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Erst zur richtigen Zeit, am rechten Ort und mit dem passenden Regisseur brachte Pfarrer Mathias Bonhoeffer „Jossel Rakovers Wendung zu Gott“ nach 25 Jahren „innerer Vorbereitungszeit“ als gespielten Monolog auf die Bühne. Während des diesjährigen Sommerblut-Festivals trat er an drei Abenden an der Kartäuserkirche auf.

Jossel Rakover auf dem Sommerblut-Festival

Bei SOMMERBLUT, das „Festival der Multipolarkultur“ in Köln, standen in diesem Jahr Glaubensfragen im Fokus. Pfarrer Mathias Bonhoeffer setzte für das Festival an drei Abenden „Jossel Rakovers Wendung zu Gott“ in Szene, ein fiktiver Text eines der letzten Überlebenden im Warschauer Ghetto um Glauben, Rechenschaft und Rache. Der innere Dialog mit Gott wirkt so gut möglich, dass es auch laut Bonhoeffer „absolut passend ist, zu glauben, dass er echt ist“.

Unerschütterlicher Glaube

Aufgeführt wurde das Stück an der Kartäuserkirche. Konzipiert ist es aber so, dass damit im Prinzip überall getourt werden kann. „Es eignet sich beispielsweise hervorragend für den fächerübergreifenden Unterricht“, erklärte Mathias Bonhoeffer. Vor einer sehr reduzierten Kulisse und mit einem Spot auf den kleinen Tisch in dem Raum, in dem die Hauptfigur des Stücks ihre letzten Stunden vor der endgültigen Niederbrennung des gesamten Ghetto-Geländes 1943 verbringt, zog Bonhoeffer die gesamte Aufmerksamkeit auf die beklemmenden Momente, in denen die Wehrmachtsgewalt von draußen näher rückt. Sie bestanden aus Erinnerungen an seine Familie, von denen keiner überlebt hat, aus dem Bekenntnis zu seinem unerschütterlichen Glauben an Gott (was jedoch noch nichts über das Verhältnis zu ihm aussagt) und aus dem Wunsch nach Rache – für alles, was er gesehen hat und was er und andere erlitten haben.

25 Jahre Vorbereitungszeit

Philosoph und Autor Emmanuel Levinas sagte über den Monolog von Zvi Kolitz, er sei „… ein schöner und wahrer Text, so wahr wie alleine die Fiktion es sein kann“. Für Pfarrer Mathias Bonhoeffer hat er ebenfalls eine besondere Bedeutung. „Ich kenne den Text seit 25 Jahren und habe genauso lange gebraucht, um ihn auf die Bühne zu bringen.“ Es brauchte die rechte Zeit und den rechten Ort – und mit Milan Sladek – auch den passenden Regisseur. Die Regieassistenz hatte Golda Bonhoeffer, für Licht- und Tontechnik war Taro Sladek verantwortlich. „Dies ist ein ganz wichtiges Stück“, betonte Bonhoeffer. „Eines das zumindest jeder Theologe einmal gelesen haben sollte.“

Mehr Fragen als Antworten

Jossel Rakover bringt für sich zu Papier und sagt im Monolog mit Gott – wie stellvertretend für Millionen Juden – was er und wie er fühlt, mit dem Holocaust hinter sich und mittendrin und dem eigenen Tod vor Augen. Als Rache sieht er die Gegner brennen und sterben. „Trotzdem wirft der Monolog mehr Fragen auf, als er beantwortet“, meint Pfarrer Bonhoeffer, der den Text seit Jahren in- und auswendig kennt. Abschnitte wechseln so häufig in der Vor- und Rückschau, so dass zwar nicht alle Abläufe unmissverständlich klar werden, deshalb aber nicht weniger eindrucksvoll sind. „Der Text muss deshalb so gut gelernt sein, dass man sicher weiß: der ist abrufbar, er kommt. Da Bonhoeffer das Stück vor 1,5 Jahren schon einmal gespielt hat, musste er ihn in diesem Fall nicht ganz neu, nur wieder er-lernen, erklärte er: „Das habe ich seit Februar getan. Jeden Morgen beim Spaziergang mit den Hunden.“

„Das Paradies ist da, wo kein Zweifel ist“

In der an die Aufführung anschließenden Gesprächsrunde am Donnerstag waren es vor allem seine Unerschütterlichkeit im Glauben und die Ruhe, mit der er seinen Tod erwartete, die bei einigen große Betroffenheit auslösten. „Vielleicht, weil er das Paradies erwartete und damit seine Zweifel enden würden“, mutmaßte Pfarrer Mathias Bonhoeffer zum Ende der Veranstaltung. „Schlafen Sie heute trotzdem gut.“

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SOMMERBLUT, das Kölner „Festival der Multipolarkultur“, versteht sich als inklusives Kulturfestival, das unterschiedliche gesellschaftliche, soziale und politische Standpunkte und Identitäten miteinander verbindet.

Text: Claudia Keller
Foto(s): Claudia Keller