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Juden, Muslime und Christen in Palästina: Die „Abrahamskinder“ trafen sich erneut zur Friedensdemonstration in Beit Jala. Die Friedenswoche im Tagebuch von Karl Schick

Wussten Sie, dass der 9. Juli in Palästina für ein besonderes Datum steht? Karl Schick, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region im Ruhestand, hat das – wie er in seinem Bericht schreibt – während der Friedenswoche in Beit Jala vom 6. bis 10. Juli 2009 erstmals richtig wahrgenommen. In diesem Zeitraum luden die „Abrahamskinder“ nach Beit Jala, im besetzten palästinensischen Gebiet der Westbank 12 Kilometer westlich von Jerusalem und nahe Bethlehem gelegen, ein: In die von dem evangelischen Pfarrer Jadallah Shihadeh geleitete Abraham’s Herberge. Gerade hier, in Beit Jala, ist diese rund zehn Meter hohe Mauer, die Israel und die Palästinensergebiete der Westbank voneinander trennt, besonders unüberwindbar: mit einigen Rollen Stacheldraht gesichert, von Hightech-Kameras und Bewegungsmeldern überwacht.

Die „Abrahamskinder“
Die christlich-jüdisch-muslimische Initiative „Bewegung der Abrahamskinder“ hat sich am 30. Oktober 2003 mit der Einweihung von „Abraham’s Herberge“ gegründet. Damit ging nicht nur für Pfarrer Shihadeh und dessen Förderer ein lang gehegter Traum in Erfüllung, sondern für eine Vielzahl von Menschen im Nahen Osten, in Europa und Deutschland, die durch ihr Engagement über viele Jahre hinweg das Geld aufbrachten, um diesem Traum von Frieden im Nahen Osten wenigstens ein Stückchen näher zu kommen. Shihadeh hat in Deutschland Theologie studiert, sein Motto war immer: „Das Glück des einen Volkes hängt vom Glück des anderen ab“. MIt Abraham’s Herberge will er nicht mehr und nicht weniger, als eine friedliche Koexistenz zwischen Christen, Muslimen und Juden schaffen und sichern. Seine Arbeit ist auch von der Vision des Propheten Micha inspiriert, der vor etwa 3.000 Jahren dazu aufgerufen hat, Schwerter in Pflugscharen umzuwandeln (Micha 4, 1-5).
Abraham’s Herberge ist mit Jugendbegegnungsstätte und Gästehaus ein Haus der Evangelisch-Lutherischen Reformationsgemeinde Beit Jala. Diese kleine, aber sehr aktive christliche Gemeinde gehört zusammen mit fünf anderen, in Bethlehem, Beit Sahour, Jerusalem, Ramallah und Amman gelegenen Gemeinden zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und Palästina (ELCJ). Für Shihadeh steht, unterstützt von seiner Frau Hannelore, neben der theologischen Arbeit die Begegnung mit jungen Familien, Jugendlichen und Kindern der Region und Gästen aus aller Welt im Vordergrund. Abraham’s Herberge wird durch einen breiten, international besetzten Freundeskreis getragen, in dem unter vielen anderen auch Diakonische Werke und evangelische Gemeinden aus Deutschland aktiv sind.

Abraham’s Herberge besteht aus Jugendbegegnungsstätte, Gästehaus und Kirche. Foto: http://www.abrahams-herberge.com/

Aus dem Bericht von Karl Schick: Hintergrund der Lage
Die Mauer
zwischen Israel und den Palästinensergebieten der Westbank ist noch unvollendet – und umfasst doch jetzt schon das 3- bis 4fache der Berliner Mauer, im Schnitt mit acht bis neun Metern Höhe doppelt so hoch wie die einstige deutsch-deutsche Grenze. Der israelische Masterplan sieht vor, ganz Palästina in getrennte Parzellen zu unterteilen – und auch diese weiter zuzumauern. Die bisherige Mauer wurde fast ausschließlich auf palästinensischem Gebiet errichtet: Tausende Hektar Land wurden annektiert, mehrere tausend palästinensische Häuser zerstört, unzählige Olivenbäume – die Existenzgrundlage vieler palästinensischer Großfamilien – abgehackt und entwurzelt. Während unseres Aufenthaltes erreichte uns die Nachricht, dass bewaffnete Siedler in palästinensisches Gebiet eingedrungen seien und 200 Olivenbäume vernichtet hätten, während israelisches Militär und Polizei tatenlos zugesehen haben sollen.

