Über den „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ spricht Anja Vollendorf, Kirchenrätin der Evangelischen Kirche im Rheinland, zum Jubiläum „70 Jahre Ökumenischer Rat der Kirchen“. Gefeiert wird der Jahrestag mit einem Ökumenischen Abendgebet am Sonntag, 26. August, 18 Uhr, in der Antoniterkirche, Schildergasse 57, musikalisch begleitet von der Flötistin Doris Mäsgen und dem Organisten Roland Westphal. Die Liturgie leitet Diakonin Anne Geburtig. Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) wurde 1947 im Bemühen um die Einheit der Christenheit gegründet. Er ist eine Gemeinschaft mit 350 Mitgliedskirchen, zu denen mehr als eine halbe Milliarde Christinnen und Christen gehören.
Dr. Martin Bock, Leiter der Kölner Melanchthon-Akademie und Beauftragter für die Ökumene des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, antwortet auf drei Fragen zum Jubiläum und lädt alle zum Ökumenischen Abendgebet ein:
Am 23. August 1948 wurde der Ökumenische Rat der Kirchen in Amsterdam gegründet. Was hat sich seitdem in der Kirchenwelt verändert? Oder anders gefragt: Weshalb war die Gründung nötig?
Dr. Martin Bock: Die Gründung des ÖRK, die ja schon eine 50-jährige Vorgeschichte hat, war nach zwei verheerenden Weltkriegen im 20. Jahrhundert mehr als überfällig und auch mit dem dramatischen Schuldbekenntnis der weltweiten Christenheit verbunden, dass von ihrer Seite aus so erschreckend wenig gegen alle Verbrechen der Kriege getan worden war! Daher steht am Anfang des ÖRK das Bekenntnis: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein!
An diesem Bekenntnis kann man ablesen, dass der christliche „Glaube“ und das Engagement für Gerechtigkeit und Frieden von Anfang in der Ökumene zusammengehören. Dass wir Christen in einer „Gemeinschaft von Kirchen“ zum gemeinsamen Bekennen und Handeln berufen sind, auch wenn unsere Kirchen weiterhin ihren eigenen, in der Geschichte begründeten Weg, gehen wollen. Das macht gerade das Charisma des ÖRK aus – auch wenn dieser seit 1948 natürlich eine Menge an Veränderungen, Einschnitten, auch Enttäuschungen, hinter sich hat. Aber gehört das nicht zu 70 Jahren gelebtem Leben dazu?
Wenn wir in den Kölner Raum schauen. Wie ist es hier um die Ökumene bestellt?
Dr. Martin Bock: Nach dem großen Jubiläum der Reformation im vergangenen Jahrzehnt mit dem Höhepunkt 2017 bin ich eigentlich sehr optimistisch: Die evangelischen Christinnen und Christen hier wissen, was sie evangelisch sein lässt und wissen zugleich, wo wir auf die Gemeinschaft mit anderen, nicht nur der römisch-katholischen, Kirchen angewiesen sind.
Gerade das Durchbuchstabieren des Glaubens, was heute wichtig ist, hängt nicht am konfessionellen Label, sondern daran, neugierige und wache Mitchristen oder Suchende zu finden. Zugleich haben viele Gemeinden ähnliche Herausforderungen: das Kleiner-Werden anzugehen, einen Neuaufbruch des Ehrenamtes zu starten und den Gottesdienst attraktiv zu gestalten. Da helfen uns großen „Volks“- oder besser Mehrheitskirchen die kleinen Kirchen sehr, die schon immer flexibel und anpassungsfähig sein mussten. Bei der Frage „Was macht dein Christsein aus?“ werden wir in Zukunft immer stärker in gemeinsame Haftung genommen!
Natürlich gibt es auch – bei uns oft zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche – Krisen wie den unglücklichen Streit um den Kommunionsempfang im ersten Halbjahr 2018: Aber auch da habe ich erlebt, wie solidarisch die katholischen Geschwister in den Gemeinden sind. Die Einladung zur Beteiligung am Fronleichnamsfest aus vielen Gemeinden an die evangelischen Nachbarn ist nur ein Beispiel dafür!
Warum sollten wir in Köln das Jubiläum des Ökumenischen Rates der Kirchen feiern?
Dr. Martin Bock: In Köln knüpfen wir – das sind die beiden großen Kirchen und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln – zusammen mit vielen Partnern Ende September mit der ökumenischen Friedenstagung „Wir weigern uns, Feinde zu sein!“ an das Gründungsbekenntnis des ÖRK an. Das entschlossene „Nein“ zur Logik der Kriege und der Gewalt, die so präsent ist in unserer Sprache, im alltäglichen Rassismus, in den sozialen Medien, im politischen Geschehen, ist eine große Herausforderung für das Bekenntnis zum dreieinigen Gott! Wie kann uns gerade heute das Bekenntnis zu Gott zur Gewaltfreiheit leiten? Was bedeutet dies für das persönliche und das politische Handeln?
Denn vergessen wir nicht: Wir leben in Zeiten eines nicht enden wollenden Krieges im Nahen Osten, in denen der Ruf nach neuer Aufrüstung immer lauter wird! Diesen komplexen Fragen geht am Freitag und Samstag, 28. und 29. September, eine große Tagung im Domforum und im Haus der Evangelischen Kirche nach, die mit einem stadtweiten ökumenischen Gottesdienst im Kölner Dom eröffnet wird. Wir sind sehr froh, dass Professor Fernando Enns, ein bedeutender Vertreter der Friedenskirchen (Mennoniten), aus Hamburg, dabei die Predigt halten wird. Als besonderer politischer Gast hat MdB Katrin Göring-Eckardt aus Berlin zugesagt. Wir freuen uns sehr über weitere Anmeldungen zur Tagung (Link zum Flyer hier).
Den Erinnerungsreigen an 70 Jahre ÖRK eröffnet schon das ökumenische Abendgebet am 26. August in der Antoniterkirche, zu dem ich herzlich einlade. Und ein weiteres Highlight wird am 8. und 9. September in Bonn stattfinden. Die Evangelische Kirche im Rheinland lädt unter dem Motto „Geht und widersteht!“ zu einem Symposium und zum Gottesdienst mit vielen internationalen ökumenischen Gästen ein. Und dieses Motto bringt hervorragend auf den Punkt, warum die Erinnerung an 70 Jahre ÖRK kein Selbstzweck ist, sondern ein herausfordernder Weg für jeden von uns!

Der Evangelische Kirchenverband Köln und Region hat zum Jahresthema „Suche Frieden“ eine eigene Internetseite mit vielen Impulsen zum Thema, Gedenktagen, Veranstaltungen und Referenten erstellt. Zu finden unter frieden.kirche-koeln.de
Foto(s): Albin Hillert, World Council of Churches / Privat