You are currently viewing Johanna Haberer beim Jahresempfang des Verbands: Kommunikation des Evangeliums – und womit man es da zu tun bekommt

Johanna Haberer beim Jahresempfang des Verbands: Kommunikation des Evangeliums – und womit man es da zu tun bekommt

Die evangelische Theologin  und Journalistin Johanna Haberer ist heute Professorin für Christliche Publizistik und Universitätspredigerin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, vorher hat sie unter anderem als Chefredakteurin des Bayerischen Sonntagsblattes und als Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gearbeitet. Viele Menschen kennen sie auch aus der ARD, wo sie regelmäßig „Das Wort zum Sonntag“ spricht.  Zum Beginn des Neuen Kirchenjahres hatte der Evangelische Stadtkirchenverband Köln sie als Referentin zu seinem traditionellen Jahresempfang eingeladen. Um die Kommunikation des Evangeliums ging es an diesem Abend – und Haberer näherte sich diesem komplexen Thema von verschiedenen Seiten her. Den kompletten Vortrag können Sie hier nachlesen. In seinem Grußwort betonte auch Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma die Wichtigkeit von Kommunikation, die Notwendigkeit von ökumenischer Kommunikation in Köln.


Kommunikation des Evangeliums in den 60-er Jahren
Haberer erinnerte zunächst erinnerte an den „unvergessenen Theologen Ernst Lange“, über den Stadtsuperintendent Fey bereits in seinem Grußwort sagte: „Langes theologisches Denken ist immer von der Frage geprägt gewesen, wie sich die Glaubwürdigkeit Gottes in der Welt erweisen kann. Deshalb muss sich seiner Meinung nach die Kirche einlassen auf das Leben und die Wirklichkeit der modernen Welt.“ Für Fey war Lange in den 60-er Jahren ein Vorbild für die Kommunikation des Evangeliums – sehr zeitgemäß und zeitbezogen hatte der Berliner Pfarrer in Spandau in einer ehemaligen Bäckerei die „Ladenkirche am Brunsbütteler Damm“ aufgebaut, „eine Mischung aus einladenden Angeboten, sozialem Engagement und Diskussionsforum“, so Fey.

„Das Produkt ist klasse – die Vermarktung schlecht“
Doch 30 Jahre später hatte sich so einiges verändert. Haberer erinnerte an die „waghalsigen Zeiten, als die Unternehmensberatung McKinsey den Münchner Protestanten Mut machte und versuchte, sie von ihrem eigenen Produkt zu überzeugen“, Haberer brachte deren Analyse klar auf den Punkt: „Das Produkt ist klasse – die Vermarktung schlecht.“ Nebenbei: Vor zwei Jahren war der Journalist Dirk Kubjeweit Festredner des Jahresempfangs im Evangelischen Stadtkirchenverband Köln – unter dem Titel „Herausforderungen an ein Christentum in der ‚McKinsey-Gesellschaft‘ “ hatte er die „Diktatur der Effizienz“ nach dem Muster der Unternehmensberater in allen gesellschaftlichen Bereichen heftig kritisiert – vor allem zu Kirche passe dieser Denkansatz gar nicht.
Auch für Haberer sind das zwei Dinge, die nicht zusammen passen – doch ihre Kritik setzt von innen her an: „Das Evangelium, die gute Botschaft von der Heilung der Welt wird zwar im Gefäß der Kirche gehütet, kann aber dort nicht unter Verschluss gehalten werden – die Botschaft ist immer größer als die Kirche und Christus als Wohnort der Kirche kann evangelischerseits dort auch eher erhofft als festgestellt werden. Kurz, wir trauen der Kirche weniger zu – und haben das Problem, dass wir genau das auch kommunizieren wollen“. Dieser Denkansatz ex negativo ist das „Handicap“, das vor allem uns Protestanten trifft, „vielschichtig, vielstimmig, vielgesichtig“, wie wir uns verstehen. Denn dann wird Kommunikation richtig schwierig: Wer spricht wen an? Wer steht wofür? Was wird überhaupt kommuniziert? Was erwartet? Und: Wie glaubwürdig kann die „Institution Kirche“ vermittelt werden? Viele dieser Fragen sind interner Art. Viele sind diffus. Manche widersprechen sich – im Wunsch und in der Umsetzung. Da ist es kein Wunder, wenn „soziologische Fragestellungen rund um die empirische Institution Kirche und ihre zahlenden Mitglieder die Debatte dominieren. Dadurch verschieben sich die Prioritäten auf Marketing und Strukturfragen“, hat Haberer festgestellt.
Und: „Darin liegt eine kommunikative Gefahr. Die Menschen erwarten von der Kirche Orientierung und Positionen“, so Haberer. Wenn Kirche das nicht bieten kann, wenn sie statt klarer inhaltlicher Positionen, statt geistiger Orientierung von einer Marketingstudie zur anderen geht, von einer kurzfristigen Kampagne zur nächsten wechselt, dann werde Kirche unglaubwürdig, beliebig, verwechselbar, denn „Sie kann nicht Inhalt und Produkt in einem sein“, sagte Haberer und spitzte zu: „Eine Institution, die sich selbst bewirbt, landet im Bewusstsein der Bevölkerung ganz schnell in der Ecke anderer gesellschaftlicher Großlobbyisten: Gewerkschaften, Bundesbahn und andere, die zur Zeit auch keinen guten Leumund haben.“