Ursprung jüdischer Siedlungen in palästinensischem Gebiet waren fast immer militärische Außenposten, die nach Verlassen des Militärs von – teilweise militanten – jüdischen Siedlern ausgebaut wurden. Diese Siedlungen waren in aller Regel strategisch gute Standorte, meist auf den Höhen gelegen. Jetzt aber sehen sie für den Betrachter oft bedrohlich aus: Wie die Arme von überdimensionalen Kraken fressen sie sich in palästinensisches Gebiet hinein. Heute gibt es in der Westbank 199 israelische Siedlungen mit rund 580.000 Bewohnern/innen.

Verschiedene Zonen innerhalb Palästinas sorgen dafür, dass ein möglicher Palästinenserstaat kaum lebensfähig sein wird. Der Vertrag zwischen Israel und Palästina in Oslo 1995 hat die Westbank – das bedeutet, die verbliebenen 22 Prozent des ursprünglich paläsinensischen Gebiets – in drei Zonen aufgeteilt: Die A-Zone – also 18 Prozent des verbliebenen Landes – steht unter alleiniger palästinensischer Verwaltung. Die B-Zone umfasst 19 Prozent und steht unter palästinensischer Verwaltung, allerdings mit israelischer Kontrolle. Die C-Zone schließlich beinhaltet 60 Prozent des Landes und steht unter der vollständigen Kontrolle Israels. Ein kleines Naturreservat bilden die restlichen 3 Prozent des Landes. Israelis ist es unter Strafe verboten, die A-Zonen der Westbank zu betreten – dennoch trafen wir viele, die sich über diese Bestimmungen hinwegsetzten. Ein Miteinander der beiden Volks.- und Religionsgruppen scheint unmöglich: Nach unseren Informationen werden nicht selten Israelis, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen, verhaftet.

Die Besuchsdelegation in der Friedenswoche 2009
bestand aus gut 100 Menschen, mehrere „Prominente“ waren darunter – Karl Schick geht in seinem Bericht darauf ein. Vorweg hier noch das Zitat eines deutschen „Promis“, der mit dabei war: Cap-Anamour-Gründer Rupert Neudeck schreibt auf der Internet-Seite „der von ihm mitbegründeten Grünhelme“ (nachzulesen hier) ebenfalls von der Friedenswoche – mit deutlichem Augenmerk auf der Demonstration in Beit Jala am 9. Juli – über die Besuchsdelegation 2009 unter anderem folgendes: „Auf deutscher Seite auch ganz neue Gesichter, die dem Kampf um Gerechtigkeit und dem zweiten Staat der Palästinenser einen ganz neuen Schub geben können.“

Neudeck bittet Bundesregierung um Unterstützung für Palästina
Direkt im Anschluss an die Friedensdemo verfasste der in allen Fragen von Frieden und Gerechtigkeit auf dieser Welt unermüdliche Neudeck einen Aufruf an deutsche Bundesregierung, in der er feststellt, dass „die Erwartungen des palästinensischen Volkes gegenüber der Polititk der Bundesregierung unerfüllt geblieben“ seien. Denn: „Wortreiche Zustimmung zu einer Zweistaatenlösung bleiben unglaubwürdig, solange die Bundesregierung nicht den Mut aufbringt, der fortwährenden Annektion landwirtschaftlicher Nutzflächen zur Erweiterung israelischer Siedlungen konkret entgegen zu treten.“ Neudeck fordert „Taten statt Deklamationen“, so die Überschrift seines Aufrufs, der so endet: „Das unanfechtbare Existenzrecht Israels darf nicht länger mit politischen Blanko-Schecks zu Lasten eines zusammenhängenden, wirtschafts- und lebensfähigen Staatsgebiets für Palästina gesichert werden!“

Was während der Friedenswoche geschah: Tagebuch von Karl Schick

Dienstag, 07.07.09
Geplant war ein Besuch des palästinensischen Dorfes Hussan in der Nähe von Beit Jala. Vor dem Ort ist eine jüdische Siedlung entstanden, die einen großen Teil des Landes von Hussan annektiert hat. Als Symbol einer friedlichen Koexistenz von Israel und Palästina sollten von uns auf dem annektierten Land drei Olivenbäume gepflanzt werden. Dies wurde durch ein relativ starkes Aufgebot von Polizei und Militär verhindert: Wir, etwa 120 Personen, durften das Gelände nicht betreten. So pflanzten wir die Bäume kurzerhand in nicht annektiertem Boden, unter dem Gesang von „We shall overcome“. Auf dem Rückweg wollten wir ein weiteres Dorf, Beit Ommar, besuchen, wurden aber durch die israelische Polizei mittels Straßensperrung daran gehindert – das Dorf gehört zur B- Zone. Also fuhren wir nach Beit Jala (A-Zone) zurück. Und erfuhren, dass Beit Jala für uns derart abgeriegelt wurde, dass wir uns nur noch in der A-Zone bewegen konnten. Übrigens: in der Westbank gibt es derzeit 668 Checkpoints und Barrieren; täglich können mobile Barrieren hinzu kommen.

Das erste Flüchtlingslager
Der Besuch des Dorfes Artas in der A-Zone war möglich. Der sehr freundliche Empfang durch den Bürgermeister wurde von zwei palästinensischen Fernsehteams begleitet, die mich um ein Interview baten. Am Mahnmal für die Opfer von Gewalt legten wir Kränze nieder, und ein fröhlicher (!) Tanz auf der Dorfstraße beendete diesen Besuch.
Zum Mittagessen besuchten wir „Abraham’s Zelt“: in diesem palästinensischen Flüchtlingslager in Bethlehem werden täglich 200 bis 300 Kinder mit einer warmen Mahlzeit versorgt – ein Projekt der evangelischen Gemeinde von Beit Jala, das auch vom Förderverein Abraham’s Herberge unterstützt wird.

Christen UND Muslime sind im „Heiligen Land“ Palästinenser
Anschließend gab es in einem von den UN unterstützen Informationszentrum ein Treffen mit dem Bürgermeister von Beit Ommar, dem Ort, dessen Besuch uns am Vormittag durch die Polizei verwehrt wurde. Er sagte unter anderem: „Wir danken Euch, dass Ihr gekommen seid als christliche Geschwister, um uns zu besuchen und unsere Sache zu unterstützen. Uns Christen und Muslime im Heiligen Land kann niemand trennen, denn wir sind in erster Linie alle Palästinenser […] Ich war sechs Jahre im Gefängnis, und Elias Charcour (der melkitische Bischof in Israel) hat sich in dieser Zeit um meine Kinder gekümmert. Wir wollen gemeinsam den Weg der Versöhnung und des Friedens gehen. Wir Palästinenser wollen nicht die Israelis oder den Staat Israel eliminieren, aber deren Gewalt. Auch Israel hat ein Existenzrecht.“ Alle Reden, die wir seitens der Palästinenser hörten, gingen in diese Richtung.

„Baut Brücken, keine Barrieren“
Einen ersten Höhepunkt bedeutete die kleine Demonstration im Wadi Ahmad. Dort ist die Mauer noch nicht gebaut; die Trennanlage besteht aus Stacheldraht, massiven Barrieren und stark gesicherten Gittertoren. Etwa 150 Personen allen Alters, Palästinenser oder „Ausländer“ wie wir, versammelten sich diesseits des Stacheldrahtes. Jede/r Christ/in trug drei Kerzen als Symbol für das Licht der Welt, während jede/r Muslim/in drei Brotfladen als Symbol für das Leben erhielt. Wir erwarteten in diesem Wadi friedensbewegte Israelis, die den steilen, unwegsamen Abhang hinab klettern mussten und jeweils drei rote Rosen in den Händen halten sollten, als Symbol für den guten Geruch der Thora und der Propheten. Als erste kamen bewaffnete israelische Soldaten den Hang herunter… Dann aber kamen die Erwarteten, etwa 50 bis 60 Personen. Wir reichten einander durch das Gittertor die Hände und tauschten unter dem Gesang von beispielsweise „Hevenu shalom aleichem“ Brot, Kerzen und Blumen aus – eine sehr bewegende, auch emotional geprägte Situation. Plötzlich tauchten auf unserer Seite jüdische Demonstranten auf, unter ihnen auch der bekannte Friedensaktionist und Träger des Kölner Lew-Kopelew-Preises Uri Avneri. Außerdem eine Trommelgruppe, eigens aus Tel Aviv mit dem Bus angereist. Die Demonstrierenden trugen Plakate mit Aufschriften wie „Die Apartheid-Mauer muss weg“ – „Böse Mauern schaffen böse Nachbarn“ – „Baut Brücken, keine Barrieren“. Es war eine unglaublich bewegende Begegnung. Übrigens hat das ZDF gefilmt.
O-Ton einer Teilnehmerin aus Ostdeutschland: „Das kommt mir vor wie ein déja vu: Die Machthaber mit ihren MGs sind total verunsichert und wissen nicht, was sie tun sollen, wenn wir mit Kerzen und Blumen kommen.“ Und in der Tat: Die Soldaten verzogen sich, ohne in irgendeiner Weise eingegriffen zu haben.
Den Tagesabschluss bildete ein Fußballspiel zwischen Mannschaften von Beit Jala und Jena, angeführt von den Bürgermeistern dieser Städte.

Mittwoch, 08.07.09
Der Arbeitstag begann mit dem Besuch der Geburtskirche in Bethlehem, durch die uns ein palästinensischer Polizeioffizier führte und Erklärungen zur Kirche und ihrer Geschichte abgab. Für die meisten von uns gab es dabei eine Neuigkeit: In der Geburtsgrotte liegt, gegenüber der nach christlicher Tradition geglaubten Geburtsstelle des Gottessohns, ein Stein, der nach muslimischer Tradition Jesu‘ Geburt lokalisiert; denn Jesus ist für die Muslime ein bedeutender Prophet.
Danach empfing uns der Bürgermeister von Bethlehem, der wie all seine palästinensischen Kollegen zu den Abrahamskindern gehört, und unser Kommen zur Friedenswoche sehr begrüßte. Er überreichte mir eine Plakette von Bethlehem, die ich dem Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma überreichen möge, da Bethlehem und Köln eine langjährige Städtepartnerschaft pflegen.

Das zweite Flüchtlingslager: Einmal Flüchtling, immer Flüchtling. Und das im „eigenen“ Land….
Sehr eindrucksvoll war der Besuch des Flüchtlingslagers Aida, das 1948 gegründet wurde und bis heute unter der Obhut der UN steht. Es liegt direkt an der Mauer, die von Flüchtlingen bemalt und beschriftet worden ist: Namen der Herkunftsorte und Worte der Hoffnung auf Rückkehr sowie eine überdimensionale Darstellung des Flüchtlingsausweises sind auf der Mauer zu sehen. Den Eingang zum Flüchtlingslager bildet ein Tor mit einem riesigen Schlüssel, „dem größten Schlüssel der Welt“. Er steht für die Tatsache, dass viele Flüchtlinge damals beim Verlassen ihrer Häuser den Schlüssel mitnahmen, in der Hoffnung, wieder zurückzukehren. Jeder Schlüssel wird in jeder Familie an die nächste Generation weiter gegeben. Ursprünglich wohnten in Aida 500 Menschen, heute sind es bereits 5.000. Sie können, wenn sie eine Existenzgrundlage haben, das Lager verlassen, allerdings nur in die A-Zone. Das geschieht jedoch sehr selten, weil ihr Einkommen durch Lohnarbeit nicht ausreicht, um Land zu kaufen und ein Haus zu bauen, Mietwohnungen sind unüblich – wenn es sie überhaupt gibt. Und in der A-Zone gibt es kaum erwerbbares Land. Wer im Lager bleibt, behält seinen Status als Flüchtling – auch in allen nachfolgenden Generationen. Papst Benedikt XVI. hat im Mai 2009 das Lager Aida besucht. Dafür hatte man, direkt an der Mauer begonnen, ein Empfangspodest zu bauen. Reaktion der Israelis: wenn der Bau nicht gestoppt wird, verweigern wir dem Papst die Einreise! Also wurde das Podest an anderer Stelle errichtet. Obwohl Bethlehem zur A-Zone gehört!

