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Jugendliche werden Friedensbotschafter

Militärische Einsätze sind nicht das Mittel der Wahl, denn Konflikte können friedlich gelöst werden. Welche Modelle es dafür gibt, lernten die ersten von der rheinischen Kirche ausgebildeten Peacemaker. Ihr Wissen geben sie an Schüler- und Jugendgruppen weiter. Das soll auch Gegenpol zur Aktivität der Bundeswehr an Schulen sein.

Ob innergesellschaftlich oder international – gewaltsame Konflikte seien derzeit in den Medien verstärkt präsent, sagt Maren Voigt. „Auch angesichts deutscher Kriegseinsätze ist es daher wichtig, sich mit der eigenen Position und den Alternativen zur Gewalt zu beschäftigen“, erklärt die 21-Jährige aus Leverkusen. Nach ihrem freiwilligen Friedensdienst in Togo hat sie daher jetzt an der Ausbildung zum „Peacemaker“, dem englischen Begriff für Friedenstifterin, teilgenommen.

An diesem ersten Lehrgang der Evangelischen Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof in Solingen, der Evangelischen Schülerinnen- und Schülerarbeit sowie der Jugendarbeit der rheinischen Kirche nahmen insgesamt 15 junge Menschen im Alter zwischen Anfang und Ende 20 teil. In Solingen erhielten sie nun ihre Zertifikate aus der Hand der rheinischen Kirchenrätin Pfarrerin Anja Vollendorf.

Minderjährige nicht für militärische Dienste anwerben
An zwei Wochenenden, bei einem mehrtägigen Praxisseminar und einer abschließenden Tagung hatten sich die Absolventinnen und Absolventen unter anderem mit den Analysen der Interessen unterschiedlicher Kriegbeteiligter und der Erprobung gewaltfreier Konfliktbearbeitung beschäftigt. Sie haben außerdem Gespräche mit Geflüchteten und Friedensakteurinnen und -akteuren geführt. Die Teilnehmenden sind unter anderem Studierende der Elektrotechnik, der Pädagogik und des Lehramts, sie sind Freiwilligendienstler und arbeiten in der Sozialpädagogik. In ihre haupt- und ehrenamtliche Arbeit mit jungen Menschen bringen sie nun die Beschäftigung mit gewaltfreien Konfliktlösungen ein.

„Wir wollen damit auch eine Alternative zu den derzeitigen Aktivitäten der Bundeswehr an den Schulen bieten“, sagt Wilfried Drews, der als Pädagoge beim Hackhauser Hof für die Bildung zuständig ist. Denn es sei problematisch, dass Offiziere seit Abschaffung der Wehrpflicht verstärkt bei Schülerinnen und Schülern für eine Laufbahn bei der Bundeswehr werben würden. „Das widerspricht den auch von der Bundesrepublik unterzeichneten UN-Kinderrechtskonventionen, demnach Minderjährige nicht für militärische Einsätze angeworben werden dürfen.“

Jugendliche nicht indoktrinieren
Gemäß dem in den 70er Jahren mit den staatlichen Zentralen für politische Bildung vereinbarten Beutelsbacher Konsens dürften Schülerinnen und Schüler nicht mit Meinungen indoktriniert werden, informiert Drews. „Viel mehr sollen sie sich mit Hilfe des Unterrichts eine eigene Meinung bilden können.“ Im Auftrag der Evangelischen Kirche im Rheinland wurde daher 2012 die Arbeitsgruppe „Friedenserziehung und Gewissensbildung“ beauftragt, Konzepte zu erarbeiten, um Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, sich zu informieren und sich selbst eine Meinung zu bilden. Eine Maßnahme ist unter anderem die 2016 gestartete Ausbildung zu Peacemakern.

„Da ich schon als Jugendliche in der Jugendarbeit aktiv war und von außerschulischen Angeboten profitiert habe, weiß ich, wie wichtig und prägend die Friedenspädagogik sein kann“, meint Friedensstifterin Maren Voigt. Was sind unsere Erfahrungen mit Krieg und Frieden? Und was bedeutet Frieden überhaupt? Den Austausch über diese und andere Fragen fand sie bei der Ausbildung sehr bereichernd: „Dazu gibt es nämlich ganz unterschiedliche Ideen, und ich finde es wichtig, die verschiedenen Perspektiven zu betrachten und ernstzunehmen.“ Spannend fand sie, dass beim Seminar friedensstiftende Methoden erst in Rollenspielen ausprobiert und danach diskutiert worden sind.

Einfache Lösungen gibt es nicht
Man könne eben nicht alles schwarz-weiß sehen, denn es gebe keine einfachen Lösungen wie sie bei militärischen Einsätzen propagiert würden, meint auch Wilfried Drews. Konfliktverläufe zu analysieren, sich die Positionen der beteiligten Parteien genau anzuschauen und gewaltfreie Lösungen zu betrachten, sei daher Inhalt der Ausbildung zum Peacemaker. Zu friedenspädagogischen Seminaren werden darum außerdem Vertreterinnen und Vertreter von Grünhelmen und Amnesty International ebenso eingeladen wie ein Friedensbeobachter des Ökumenischen Rats der Kirchen in Israel und Menschen, die vor der Gewalt in Syrien geflüchtet sind.

Ob militärisch oder durch Rüstungsexporte: Deutschland sei direkt und indirekt an den Konflikten in der Welt beteiligt, meint Pädagoge Drews. Um mit Jugendlichen auch dieses Thema zu bearbeiten, brauchten Mitarbeitende in der Jugendarbeit fachliche Informationen und qualifizierte Kompetenzen. Ein neuer Lehrgang für Peacemaker ist daher für das Jahr 2018 geplant.

Text: ekir.de/Sabine Eisenhauer
Foto(s): Hackhauser Hof