Beispiele für gelungene kirchliche Kommunikation
Doch nicht alle bisherigen Versuche, das Evangelium zu kommunizieren, sind gescheitert. Haberer führte einige Kampagnen an, die vor allem darum gelungen seien, weil „sie nicht sich selbst zum Thema hatte, sondern für einen kulturellen Wert votierten“, etwa unter dem Slogan: „Ohne Sonntag gibt es nur noch Werktage“ oder für den Advent mit:  Advent ist im Dezember: „…eine Kampagne, die ungeheuer befreiend wirkt und den Konkurrenzkampf des Einzelhandels, wo jeder schaut, dass er als Erster die Nikoläuse im Schaufenster hat, wie ein Evangelium unterbricht.  Hier hat sich die Kirche mit einem wichtigen kulturellen und theologischen Thema im Dienste der Menschen mit einer klaren und eindeutigen Botschaft eingemischt“, so Haberer. Auch die Kölner Kampagne: „misch dich ein!“ – vor vielen Jahren schon, 1992 bis 1994 – habe „eine thematische Botschaft“ gehabt, „die Initiative gab sich jedoch im Bemühen um Dialog zu bescheiden: Der Absender, nämlich die Institution, blieb zu sehr im Hintergrund. Da hätte man den damals entscheidenden Gremien doch mehr Mut gewünscht! Und man hätte dieses beachtliche Experiment länger durchhalten müssen“, sagte sie.

Das komplexe Ganze
Mit Martin Buber versuchte Haberer zu beschreiben, wie komplex die Kommunikation des Evangeliums ist – und sein muss: „Irgendwo zwischen Ich und Du, zwischen Medien, Absendern und Adressaten spielt sich die Kommunikation des Evangeliums ab und ihr Gelingen ist ein Sich-Zeigen des Geistes und Wirken des Geistes“. Unter anderem auch darum, so Haberer, hinterlassen „Kommunikationsstrategien, die für Unternehmen mit einem Produkt funktionieren mögen, in der Selbstdarstellung von Kirche ambivalente Botschaften“ und führt zu vorprogrammiertem Scheitern, das Haberer in zwei Fragen kleidete: „Könnte es sein, dass die konzentrierte Auseinandersetzung und Beschäftigung mit der empirischen Kirche die theologischen Maßstäbe verwischt hat? Kann es sein, dass formale Kommunikationsfragen die inhaltlichen auf den zweiten Platz gedrängt haben?“

Text: Haberer/AL
Foto(s): AL