Im gemeinsamen Gebet funktioniert die Ökumene
Am frühen Abend wurde zu einem gemeinsamen Gebetsgottesdienst in die Reformationskirche von Beit Jala eingeladen. Ein koptischer Priester übernahm die Evangeliumslesung, der Immam von Beit Jala sprach ein Gebet; eine Rabbinerin hielt die Predigt über Micha 4,1-5; ich bat darum – auch in Erinnerung an den ersten Friedensmarsch im Oktober 2003 -, das Gebet „Verleih uns Frieden gnädiglich“ zu singen; ein christlicher Pfarrer sprach ebenso ein Gebet, wie der griechisch-orthodoxe Priester; der Oberbürgermeister von Jena leitete in das Vaterunser ein, und ich wurde gebeten, den Segen zu sprechen. Gemeinsame Lieder und der Gesang des Chors der evangelischen Gemeinde rundeten den kleinen Gottesdienst ab.

Deutliche Worte des Großmuftis von Hebron: Gegen religiöse Diskriminierung und Gewaltanwendung, egal, von welcher Seite
Zum Abend hatte der Großmufti von Hebron, Taisir el Tamimi, in die Universität Hebron eingeladen. Der Großmufti ist als höchster muslimischer Geistlicher für die gesamte Westbank zuständig. Er hat eine hervorragende Ausbildung, besonders in Theologie und Philosophie an der Universität Kairo gehabt und ist nun als oberster Repräsentant zuständig unter anderem für Lehramtsfragen und Schlichtung von theologischen Streitigkeiten. Er hat sich in der Vergangenheit mehrfach in aller Öffentlichkeit gegen die Diskriminierung von Christen engagiert. Man kann sagen: Es besteht ein gutes, (fast) freundschaftliches Miteinander, zumindest der Religionsrepräsentanten in der Westbank, in weiten Teilen auch an der Basis.
In seiner Rede zeigte der Großmufti die eklatanten Rechtsbrüche durch Israel auf, ohne jedes Anzeichen einer Hasspredigt. Er teile aus ganzem Herzen die Hoffnung auf Frieden, da gerade das Heilige Land der Ursprungsort der Friedensbotschaft für alle Welt sei; das spiele für alle drei monotheistischen Religionen eine zentrale Rolle, sagte er. Der Großmufti verurteilte außerdem ausdrücklich auch jene Gewalt, die durch Muslime ausgeübt werde; sie sei keineswegs koran-konform!

Donnerstag, 09.07.09
Heute ist es exakt fünf Jahre her, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag den derzeitigen Mauerverlauf innerhalb der besetzten Gebiete Palästinas als illegal scharf verurteilt hatte. Deshalb wurden für diesen Tag die Friedensdemonstration und -kundgebung angesetzt.

Deutsche Städtepartnerschaft mit Beit Jala: Jena – leider nicht mit Bergisch Gladbach
Zuvor empfing der Bürgermeister von Beit Jala unsere Gruppe. Anwesend war auch der Bürgermeister von Aubervillier (nahe Paris), der Partnerstadt von Beit Jala und Jena. Deshalb ist der Oberbürgermeister von Jena, Pfarrer Dr. Albrecht Schroeter, daran interessiert, auch mit Beit Jala eine Städtepartnerschaft zu gründen. Ein erster Schritt mit Unterzeichnung eines trilateralen Kooperationsvertrages wurde an diesem Morgen vollzogen. Das bedeutete für die Bergisch Gladbacher Bewegung „Bürger für Beit Jala“ eine herbe Enttäuschung, da sie seit fünf Jahren versucht, eine Städtepartnerschaft zwischen Bergisch Gladbach und Beit Jala zu etablieren; aber die politischen Verhältnisse in der bergischen Stadt verursachten einen Stillstand der Bemühungen. Der Vorteil von Jena scheint darin zu liegen, dass dort „der Wille zur Partnerschaft „von oben“ kommt, während die Bergisch Gladbacher Bürgerinnen und Bürger „von unten“ agieren.

