Die Reformationsfeier 2005 des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln steht in diesem Jahr ganz im Zeichen des interreligiösen Gesprächs. Und anders als sonst so häufig in Köln geht es dieses Mal nicht allein um einen Dialog zwischen evangelischen und katholischen Christinnen und Christen, sondern um ein Gespräch zwischen den verschiedenen Religionen: Der hohe protestantische Feiertag am Montag, 31. Oktober, 18 Uhr, ist dieses Mal den „abrahamischen Gesprächen“ gewidmet, wenn der evangelische Gottesdienst mit Musik der Kantorei Volberg unter Leitung von Doris Röskenbleck und dem Chor der Antoniterkirche unter Johannes Quack und einer Predigt von Professor Dr. Bertold Klappert um 18 Uhr in der Trinitatiskirche, Filzengraben 4, beginnt.
„Abrahamische Gespräche“?
„Der Gott Abrahams ist der Gott Isaaks, Ismaels und der Völkerwelt“, hat Professor Dr. Bertold Klappert in seinem Vortrag auf der diesjährigen EKiR-Synode noch einmal betont – wie er es zuvor schon 1992 auf Einladung der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit und 1996 in der Melanchthon-Akademie Köln getan hat. Immer wieder war und ist sein Thema „Die Bedeutung des christlich-jüdischen Gesprächs im christlich-islamischen Kontext“ oder: „Abraham eint und unterscheidet“, so die Titel des von der Melanchthon-Akademie 1996 in „RheinReden“ veröffentlichten Beitrags (nachzulesen hier) oder – in einer weiteren, kürzeren Fassung, nachzulesen hier.
Was Klappert meint, ist einfach und schwierig zugleich: Ein Gott, der „nur für die Lutheraner“ oder „nur für die Katholiken zuständig“ sei, wäre ein „Götze“, spitzt Klappert seine Position zu und schlägt ein „Modell des Weges“ vor: Auf diesem Weg seien „von Abraham her die Söhne Isaaks und Ismaels, die Töchter der Sara und der Hagar gesegnet“, auf diesem Weg sei der Segen „durch den Abraham-Sohn Jesus Christus in die Völkerwelt gelangt“, durch diesen Segen seien auch „wir als Christinnen und Christen gesegnet und zur Bewahrung der Schöpfung berufen.“ Oder anders herum betrachtet : „In der Lebensbeziehung zum jüdischen Volk und zur Abrahamgemeinschaft der Muslime nimmt die ökumenische Christenheit aus allen Völkern teil am Weg Abrahams und seiner Nachkommen.“
Nur gemeinsam: Juden, Muslime und Christen
Unter dem Abraham-Segen sind nach Klappert also drei Religionen vereint: das Judentum, das Christentum und der Islam. Keine der drei Religionen ist der anderen über- oder unterlegen, weder im Zustand des Gesegnet-Seins noch unter entwicklungsgeschichtlichen Aspekten. „Die Segensverheißung an Abraham kann nur in ihrer Dreidimensionalität erkannt werden, oder sie wird überhaupt nicht erkannt“ – sie kann „nur gemeinsam von Juden, Muslimen und Christen ergriffen und an die Menschen weitergegeben werden.“ So betrachtet, geht es hier schon lange nicht mehr „nur“ um religiöse Fragen, sondern letzten Endes um den Weltfrieden. Darum auch versteht sich dieser evangelische Gottesdienst, mit dem der Stadtkirchenverband den Reformationstag 2005 feiert, als „aktuelle theologische Zeitansage“.
Übrigens: Auch die Evangelische Kirche im Rheinland greift mit einem Symposion das Thema im Vorfeld des Reformationstages auf: Bei einer Tagung vom 28. bis 30. Oktober in Wuppertal soll es neben einem Rückblick auf die Entwicklung der christlich-jüdischen Beziehungen im Licht des Beschlusses der Landessynode zum Verhältnis von Juden und Christen vor 25 Jahren auch um künftige gemeinsame Aufgaben gehen. Die Rede von Präses Schneider zur Schuld der Kirche an der Judenvernichtung ist hier nachzulesen
Professor Dr. Bertold Klappert
Von 1959 bis 1965 studierte Klappert Theologie, Philosophie und Religionsgeschichte in Wuppertal, Göttingen, Tübingen und Bonn. In den Jahren 1965 bis 1969 war er Assistent der Universität Bonn. Er promovierte 1969/1970 an der Evangelischen Fakultät der Universität Bonn über die Christologie Karl Barths, war anschließend von 1970 bis 1974 Assistent an der Universität Göttingen. Er habilitierte 1974 im Fachbereich Systematische Theologie an der Universität Göttingen über „Gesetz und Evangelium bei Martin Luther und Karl Barth“. 1974 bis 2004 war er Professor für Systematische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Von 1978 bis 1984 leitete Klappert den biblisch-sozialen Arbeitskreis der reformierten Gemeinde Wuppertal-Elberfeld-Ost.
Immer wieder hat er sich mit „Kirche und Israel“ befasst: als Herausgeber der Schriften von Leo Baeck etwa oder als Mitglied der „Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit“. Er versteht sich als „Theologe nach Auschwitz“, und hat sich in jüngerer Zeit für den Trialog der drei Abrahamsreligionen Judentum, Christentum und Islam stark gemacht.
Stunde der Begegnung mit „Klezmer Chai“
Im Anschluss an den Gottesdienst lädt der Evangelische Stadtkirchenverband Köln mit Klezmer-Musik bei Getränken und Kleinigkeiten zum Essen zur „Stunde der Begegnung“ ein. Die Gruppe „Klezmer Chai“ gestaltet den musikalischen Rahmen. Der Name ist Programm, denn das hebräisch-biblische Wort „chajim“ bedeutet Leben. Dieses Musik-Ensemble hat sich aus den Aktivitäten der städtischen Musikschule Leverkusen entwickelt. Die jungen Profimusiker spielen traditionelle wie moderne Klezmer-Musik, haben schon etliche Konzertreisen nach Israel absolviert und zusammen mit dem bekannten Klezmer-Musiker Giora Feidmann musiziert.
Foto(s): EKiR