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Jürgen Jäger: „Wenn ich male, bin ich kein Pfarrer“

Seit 2010 hängt das Großformat „Nach der Sintflut“ in der Martin-Luther-Kirche in Hürth-Gleuel. Das realistische Gemälde gehört quasi zur Ausstattung. Sein Urheber ist Jürgen Jäger. Der Künstler ist von Beruf Pfarrer. Er amtiert im zweiten Pfarrbezirk der Evangelischen Kirchengemeinde Hürth. In wenigen Wochen geht er in den Ruhestand.

Im Vorfeld und als Teil seiner Verabschiedung findet eine temporäre Präsentation von neueren Gemälden Jägers in der evangelischen Kirche in Gleuel statt. Sie umfasst stark abstrahierte bis ungegenständliche Bilder. „Nach einem Jahr der figurativen Arbeit an ´Nach der Sintflut´ hatte ich das große Bedürfnis, abstrakt zu malen, sozusagen als Lockerungsübung“, erinnert Jäger seine Motivation.

Deutliche Strukturen und feste Konturen sowie offenere Kompositionen
Sechs der acht Werke hat Jäger 2011 nach einem Urlaub in den Pyrenäen angefertigt. In ihnen verarbeitete er im Gebirge bewusst oder unbewusst gesammelte Eindrücke. So abstrahiert die in Kohle und Ölfarbe ausgeführten Darstellungen auch ausfallen – einige sind durchaus mit Steinformationen in Verbindung zu bringen. Neben deutlichen Strukturen und festen Konturen finden sich freiere, offenere Kompositionen. Zunächst setzte Jäger eine Kohlezeichnung, die er mit Farbe ergänzte und überlagerte. Gleichwohl bleibt das grafische Element stark, zu dem man auch die Spuren verlaufener Farben zählen darf.

Unterschiedliche Temperaturen, wie das Klima in den Pyrenäen
Das Malerische zeigt sich in unterschiedlich gestalteten Flächen: hellere oder dunklere Partien, die eine geringere oder größere Tiefe suggerieren, mal mehr, mal weniger präzise Abgrenzungen, Gliederungen, Überlagerungen, „Verwaschungen“, wenige reine Farben, erdige Farben, zahlreiche Zwischentöne, Mischungen. Überhaupt die Farbgebung: Sie steht auch und insbesondere für unterschiedliche Temperaturen, entsprechend den klimatischen Bedingungen in den Pyrenäen. Daher nennt Jäger seine Präsentation „Temperaturwechsel“.

Pfarrer Jürgen Jäger

Besuch der Akademie der Bildenden Künste in Wien
Früh schon betätigte Jäger sich bildkünstlerisch. 1950 im thüringischen Sondershausen geboren und in Wuppertal aufgewachsen ist, wollte er zunächst Künstler werden. Vor seinem Theologiestudium in Wuppertal und Tübingen besuchte er die Akademie der Bildenden Künste in Wien, zuletzt die Graphik-Klasse von Maximilian Melcher. Auch während seiner Tätigkeit als Pfarrer hat er das Malen und Zeichnen nie aufgegeben. „Wenn ich male, bin ich kein Pfarrer“, betonte Jäger in einem früheren Gespräch. Er male keineswegs, zumindest nicht bewusst, aufgrund seiner Berufung als Pfarrer, noch aus theologischer Perspektive. Andererseits versuche er schon, „beide Welten“ miteinander zu verbinden.

Arbeiten sind in Lack, mit Spachtel und Schüttungen ausgeführt
In den beiden anderen, durch eine Maltechnik Gerhard Richters lose inspirierten Bildern der Ausstellung in Gleuel führt Jäger die Reduzierung der Form weiter. Er spricht von rein abstrakten Farbverläufen. Diese Arbeiten sind in Lack, mit Spachtel und Schüttungen ausgeführt. Ihr Aufbau besteht aus mehreren Schichten. Dabei scheinen unten liegende hindurch. Die blasenartige Oberflächenstruktur ist zurückzuführen auf die Wirkung von Terpentin, das Jäger über die liegende Leinwand geschüttet hat. „Gelenkter Zufall“, kommentiert Jäger die Arbeitsweise bei diesen olivgrün-schwarzen beziehungsweise hellblauen Gemälden.

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Die Ausstellung in der Martin-Luther-Kirche, Am Hofacker 41, kann bis einschließlich 15. Mai nach den Gottesdiensten (sonntags, 10.30 Uhr) oder nach telefonischer Vereinbarung unter 02233/315 64 besucht werden.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich