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„In der Evangelischen Kirche gibt es keine versteckten Geldtöpfe.“

In der heutigen Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers ist Altpräses Manfred Kock mit einem Gastbeitrag vertreten. Aus diesem Anlass sprach Angelika Knapic mit dem ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Sehr geehrter Herr Altpräses Kock, in Ihrem Beitrag beziehen Sie Stellung zur Praxis der Kirchensteuer. Dass Kirchensteuern für Einbußen in der Staatskasse sorgen sollen, ist ja zurzeit ein Thema in den Medien. Gibt es tatsächlich Einbußen?

Manfred Kock: Kirchensteuern sind für Einkommensteuerpflichtige als Sonderausgaben bei der Steuerberechnung abzugsfähig. Steuerzahler zahlen also weniger Einkommensteuer. Insoweit ergeben sich für den Staat Einbußen. Die kommen aber nicht der Kirche zugute, sondern den Steuerzahlern. Sie zahlen weniger Steuern, weil sie die Kirchen unterstützen. Der Staat geht davon aus, dass es der Gemeinschaft dient, wenn man die Kirche finanziell unterstützt. Wie übrigens auch die zahllosen sozialen, kulturellen und mildtätigen Vereine und die Parteien. Auch Spenden für gemeinnützige Vereine sind abzugsfähig, bis zu 20 Prozent des zu versteuernden Einkommens.

Wie denken Sie persönlich über die Praxis des Kirchensteuereinzugs durch den Staat? Ist dies ein gerechtes Verfahren?

Manfred Kock: Die Praxis der Kirchensteuer hat sich bewährt, nicht nur für die Kirche. Sie ist auch gerecht für die Menschen, weil sie nach der Höhe des Einkommens berechnet wird. Jedenfalls können nicht einzelne Großspender den Kurs der Kirche bestimmen oder die Klarheit der Verkündigung beeinflussen. Was eine andere Praxis betrifft: Die Lebendigkeit der Kirche hängt nicht von der Art ab, wie sie sich finanziert.

Was passiert denn mit dem Geld, das die Evangelische Kirche als Kirchensteuer erhält?

Manfred Kock: Ein großer Teil wird benötigt für die Finanzierung der Mitarbeitenden in den Gemeinden, für Verkündigung, Jugend- und Seniorenarbeit. Die kirchlichen Gebäude müssen unterhalten werden, große kulturelle Schätze sind darunter. Für Kindergärten und Schulen gibt unsere Evangelische Kirche fast 10 Prozent ihrer gesamten Einnahmen aus.

Sie waren bis zum Jahr 2003 acht Jahre lang Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland und hatten und haben somit deutschlandweit die Evangelische Kirche gut im Blick. Was sagen Sie zu dem sogenannten Reichtum der Kirche?

Manfred Kock: Im Verhältnis zu den meisten Kirchen in der weiten Welt sind wir eine reiche Kirche. Da kommt es in besonderer Weise darauf an, wie wir mit den finanziellen Möglichkeiten verantwortlich umgehen. Wir verschwenden nicht. Unsere Haushalte sind transparent. In der Evangelischen Kirche gibt es keine versteckten Geldtöpfe. Die meisten der Immobilien werden für die Arbeit mit Menschen benötigt. Vorhandene Rücklagen dienen der Gebäudeunterhaltung und der Altersversorgung der Mitarbeitenden. Aus Kirchensteuermitteln werden auch ökumenische Projekte in aller Welt unterstützt. Und wir setzen unsere Mittel dafür ein, neben der Verkündigung und der Seelsorge, Menschen in vielfältiger Weise, sei es etwa in den Bereichen Bildung oder Diakonie, zu unterstützen.

Sehr schwierig zu verstehen ist ja die sogenannte Staatsdotation – immer wieder ein Kritikpunkt in der öffentlichen Debatte. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlt der Staat Geld an die Kirchen. Warum?

Manfred Kock: Die Entstehung dieser Verpflichtung ist nur vor dem Hintergrund der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland verständlich, da sie die Folge von verschiedenen Enteignungen der Kirchen am Beginn des 19. Jahrhunderts sind. Das waren vor allem Ländereien, deren Erträge der Bezahlung der Pfarrer dienten. Die Staaten haben nach der Enteignung diese Bezahlung übernommen und in ihren Ministerien die kirchliche Verwaltung organisiert. Diese ursprüngliche Lage hat sich über die letzten 200 Jahre völlig verändert. Die Geldbeträge reichen in unserer Zeit bei weitem nicht aus, um Besoldung und Kirchenverwaltung zu finanzieren. Heute beträgt die Staatsdotation in der rheinischen Landeskirche circa 11 Millionen Euro jährlich. Das sind etwa 2 Prozent der kirchlichen Gesamteinnahmen – und damit auch nur ein Bruchteil der Gesamtausgaben.
Schon die Weimarer Reichsverfassung von 1919 schrieb übrigens vor, die Staatsleistungspflichten abzulösen: Die regelmäßigen Zahlungen sollten gegen eine angemessene Entschädigung aufgehoben werden. Das aber ist bis heute nicht geschehen. Es liegt nicht an den Kirchen. Die Bundesländer müssen hier aktiv werden.

Zur Person Manfred Kock:
1970 wurde der gebürtige Westfale in Köln zum Jugendpfarrer gewählt. 1976 übernahm er eine Gemeindepfarrstelle in der Kirchengemeinde Bickendorf, 1980 wurde er Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord und im Jahr 1988 Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region (seinerzeit noch Evangelischer Stadtkirchenverband Köln). Im Februar 1997 wurde Kock in das Amt des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) gewählt, im November desselben Jahres wurde er zum Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ernannt. 2003 trat er in den Ruhestand. Zurzeit ist Kock unter anderem engagiert als Referent der mehrteiligen Vortragsreihe "Räume der Freiheit – evangelisch im 21. Jahrhundert" in der Kölner Antoniterkirche.

Text: APK
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