Konkrete Auswirkungen der derzeitigen Israelischen Siedlungspolitik
Bei einem Bummel durch die Altstadt trafen wir auf einen alten Mann, der erzählte, dass seine Familie bis vor zehn Jahren in der Nähe von Jericho Bananen anbauen konnte, weil es in der Nähe zwei ergiebige Wasserquellen gab. Doch durch den Bau einer israelischen Siedlung wurde der Plantage das Wasser abgegraben, so dass dieser Erwerbszweig unmöglich wurde.
In einem weiteren Bericht mussten wir hören, auch in Jerusalem werde in den jüdischen Vierteln ein Abwassersystem gebaut, während die palästinensischen Viertel bewusst übergangen würden.

Die Demonstration: Forderung nach Umsetzung der Resolution des Internationalen Gerichtshofs Den Haag von 2004
Am Nachmittag startete der Höhepunkt der Friedenswoche: Rund 1.200 Menschen zogen durch Beit Jala, an ihrer Spitze der evangelisch-lutherische Bischof Munieb Younan, Arm in Arm mit dem Großmufti, die Bürgermeister von Beit Jala, Jena und Aubervillier, sowie eine Reihe von evangelischen Pfarrern, Muftis, einem Rabbiner, einem Vertreter der Orthodoxie und vielen anderen, begleitet von verschiedenen Musikgruppen und auffallend vielen jungen Menschen; ein Großteil von ihnen trug T-Shirts mit dem Symbol der Friedenswoche auf der Vorderseite und dem großen Schlüssel auf der Rückseite. Die Kundgebung fand im Stadion der orthodoxen Kirche statt.
Tenor aller Ansprachen war im wesentlichen: die Forderung nach Umsetzung der Resolution 194 des Internationalen Gerichtshofes Den Haag vom 09.07.2004:
Frieden für Palästina bedeutet:
– Abriss der Mauer
– Aufgabe der Siedlungen
– Ende der Besatzung
– Gründung eines Palästinenserstaates
– Jerusalem als Hauptstadt für Palästina und Israel
– Befreiung der Gefangenen
– Rückkehrmöglichkeit für die Flüchtlinge
– Finanzielle Entschädigung der Opfer
„Wir Palästinenser sind ein Volk des Friedens und nicht des Terrorismus!“

Eine Chance auf Frieden, oder, wie der Bürgermeister von Beit Ommar sagte: „Christen und Muslime im Heiligen Land kann niemand trennen, denn wir sind in erster Linie Palästinenser“. Foto mit freundlicher Genehmigung von www.gruenhelme.de


Neue Erfahrung: Eine wirklich friedliche Demo, ohne jeden Zwischenfall
Ein symbolischer Akt erregte während der Demonstration Aufmerksamkeit: Auf der Bühne war aus Stryopur eine symbolische Mauer errichtet worden. Während der engagierten Reden wurden die Forderungen der Resolution 194 aufgesprüht – und dann wurde, allen voran von Großmufti und Bischof, diese Mauer unter Jubel und Beifall eingerissen.
Nach zweieinhalb Stunden ging die friedliche Kundgebung zu Ende; auch auf dem Marsch durch Beit Jala gab es keine Zwischenfälle. Das war für viele Palästinenserinnen und Palästinenser eine ganz neue Erfahrung, und ein Zeichen dafür, dass mit friedlichen Mitteln Menschen bewegt werden können.

Anmerkung: Die zahlenmäßigen Informationen stammen vom Applied Research Institute Jerusalem (ARIJ). Die inhaltlichen Angaben zum Teil auch vom ARIJ, vor allem aber aus den Redebeiträgen, die überwiegend in arabisch gehalten und dann ins Deutsche übersetzt wurden.

Text: Schick/AL/u.a.
Foto(s): Mit freundlicher Genehmigung von www.gruenhelme.de - Danke!