab dem 19. und 20. Jahrhundert in den Wohnzimmern katholischer Familien auf. In Österreich steht 1816 der erste Weihnachtsbaum, in Frankreich 1840 – nachdem Lieselotte von der Pfalz 1710 vergeblich die Einführung versucht hatte. Durch den deutschen Prinzgemahl Albert der britischen Königin Victoria (1837 – 1901) fand der Weihnachtsbaum auch nach England.
Von der Sitte, am Nachmittag des Heiligabends auf den Gräbern kleine Christbäume mit Kerzen aufzustellen, wird Ende des 19. Jahrhunderts erstmalig berichtet. Der in Bayern, Österreich und im Elsaß verbreitete Brauch nimmt die Toten in die menschliche Schicksals- und Festgemeinschaft mit hinein.

Text: EKD
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