In Köln wird viel diskutiert. Das gilt umso mehr für Wahlzeiten. Doch über wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Fragen hinaus lag dem „Kölner Familientisch“, einem Netzwerk aus Kölner Verbänden und Institutionen zur Stärkung der Interessen von Familien, besonders die Frage am Herzen: Was macht Köln eigentlich lebenswert für Familien? Grund genug, die Vertreter aller Kölner Ratsfraktionen zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Nachhaltige Familienpolitik in Köln“ an einen gemeinsamen Tisch zu bitten.
Eingerahmt in die Fragestellungen der Moderatorin Doro Dietsch: „Woran hapert es in Köln?“ und „Was brauchen wir in Köln?“ forderten vor allem die Vertreter von FDP, SPD und des Verbands berufstätiger Mütter bezahlbaren Wohnraum in der Großstadt. In den vergangenen Jahren habe ein Umdenken stattgefunden, das nunmehr verstärkt darauf abziele, das Potenzial junger Familien in Köln zu halten, statt sie ins preiswertere Umland ohne geeignete Infrastruktur abwandern zu lassen. Dr. Martin Schosser (CDU) sah bereits gute Ansätze einer vernünftigen Stadtentwicklungspolitik in den Stadtteilen Widdersdorf und Lövenich und durch den Erhalt statt den Abriss der Belgier-Häuser gegeben. Cornelia Schmerbach (SPD) forderte in einer sich stark verändernden Gesellschaft mit mehr Single-Haushalten und gleichzeitigem Geburtenrückgang, die Interessen von Familien durch die Wiedereinführung des sozialen Wohnungsbaus zu stärken.
Wohnungen: Dort, wo die Menschen leben
Für eine Mischung aus freiem und sozialem Wohnungsbau in neuen Wohngebieten sprach sich Grünen-Vertreterin Gaby Schlitt aus. Zudem schaffe eine stärkere „sozialräumliche Durchmischung“ aller Gesellschaftsgruppen in den Stadtteilen ein besseres Bewusstsein für die Familie.
Familienfreundlichkeit, so die einhellige Meinung, ist vor allem wichtig in den Veedeln, dort, wo die Menschen wohnen und leben. Das setzt als oberste Priorität gute Betreuungsmöglichkeiten für Kinder in der Altersgruppe Null bis 14 Jahren voraus, eine Mischung von Jung und Alt, aber auch ein Bewusstsein für die Belange aller Gesellschaftsgruppen. Gerade junge Eltern und ältere Mitbürger bräuchten in ihrem Umfeld sichere Verkehrswege, gute Einkaufsmöglichkeiten vor Ort und vernünftige Einstiege in öffentliche Verkehrsmittel. Cornelia Schmerbach forderte mit Blick auf die Zusammenlegung der Bezirksämter wieder dezentrale Verwaltungsstrukturen, um besser auf individuelle Belange vor Ort reagieren zu können.
Freizeit- und kulturelle Angebote für Kinder müssen bezahlbar sein
Für Yvonne Gebauer (FDP) bedeutet Familienfreundlichkeit aber über die Probleme der Lebensorganisation hinaus auch, dass Freizeit- und kulturelle Angebote für Kinder in Köln bezahlbar sind. In Griechenland beispielsweise hätten Kinder grundsätzlich freien Eintritt in Museen und andere kulturelle Einrichtungen. Dem hielten Vertreter des Publikums entgegen, dass jegliche Bemühungen, in Köln Kindergartenausflüge zu organisieren, an rigiden Verwaltungsvorschriften der Stadt scheiterten. Selbst in Zeiten knapper Haushalte würden zu viele Gesetze, Verbote und Vorschriften elterliches Engagement – das sogar die Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung sozial schwächerer Kinder einschließe – bereits im Keim ersticken.
Insgesamt war man sich einig, dass nur parteiübergreifende Kinder- und Jugendarbeit in Köln die Probleme der Großstadt lösen könne. Gaby Schlitt wies bundespolitische Forderungen nach höheren Prozentzahlen besonders in der Betreuung von unter dreijährigen Kindern zurück und sprach sich stattdessen dafür aus, die Zahl der Plätze am tatsächlichen Bedarf vor Ort zu orientieren.
Transparente politische Entscheidungsfindung
Konsens bestand unter allen Vertretern über die Signale, die in der Familienpolitik vom Leitbild „Köln 2020“ ausgehen. Dies erfordert jedoch eine konsequente Umsetzung, vor allem eine kontinuierliche Unterstützung der Akteure und den Austausch mit engagierten Bürgern vor Ort. Barbara Locher vom Verband berufstätiger Mütter sprach sich dafür aus, dass Politik nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden solle. Das im März ins Leben gerufene „Bündnis für Familie“ mit Vertretern aus Kirchen, Wirtschaft, IHK und Handwerkskammer, dem Familientisch und der Leitbildgruppe sei ein Schritt in Richtung einer bürgernahen und familienfreundlichen Politik. Die Stadt Köln als Ort zum Wohnen und als Zentrum des Wirtschaftslebens werde letztendlich attraktiver für Familien, wenn familienpolitische Belange zunehmend auch Platz in der Wirtschaftspolitik fänden.
Das Kindertagesstättenausbaugesetz
Heftige Kritik gab es seitens des Publikums an der praktischen Ausgestaltung des Kindertagesstättenausbaugesetzes. Trotz vorhandener Plätze seien die Modelle der Öffnungszeiten städtischer Einrichtungen bis 16 oder 17 Uhr zu rigide und nicht am tatsächlichen Bedarf von berufstätigen Eltern orientiert. Zudem wurde die Forderung nach flexiblen Notfallbetreuungsmöglichkeiten bei Krankheit oder anderweitigem Ausfall nach dem Vorbild von Firmenkindergärten in Großbetrieben laut. Brauchbare Ansätze wie Zusammenschlüsse von Kindergärten in Ferienzeiten existierten bereits, müssten aber vermehrt allen Bürgern und Bevölkerungsschichten mit flexiblen Angeboten offen stehen. Vernünftige Ansätze für eine Vielzahl von Kölner Problemen sahen alle Beteiligten in einem Schulterschluss zwischen Politik, Verwaltung, Institutionen und bürgerschaftlichem Engagement.
Fazit: Kinder sollte ein Geschenk sein, keine Last
Auf die abschließende Frage, was Köln am meisten brauche, war man sich einig, dass ein ausreichendes Bildungsangebot, ein gutes Gesellschaftsklima und die Einbeziehung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder jegliches politische und wirtschaftliche Handeln stärker bestimmen müssten, denn, so Moderatorin Doro Dietsch abschließend: „Kinder sind ein Geschenk, keine Last.“
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