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Interkulturelle Woche: „gleichberechtigte Kulturen, die sich gegenseitig befruchten“

„Zusammenleben gestalten“ lautet das Motto der 19. Interkulturellen Woche in Köln. Auch in diesem Jahr wird sie von einem Trägerkreis organisiert, dem unter anderem der Evangelische Stadtkirchenverband Köln angehört. Vom 24. September bis 2. Oktober offerieren über 20 Initiativen und Einrichtungen ein vielfältiges Programm. „In den unterschiedlichen Formen von gemeinsamen Aktionen, Festen, Vorträgen, Veranstaltungen und Gottesdiensten will die Interkulturelle Woche Begegnung ermöglichen, Verständnis fördern und Vorurteile überwinden“, so Monika Kuntze für den Trägerkreis.


Einführung eines Rates der Religionen in Köln angemahnt
Einen zentralen Programmpunkt bildete am Mittwoch das „Gebet der Religionen“. Der Vorbereitungskreis, dem unter anderem Mitarbeitende der Gruppe Köln/Bonn der Weltkonferenz der Religionen für Frieden (WCRP), des Katholischen Stadtdekanates Köln und Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln angehören, hatte das Gebet unter das Motto „Weißt Du wer ich bin?“ gestellt. Damit wollte man es verstanden wissen als Teil des gleichnamigen bundesweiten, interreligiösen Projektes, das getragen wird vom ACK, Zentralrat der Juden, Zentralrat der Muslime und DITIB. In der Antoniterkirche, wo leider zahlreiche Stühle leer blieben, betonte WCRP-Mitarbeiterin Annette Esser, dass es insbesondere um ein vertiefendes Kennenlernen gehe. Pfarrerin Dorothee Schaper von der Arbeitsstelle für Christlich-muslimische Begegnung beim Evangelischen Stadtkirchenverband Köln und Mitglied des Vorbereitungskreises mahnte in ihrer Begrüßung noch einmal die Einführung eines Rates der Religionen in Köln an – möglichst in Trägerschaft der Stadt.


„Oft meint man nur, etwas zu wissen“
Neben Worten aus der Bibel erklangen, vorgetragen von Mitgliedern der Bahaigemeinde Köln, solche von Abdu`l-Baha und Baha ´u´llah. Mitglieder des Zentrums für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung e.V. trugen ebenso Koransuren vor wie der Imam der DITIB Köln. Ein Franziskaner der Kölner Gemeinschaft sagte den Lobpreis des Allerhöchsten von Franz von Assisi. Alice Schuhmann sprach Worte aus den Veden. „Es gibt so viele verschiedene Religionen, und oft meint man nur, etwas zu wissen“, fügte die Hinduistin an. Dabei seien sich viele Religionen in ihren Zielen, viele Gläubige in den angestrebten Eigenschaften und Tugenden ähnlich. Schließlich stimmte man gemeinsam in das Gebet der Vereinten Nationen ein: „Gott unsere Erde ist nur ein kleineres Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung …“ Zahlreiche der Teilnehmenden nahmen danach die Einladung zur Begegnung im Gemeindesaal der Antoniterkirche wahr.


Interkultureller Prozess findet jeden Tag im Jahr statt
Auf die Frage nach der Notwendigkeit der Interkulturellen Woche erklärte Schaper: „Klar ist, dass wir 52 Wochen im Jahr Interkulturelle Woche haben. Und im Trägerkreis gibt es natürlich die Diskussion, ob wir eine einzelne noch brauchen. Aber wir kommen immer wieder zu dem Schluss, dass es trotzdem großen Sinn macht, exemplarisch in einer Woche das Thema öffentlich zu fokussieren.“ Dass es Sinn mache, auf den kulturellen Reichtum hinzuweisen, auf die Vernetzung von Initiativen usw. Dabei gehe es um die Darstellung und Wahrnehmung des interkulturellen Prozesses, „der jeden Tag im Jahr stattfindet“. Es gehe aber auch um eine Gelegenheit, öffentlich zu benennen, was im Argen liege: Dazu gehöre etwa die Einrichtung einer lokalen Härtefallkommission für von Abschiebung betroffene Menschen. Außerdem darum, Jugendliche mit Migrationshintergrund vermehrt in Ausbildung und Arbeit zu bekommen.


Verantwortungsvoller Umgang mit den Problemen ist nötig
Auch für Marten Marqardt, Leiter der Melanchthon-Akademie, hat die Veranstaltungswoche nicht an Bedeutung verloren. „Von der Woche des ausländischen Mitbürgers sind wir vor gar nicht langer Zeit zur Interkulturellen Woche gekommen.“ Mit der veränderten Begrifflichkeit werde endlich auch deutlich: „Es geht nicht mehr um freundschaftliche Toleranz und ein Hinwegsehen über Konflikte, sondern um gleichberechtigte Kulturen, die sich gegenseitig befruchten. Es geht um den Wunsch, diese Bereicherung auszuschöpfen.“ Die Veranstaltungswoche wende sich an beide Seiten, die verborgenen Schätze der gemeinsamen Möglichkeiten zu heben. Dabei müsse man vermeiden, in einen kulturellen Optimismus zu verfallen und bestehende Unterschiede oder Schwierigkeiten rosa zu färben. Im Gegenteil sei ein verantwortungsvoller Umgang mit den Problemen notwendig, die beim Heben von Schätzen nun mal auftreten würden.


Vorankündigung: „Jüdisch-christlich-muslimische Spurensuche“
Der innerhalb der Aktionswoche angekündigte interreligiöse Stadtteilgang durch die Kölner Südstadt musste aus organisatorischen Gründen verlegt werden. Veranstaltet von der Melanchthon-Akademie, findet die mehrstündige „Jüdisch-christlich-muslimische Spurensuche“ unter Führung von Akademieleiter Marten Marquardt und Dorothee Schaper nun statt am Mittwoch, 23. November 2005. Anmeldung ist erforderlich unter 0221/9318030. Treffpunkt ist um 18 Uhr am Haupteingang der Kirche St. Pantaleon. An deren Lage, Bau und Ausstattung werden Bezüge zwischen Köln und der heiligen Stadt Jerusalem aufgezeigt. Weiter geht es zur Karmelitinnenkirche St. Maria vom Frieden, wo am Beispiel von Edith Stein, die 1891 in Breslau als Jüdin geboren wurde, 1922 konvertierte, in den Kölner Karmel eintrat und als Jüdin 1942 in Auschwitz ermordet wurde, das Verhältnis von Judentum und Christentum in Deutschland thematisiert wird. Dritte Station ist die Kartause. Dort geht es zunächst um das „mystische Beginentum, das die Kartäuser nach Köln gezogen haben“, so Marquardt. Insbesondere an der Person der belgischen Begine Maria van Hout soll das Leben und Wirken der unverheirateten, asketisch-religiös orientierten Frauen veranschaulicht werden. Im Innenhof der Kartäuserkirche, am Mahnmal für Georg Fritze, geht es um das Schicksal des 1939 verstorbenen „roten Pfarrers“. Der „religiöse Sozialist“, entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und Mitglied der Kölner Bekennenden Kirche, wurde im Oktober 1938 „auf juristisch unzulässige Weise“ seines Pfarramtes an der Kartäuserkirche enthoben.


Anschließend wird der Ort in der Kartäusergasse angesteuert, an der laut Legende im vierten Jahrhundert ein Engel dem damaligen Bischof Severin den Tod seines Freundes Martin von Tours verkündete. Weiter führt der Weg zur Severinstorburg. Zu deren Ausbesserung wurden auch jüdische Grabsteine verwendet. Sie stammen von dem jüdischen Friedhof, der südlich des Stadttores und westlich der alten Römerstraße (Bonner Straße) auf dem Areal des heutigen Güterbahnhofs Bonntor und der Großmarkthalle bestanden hat. Bevor abschließend in der Melanchthon-Akademie über die gegenwärtigen Begegnungsprogramme zwischen Juden, Christen und Muslimen gesprochen wird, besucht die Gruppe die Moschee am Kartäuserwall.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich