Mustafa Aldakark flüchtet vor dem Faschismus in seiner arabischen Heimat nach Deutschland. Dort sucht er nach seinem Andreas. Der war Gast in dem Hotel, in dem Mustafa gekellnert hat und die beiden haben sich angefreundet. In Köln aber zeigt der äußerlich so smarte Andreas ein ganz anderes Gesicht: Fasziniert von den Parolen der Partei „Für Deutschland“ klopft er rassistische Stammtischsprüche und wird schließlich zum ausländerfeindlichen Attentäter. „Untermenschen 2“ heißt dieses Theaterstück, was das „Kölner Künstler Theater“ in Köln-Ehrenfeld seit zwei Jahrzehnten – immer wieder aktualisiert – auf die Bühne bringt. Das Stück entlarvt den neuen Rechtsradikalismus mit seinen bürgerlichen Methoden und jugendlichen Codes. Das Publikum wird hin und her gerissen zwischen Sympathie und Ablehnung gegenüber dem rechten Antihelden auf der einen und Mitgefühl und Bewunderung für den jungen Asylsuchenden auf der anderen Seite.
„Das Stück hat mich sehr angesprochen“, sagt Maranda Schalle, die sich selbst als Zigeunerin bezeichnet. „Theater erweitert den Horizont“, ist sie überzeugt. Maranda Schalle gehört zu rund 70 Jugendlichen und Erwachsenen aus Köln-Buchheim, für die das Kölner Künstler-Theater Ende September eine eigene Vorstellung organisiert hat. Die Aufführung ist eine von insgesamt drei, zu denen Menschen aus Köln-Buchheim eingeladen sind, die sonst eher nicht ins Theater gehen oder sogar noch nie in einem Theater waren – aus finanzieller Not oder weil ihnen Theaterbesuche einfach fremd sind.
Zuschauer bleiben nicht außen vor
„Wir wollten Jugendlichen und ihren Familien ein besonderes Theatererlebnis eröffnen“, erläutert Marcus Cremer, Mitglied des Rotary Club „Köln am Rhein“. Er hatte die Idee, vor allem jüngeren Menschen die Scheu vor dem Theaterbesuch zu nehmen. Mit 3.000 Euro sponsern die Rotarier das Pilotprojekt. Hinzu kommen sozialräumliche Mittel, so dass die Besucherinnen und Besucher weder Anfahrt noch Eintritt zahlen müssen. „Der Zugang zu kleineren Theatern schien uns dabei leichter“, so Cremer, „da sitzen die Zuschauer nah dran an der Bühne und den Schauspielern und sind in das Stück involviert.“ Tatsächlich bleibt das Publikum in „Untermenschen 2“ nicht außen vor: Gleich zu Beginn des Stückes werden sie selbst zu Asylbewerbern und zu Zeugen eines schrecklichen Anschlags. „Da hat keiner mehr mit dem Handy gespielt“, hat Marcus Cremer beobachtet. „Selbst die sonst so zappeligen Jungs saßen ganz still und guckten aufmerksam zu“, ergänzt Maranda Schalle.
Auch in den beiden weiteren beteiligten Theatern – der „Casiopeia-Bühne“ in Köln-Holweide und dem „Theater Der Keller“ in der Südstadt – sitzen die Zuschauer dicht am Geschehen dran. „Es ist eher ungewöhnlich, dass wir drei Theater aufgefordert werden, bei so einem Projekt zusammenzuarbeiten“, sagt Ruth zum Kley, Leiterin des Kölner Künstler-Theaters und Kulturmanagerin. Das Konzept sieht vor, dass drei kleinere Theater in drei verschiedenen Kölner Stadtteilen drei sehr unterschiedliche Stücke aufführen.
Kirchengemeinden und soziale Einrichtungen sind involviert
Um hierfür genügend Besucherinnen und Besucher zu gewinnen, holte Ruth zum Kley das „Jugendhaus Treffer“ in Köln-Buchheim mit ins Boot. „Treffer“-Leiter Lutz Gebhard und sein Team sprachen Jugendliche an und bezogen weitere Institutionen mit ein. Unter dem Motto „Theater-Treffer“ beteiligen sich neben dem Jugendhaus „Treffer“ auch die Sozialpädagogische Familienhilfe und das Interkulturelle Zentrum des Diakonischen Werks Köln und Region, die evangelischen und katholischen Gemeinden in Buchheim und Buchforst, die BuchT, die Buchheimer Selbsthilfe (BuchSe), der Familienladen Buchheim, die Kinder- und Jugendeinrichtung „AREA 51“ und das SeniorenNetzwerk.
„Was ziehe ich da an?“ – Gemeinschaft ist wichtig
„Viele unserer Besucher sind unsicher, wenn es um einen Theaterabend geht“, sagt Lutz Gebhard. „Das fängt schon bei der Frage an: Was ziehe ich da an?“. Auch der Weg in einen anderen unbekannten Stadtteil, raus aus der gewohnten Umgebung, sei für viele eine große Herausforderung. „Darum ist es auch wichtig, dass wir zusammen dahinfahren“, betont Gebhard.
Ausblick
Im Oktober stehen weitere Aufführungen auf dem Programm: „Aymineh. Die Freiheit des Hirtenmädchens“ wird in der „Cassiopeia-Bühne“ aufgeführt, eine märchenhafte Erzählung über ein Mädchen, das frei und unverschleiert im Karstgebirge Anatoliens lebt und sich am Ende mit gesellschaftlichen Konventionen auseinandersetzen muss. „Wer aus mir trinkt, der wird ein Reh“ heißt es zum Abschluss bei einem Stück im Theater „Der Keller“. Das Richard-Wagner-Projekt mit zwei Schauspielern, zwei Sängern und einem Pianisten macht sich auf die Suche nach Wagners eigenwilligem Zugriff auf den altbekannten Stoff von Tristan und Isolde.
Sollte das Pilotprojekt „Theater – Treffer“ ein Erfolg werden, ist eine Fortführung auch in anderen Stadtteilen mit weiteren Jugendzentren und Kooperationspartnern denkbar.
Foto(s): Schönhals