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In Köln-Mülheim werden neue Formen von Kirche ausprobiert

Mittwochs ab halb Fünf ist Leben in der Friedenskirche. Kinder werfen mit Bällen um sich, basteln oder malen mit Kreide auf dem Kirchenboden, während die Erwachsenen ihren Gedanken nachhängen können. Anschließend gibt’s eine Andacht, vielleicht zum Thema: „Ist Gott wie Himbeereis?“, und danach setzt man sich gemeinsam zum Abendessen an einen Tisch. „Das Essen sollte aber Bio-Qualität haben und am besten aus regionalen Produkten zubereitet sein“, erklärte Miriam Hoffmann bei der Vorstellung des Projekts „Beymeister“ den Zuhörern vor dem Kirchenportal.

Die Evangelische Kirchengemeinde Mülheim am Rhein ist Trägerin des Projekts „Beymeister“, das Menschen im Veedel für neue Formen von Kirche begeistern möchte. Pfarrer Sebastian Bear-Henney und Miriam Hoffmann, Referentin des Vereins Wunderwerke, sind jeweils mit einer halben Stelle als „Beymeister“ unterwegs. Das zweijährige Projekt hat Anfang des Jahres begonnen und wird mit Mitteln der Landeskirche, aber auch vom Freundeskreis missionarische Kirche (FMK) gefördert. Der FMK hat es sich zu Aufgabe gemacht, innovative Impulse zu unterstützen und begrüßt daher den „Beymeister“-Ansatz, „die engen Räume der Kirche zu verlassen und zu den Menschen zu gehen“, wie es Landespfarrer Christoph Nötzel, Leiter des Amts für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste, ausdrückte.

Das Wort "Beymeister" stammt aus dem Mittelalter
Nach einer Begrüßung im Peter Beier-Haus, bei der die knapp 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfuhren, dass der Begriff „Beymeister“ im Mittelalter die verschiedenen Meister einer Zunft bezeichnete, die sich beratend und auf Augenhöhe zur Seite standen, ging es raus auf die Straßen des Veedels. Dort hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan, wie die vielen hippen Cafés und neu eröffneten Lädchen mit hochwertigen Produkten zeigen. „Die Veränderungen machen sich deutlich bemerkbar, nicht zuletzt bei den Mietpreisen“, sagte Andrea Vogel, Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch und Pfarrerin in Mülheim.

Zielgruppe: Junge, finanziell gut gestellte Familien
Die „Beymeister“ sind aber kein soziales Projekt, sondern wollen gerade mit jenen jungen Familien ins Gespräch kommen, die im Zuge der Gentrifizierung in den Stadtteil kommen. „Leute, die sich überlegen, ob sie aus der Kirche austreten wollen oder ihre Kinder taufen lassen wollen – wenn wir die nicht einbinden, werden sie uns irgendwann fehlen, auch als Kirchensteuerzahler“, so Hoffmann. „Diese Menschen finden es gut, was die Kirche zum Beispiel in der Flüchtlingsarbeit leistet, aber ansonsten haben sie beim Thema Kirche eher einen blinden Flecken“, sagte Pfarrer Bear-Henney.

Neue Ideen umsetzen
Die „Beymeister“ waren daher schon im vergangenen Sommer, als Vorlauf zum eigentlichen Projekt, mit einem Sofa durch Mülheim gezogen und hatten Menschen ihrer Zielgruppe aufgefordert, sich zu setzen und über Wünsche und Erfahrungen zu reden. Erste konkrete Ergebnisse seien die „Chaoskirche“ und der „Abendglanz“ im Café Vreiheit, wo sich einmal in der Woche nach der Arbeit einander unbekannte Menschen an einen Tisch zusammensetzen, über den Tag oder die vergangene Woche reden und den Abend mit einem Gebet ausklingen lassen. Der Wunsch nach Gemeinschaft, aber auch nach Angeboten für die Familie soll so mit der spirituellen Botschaft der Kirche verbunden werden.

Ergänzung – keine Konkurrenz zu Gemeindeangeboten
Weitere Vorhaben wie ein Flohmarkt zum Kennenlernen am 1. Mai sind schon vorbereitet. Wichtig sei ihnen, dass ihr Projekt als Ergänzung der klassischen Gemeindeangebote und nicht als Konkurrenz angesehen werde, betonte Sebastien Bear-Henney. So wird derzeit in der Nähe des Peter Beier-Hauses in der Wallstraße eine ehemalige Änderungsschneiderei zur „Beymeisterei“ umgebaut, in der auch schon Konzerte stattgefunden haben. Demnächst sollen tagsüber Gäste hierherkommen, ein Kaffeeautomat wird dann auch bereit stehen. Das Pfund Kaffee darf dann auch mal 11 Euro kosten – aber das seien nun mal die Ansprüche der Zielgruppe, wie Miriam Hoffmann erklärte.

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans