You are currently viewing „Keine Kirche ist durch das Reformationsjubiläum unverändert geblieben“

„Keine Kirche ist durch das Reformationsjubiläum unverändert geblieben“

Es war ein besonderer Diözesantag in Siegburg. Es war ein Tag der Ökumene zum Lutherjahr und Christusjahr 2017, der insgesamt rund hundert Protestanten und Katholiken im Katholisch-Sozialen Institut des Erzbistums Köln auf dem Michaelsberg zusammenführte. Das „Wir“ wurde groß geschrieben. „Wir feiern das Reformationsjubiläum ökumenisch. Wir feiern es international. Wir feiern es geschwisterlich – Männer und Frauen“, begrüßte Gabriele Behr, Vorstandsmitglied des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln.

Aufmerksam und sensibel schaue man dabei auch auf die Wunden, die man sich über die Jahrhunderte gegenseitig zugefügt habe, so die Vorsitzende der „Ad-hoc-Kommission anlässlich des Diözesantages der Ökumene“. Und sie sollte recht behalten mit ihrer Annahme, dass dieser Tag deutlich machen werde, „dass uns mehr verbindet als trennt“.

Jesus Christus und der Christusglaube Martin Luthers
Die gemeinsame Veranstaltung des Diözesanrates und des Evangelischen Kirchenverbanden Köln und Region stand unter dem Thema „Solus Christus – Eckstein und Anstoß". Entsprechend zogen sich als Anknüpfungs- und Bezugspunkte die Person Jesus Christus und der Christusglaube Martin Luthers durch den Tag mit Vortrag und acht Gesprächsgruppen.

„Glaube ist kein Leistungssport“
Zwischen einführenden Worten von Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie in Köln, und gemeinsamem Singen mit dem Kölner Kantor Thomas Frerichs setzte Frère Timothée einen geistlichen Impuls: „Glaube ist kein Leistungssport.“ Damit übersetzte das Mitglied der Gemeinschaft von Taizé eine Grunderkenntnis Martin Luthers. Der Reformator hat den Leistungsgedanken aus dem Glauben eliminiert. „Glaube macht sich für ihn nicht daran fest, was der Mensch tut.“ Nach Luther mache Gott den Menschen zu dem, der er ist.“ Der Mensch müsse also nichts tun, es nur geschehen lassen und auf Gott vertrauen.
Auf die Einheit der Christen und auf die Kirche bezogen forderte Frère Timothée: „Die Kirche ist nicht eins durch das, was sie tut; sondern weil sie in Christus eins ist, soll sie diese Einheit auch darstellen und zum Ausdruck bringen.“ Es müsse sichtbar werden, „was sie in Christus schon sind“.

Glaube ein ganz existenzielles Geschehen
Begeistert aufgenommenen wurde der Vortrag „Jesus Christus. Eckstein und Anstoß“ von Professorin Dr. Cornelia Richter. Die evangelische Theologin lehrt an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn und an der Kölner Uni. Als bedeutenden Beitrag zum Diözesantag empfand auch Martin Bock ihre Worte: „Richter hat die reformatorische Position so erklärt und in die Gegenwart geholt, dass die katholischen Geschwister diese nicht nur haben verstehen, sondern auch mit dem Herzen aufnehmen können.“

Dr. Cornelia Richter während ihres inspirierenden Vortrags:

Glauben ist eine Herzenskraft
Den Glauben als eine Herzenskraft erklärt: „Dr. Richter hat verdeutlicht, dass die Beziehung zu Christus und die Identifikation mit ihm vor allem eine persönliche ist“, so Bock. Damit seien die unterscheidenden Aspekte zwischen den christlichen Konfessionen nicht mehr so wichtig. Verschiedene Akzente des Glaubens seien laut Richter nicht auf Trennungen hin zu interpretieren, sondern beruhten vielmehr auf unterschiedlichen Erfahrungen.

Entschlossenheit und Zuversicht
Vor der abschließenden Vesper in der benachbarten Abteikirche St. Michael moderierte Bock ein anregendes ökumenisches Podiumsgespräch zur Frage „Die Zukunft der Kirche ist ökumenisch – an der Schwelle zu einer neuen Gemeinsamkeit?!“. Darin forderten Pfarrerin Andrea Vogel, Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, und Monsignore Rainer Fischer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Köln, Entschlossenheit und Zuversicht.

Ökumenische Partnerschaftsvereinbarungen
Vogel, die auch dem Ökumeneausschuss im Rheinisch-Bergischen Kreis vorsitzt, berichtete von Beispielen guter Kooperation vor Ort. In ihrem Kirchenkreis habe man jüngst nicht nur den 3. Ökumenischen Kirchentag in Köln-Dellbrück und Köln-Holweide gefeiert, sondern auch die Vereinbarung einer intensiv gelebten Partnerschaft in den beiden Stadtteilen ratifiziert. Zudem erinnerte die Superintendentin an die deutschlandweit erste ökumenische Partnerschaftsvereinbarung zwischen Katholiken und Protestanten im rechtsrheinischen Köln-Neubrück im Jahr 1999. Trotz Personalwechsel auf beiden Seiten und Änderung von Gemeindestrukturen habe diese Vereinbarung Gültigkeit.

„Es stehen Menschen dahinter, die bereit sind, diese Vereinbarung zusammen und weiter zu tragen und einer Linie zu folgen“, erklärte Vogel. Wenn etwas verbindlich festgeschrieben sei, ergänzte Fischer, sei die Erinnerung daran greifbarer, was die Vorväter Gemeinsames beschlossen hätten.

Reformationsjahr bewegt alle
„Ganz bestimmt“ habe das Reformationsjubiläum die Ökumene befördert, meinte der Vorsitzende der ACK. Große Skepsis habe sich verwandelt in ein „mitgehen wollen“. Die katholische Kirche sei auf allen Ebenen einbezogen worden, so Fischer, und erinnerte etwa an das Treffen des Lutherischen Weltbundes mit dem Papst in Lund. Überhaupt: „Keine Kirche ist durch die Feier des Jubiläums unverändert geblieben“, konstatierte der im Kölner Süden tätige Subsidiar. „Es hat mit uns allen etwas gemacht. Wir sind alle angesteckt worden.“ Aber noch wisse man nicht, wohin der Zug fahre.

Gemeinsam auf den Weg machen
„Ich wünsche mir manchmal mehr, als wir haben und möglich ist“, sagte Vogel mit Blick auf die ökumenische Taufe. Auch Fischer kann sich gut vorstellen, das gemeinsame Sakrament der Taufe konfessionsverbindend zu feiern. Dogmatische Gründe für ein Verbot von katholischer Seite sehe er nicht. Dringend müssten sich Kirchenleitungen und Gemeinden gemeinsam auf den Weg machen. „Noch haben wir es nicht geschafft, uns gegenseitig in den Arm zu nehmen und mit unserer jeweiligen Geschichte und Erfahrung zumindest ein Stück gemeinsam zu gehen.“

Sehr positives Fazit
Ein solcher Tag sei wichtig, „damit wir im Gespräch bleiben“, bedankte sich Andrea Vogel in ihrem Schlusswort. „Es gibt hier schon ein echtes Bemühen um Ökumene. Man spürt, wie schnell und selbstverständlich man über Ökumene ins Gespräch kommt.“ Auch Martin Bock bezeichnete den Diözesantag als „sehr gelungen“: „Wir haben gemeinsam gesungen, diskutiert, sind in ganz vielen Aspekten in die Bibel eingedrungen.“

Der Leiter der Melanchthon-Akademie stellte dankbar heraus, dass der „Diözesantag der Ökumene“ zu den wenigen Veranstaltungen im Erzbistum Köln zählt, die das Reformationsjubiläum so zentral und in ökumenischer Trägerschaft aufgegriffen hat.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich