„Individualität 2.0“ – das girlspace, ein Medientreff für Mädchen und junge Frauen, gibt es bereits seit elf Jahren

Acht Computer waren es beim Start 1999, acht Computer sind es heute immer noch. Wer bei diesen Zahlen allerdings an Stillstand denkt, täuscht sich gewaltig. Sieben Laptops kamen dazu, und in den vergangenen elf Jahren hat der Medientreff „girlspace“ für Mädchen und junge Frauen viel erlebt, viel ausprobiert und viel erreicht. Grund genug für die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen, ein kölsches Jubiläumsfest zu organisieren.

Start als Modellprojekt
Als Modellprojekt ist das „girlspace“ an den Start gegangen. „Im MATT, einem Zusammenschluss von evangelischen Institutionen, die im Bereich des Kirchenverbands in der Mädchenarbeit tätig sind, kam das Thema auf. Computer und Internet waren damals groß im Kommen, und das sollte pädagogisch aufgearbeitet werden“, erzählt Nina Paganotto, seit April 2001 dabei und seit Sommer 2001 Leiterin des „girlspace“. Ein geeigneter Raum wurde an der evangelischen Christuskirche in der Kölner Innenstadt gefunden, und als Modellprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen gab es zum Start eine vergleichsweise üppige Finanzierung, mit der auch der technische Grundstock angeschafft werden konnte. Die Rechner waren damals auf der Höhe der Zeit. Schlecht sind sie heute auch nicht, aber nach dem Auslaufen des Modellprojekts finanziert sich der Medientreff hauptsächlich über Spenden, und da kann eben nicht jede technische Neuerung mitgemacht werden. Seit 2003 ist der Verein „girlspace“ Träger der Einrichtung, die seitdem maßgeblich durch die „Laura Oelbermann Stiftung“ des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region sowie die Evangelische Jugend in Köln und Umgebung finanziert wird.

Integration und interkulturelle Arbeit
Spezielle Angebote für Mädchen im Medienbereich zu schaffen und Schulungen für Mitarbeitende in der Mädchenarbeit anzubieten, das waren zu Beginn die beiden großen Säulen. „Am Anfang waren es hauptsächlich Kurse zu Textverarbeitungsprogrammen, Fotobearbeitung oder Seitenprogrammierung“, berichtet Paganotto. Die Teilnehmerinnen waren vor allem Mädchen aus dem so genannten Bildungsbürgertum. Diese Familien waren die ersten, in denen zu Beginn des neuen Jahrtausends Computer standen. „Als Projekte haben wir dann etwa Online-Zeitungen oder einen Online-Stadtplan entwickelt“, so Paganotto weiter. Doch schnell wandelte sich das Klientel: Immer mehr Mädchen mit Migrationshintergrund und aus benachteiligten sozialen Schichten suchten das „girlspace“ auf. Integration und interkulturelle Arbeit sind daher neben der Medienpädagogik und der parteilichen Mädchenarbeit heute ebenfalls wichtige Bestandteile des Konzepts. So sind die reinen Basiskurse auch eher selten geworden. „Im Vordergrund steht die Individualität der Mädchen und jungen Frauen“, betont Paganotto.

Cybermobbing und Internet-Sicherheit
Innovative Medienprojekte, die Gestaltungsmöglichkeiten im Web 2.0, das Produzieren eigener Filme, aber auch Themen wie Cybermobbing oder Sicherheit im Internet stehen heute auf der Angebotspalette des „girlspace“. Zurzeit sind es elf Mitarbeiterinnen, die Kurse und Projekte leiten. Neben Paganotto, die zurzeit eine halbe Stelle hat, gibt es noch eine Teilzeitkraft mit Zeitvertrag, die restlichen Aktiven sind Ehrenamtlerinnen oder Praktikantinnen. „Das Engagement ist wirklich groß“, lobt Paganotto den Elan der freiwilligen Helferinnen. „Es macht aber auch nach wie vor Spaß“, gibt Gitta Peschutter das Kompliment zurück. Die 49-Jährige ist seit drei Jahren beim „girlspace“, „angefangen habe ich mit den Kindergruppen, jetzt gebe ich einmal in der Woche Fortbildungen“, erzählt sie. Schon seit Juni 2002 ist Nadja Wiebe mit dabei. Die 55-jährige Elektroingenieurin aus Russland engagiert sich in der Projektarbeit. Dabei unterrichtete sie auch schon mal ältere Frauen, die im „girlspace“ gemeinsam mit ihren Enkelinnen oder Töchtern am PC saßen. „Da ich nicht so schnell Deutsch sprechen kann, kamen meine technischen Erläuterungen bei den Frauen gut an“, schmunzelt sie. Shahla Kaviani-Becker ist erst seit neun Monaten mit von der Partie. Doch auch für die 54-Jährige aus dem Iran ist „die Arbeit mit Mädchen und Frauen etwas Besonderes“.

Vom Souterrain unters Dach
Im Zuge der Diskussionen um die Zukunft der Christuskirche in der Evangelischen Gremeinde Köln hat Paganotto sich schon frühzeitig um eine Alternative gekümmert. Die fand sich im Sommer 2008 im Kapitelhaus neben der evangelischen Kartäuserkirche, vom Souterrain an der Christuskirche ging es direkt unters Dach. Da dort auch die Jugendarbeit der Evangelischen Gemeinde Köln beheimatet ist, ergeben sich viele interessante Verknüpfungen und Kooperationsmöglichkeiten. Dabei ist das „girlspace“ nicht nur in seinen eigenen Räumen aktiv. „Die räumliche Veränderung hat auch einen inhaltlichen Schub gebracht“, sagt Paganotto. An der Montessori-Hauptschule in der Stegerwaldsiedlung bietet der Medientreff regelmäßige Arbeitsgemeinschaften an, als Kooperationspartner des Evangelischen Familienzentrums Kartause sowie durch die Zusammenarbeit mit den Kindertagesstätten Kartause und an der evangelischen Thomaskirche wurden auch Projekte für Vorschulkinder angeboten. Im Sommer beginnt eine neue Zusammenarbeit mit einer Förderschule. Einmal in der Woche findet ein offenes Café statt, ebenfalls einmal in der Woche treffen sich Au-Pair-Mädchen in dem Medientreff. Und selbst vor dem Knast macht „girlspace“ nicht Halt: „Kreative Vernetzung im offenen Vollzug“ hieß das Projekt, bei dem die Mitarbeiterinnen ein Jahr lang in die Justizvollzugsanstalt Ossendorf fuhren, um dort mit 17 bis 24 Jahre alten Häftlingen zu arbeiten.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer