Die Bibel ist wohl das einzige Buch, das nicht altert. Manchmal allerdings sind ganze Sätze oder einzelne Worte nicht auf den ersten Blick zu verstehen. Für Verständnis sorgen Pfarrer wie Hans Mörtter bei der Konfirmationsfeier am Rheinufer. „Du hast als Spruch einen Satz aus dem Römerbrief gewählt“, sagte er beim Handauflegen zu einem Konfirmanden. „Lass Dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten! In moderne Sprache übersetzt: Vergiss Amazon.“ Das Gelächter der rund 400 Familienangehörigen und Freunde der Konfirmanden war dem Pfarrer der Lutherkirche in der Südstadt sicher – Gemeinden der Kartäuserkirche und der Lutherkirche haben am Rheinufer konfirmiert und getauft.
43 junge Leute bekundeten durch die Konfirmation ihren Glauben und ließen sich je nach Bedarf vorher noch taufen. Es gab aber auch Konfirmationssprüche, die keiner Interpretation bedurften. „Alle Eure Dinge lasst in der Liebe geschehen“, aus dem ersten Korintherbrief. „Das ist der rote Faden des Lebens“, sagte Mörtter an die Konfirmandin und Täufling Carlotta gewandt. „Dein Herz mache deinen Segen weit, dein Geist den Verstand klar. Du bist gesegnet, Carlotta, und du wirst ein Segen sein.“
„Es ist schon komisch, die Zeit, in der wir leben“
Bei einer jungen Frau stieß Mörtter dabei auf Widerstand: „Sie müssen mich nicht taufen. Das haben Sie doch schon vor zwölf Jahren gemacht.“ Mörtter hatte die Hand schon im Taufbecken, spritzte der Konfirmandin spaßeshalber ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht und erklärte: „Das schadet nie.“
Gemeinsam mit Pfarrer Mathias Bonhoeffer und Pfarrerin Nicola Landgrebe von der Kartäuserkirche leitete der Südstadtpfarrer den Gottesdienst „Rheinkonfirmation am Flusskilometer 689,5“. Mörtter warf zu Beginn seiner Predigt, die von Kantor Thomas Frerichs am E-Piano begleitet wurde, einen Stein in den Rhein. „Einen Stein werfen. Oder besser ins Rollen bringen. Es ist schon komisch, die Zeit, in der wir leben. Ich würde sagen egomanisch.“
„Ihr seid in der Lage zu lieben, weil ihr geliebt seid“
Der Pfarrer redete den Konfirmanden eindringlich ins Gewissen: „Egoismus ist der Trend der Zeit. Ich weiß, was richtig ist. Und was du denkst, ist falsch. Ich weiß, was wahr ist. Ich schaue, was mir gut tut.“ Der Südstadtpfarrer kritisierte die „Billigfliegerei“. „Der Sprit schön billig, und das Gehirn lass‘ ich irgendwo.“ Manche empfänden sich als „unglaublich sozial“, weil sie Geld an gemeinnützige Initiativen spendeten. „Aber ich als Spender entscheide allein, was gut ist.“ Hans Mörtter appellierte an das Auditorium, der Kirche nicht den Rücken zu kehren. „Wir bieten jedem ein offenes Ohr. Und zwar immer.“
Die Arbeit für die Kirchen nehme immer mehr zu. „Denn die, die alt sind und krank, die kommen zu uns.“ Und in Richtung der Jugendlichen: „Ihr habt alles, was nötig ist, in Euch drin. Ihr seid in der Lage zu lieben, weil ihr geliebt seid. Ihr seid in der Lage, euer Gehirn zu benutzen, ohne euch verarschen zu lassen von dem, was manche euch erzählen. Ihr seid stärker, als ihr denkt. Ihr seid Königinnen und Könige. Ihr habt ein Herz, das schlägt. Nicht nur für euch selbst. Sondern auch für die an eurer Seite, für eure Freundinnen und Freunde, die es wert sind, Freundinnen und Freunde genannt zu sein. Und dann ist da der andere. Oder die – wir wissen es nicht und sagen Gott. Er oder sie wird immer an eurer Seite sein. Und am meisten werdet ihr das spüren, wenn ihr ihn oder sie am meisten braucht. Dann ruft Gott, schick mir bitte einen Engel, damit ich meinen Weg finde, denn ich habe mich gerade verirrt. Ich garantiere euch: Dann wird ein Engel an eurer Seite sein.“
Natürlich konnte das Ganze am Rheinufer nicht so pannenfrei ablaufen, wie man es aus einer Konfirmation in Kirchräumen erwartet hätte. Bei einem Konfirmanden fehlte Pfarrer Bonhoeffer die Urkunde mit dem Konfirmationsspruch. „Einen musste es treffen. Ich weiß deinen Spruch jedenfalls nicht“, erklärte er und an den Konfirmanden gewandt: „Weißt du ihn?“ Die Antwort war betretenes Achselzucken. Gerettet wurden beide durch die Tante des Konfirmanden. Die war in dem Moment der rettende Engel, kam herbeigelaufen und zeigte Bonhoeffer die Einladungskarte, auf der der Spruch zu lesen war. Das war knapp.
Foto(s): Stefan Rahmann