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„Ich merke, dass es genau passt“

„Jetzt bin ich wieder dort, wo ich angefangen habe“, sagt Dr. Martin Horstmann – und das meint er durchweg positiv. Denn seine beruflichen Anfänge liegen in der Erwachsenenbildung. Und genau dort ist er jetzt wieder tätig: Seit Februar 2014 ist der gebürtige Herforder, Jahrgang 1975, Studienleiter der Melanchthon-Akademie für den Bereich „Protestantische Identität und Gesellschaft“. „Ich merke, dass es genau passt“, sagt er angesichts seiner neuen Aufgaben, die ihm erlauben, seine akademischen und beruflichen Erfahrungen vielfältig einzubringen.
Da sind das Studium der Sozialarbeit in Bochum und das der Diakoniewissenschaften in Heidelberg zu nennen – dort promovierte Horstmann auch. Er arbeitete als Dozent für Diakonie in Bethel und leistete Beratungsarbeit in der Suchthilfe in Herford, speziell im Bereich Glücksspielsucht. Die Evangelische Bildungsstätte für Diakonie und Gemeinde in Bielefeld, wo er Dozent für Diakonik war, und das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD in Hannover waren weitere Stationen seines beruflichen Schaffens, bis es ihn und seine Familie ins Rheinland zog. Der Ehemann einer Pfarrerin und Vater eines Kindes – bald werden es zwei sein – lebt derzeit in Düsseldorf. „Aber wir haben schon vor, nach Köln zu ziehen“, versichert Horstmann.

„Die Menschen in ihren Arbeitsfeldern stärken“
Sein Tätigkeitsbereich an der Melanchthon-Akademie wurde neu zugeschnitten und Martin Horstmann sprüht vor lauter Ideen. „Protestantische Identität und Gesellschaft“, das bedeutet zum Beispiel, Fortbildungsangebote für Ehrenamtliche zu schaffen, sowohl auf der Leitungsebene, also für Presbyterinnen und Presbyter, als auch ganz allgemein für Gemeindemitarbeitende. „Die Menschen in ihren Arbeitsfeldern zu stärken“, ist ihm ein wichtiges Anliegen. Und dies könne ebenso in Form von Einzelveranstaltungen wie auch in einem Kurssystem erfolgen. Tätig sein wird er als Dozent, vor allem aber in Planung und Konzeption, um die Veranstaltungen dann mit möglichst hochkarätigen Referentinnen und Referenten zu besetzen. Er strebt ein didaktisches Konzept für Kompetenz im Ehrenamt an, das gleichermaßen sozial pragmatisch wie auch fundiert sein soll.

„Inklusion ist nicht nur ein Thema an den Schulen“
Im Akademie-Kursprogramm für das zweite Halbjahr 2014 werden die ersten dieser Fortbildungsangebote zu finden sein – ebenso wie zu einem anderen Themenkomplex, der Horstmann sehr am Herzen liegt: gesellschaftliche Diskurse und die Positionierung der evangelischen Kirche. „Welche Debatten sind gerade jetzt virulent?“, fragt der Studienleiter und verweist zum Beispiel auf das umstrittene Familienpapier der EKD ebenso wie auf die Diskussion um die Sterbehilfe oder auch die Generationengerechtigkeit, ein Thema, das an Brisanz noch zunehmen wird. Auch das Wort Inklusion ist derzeit in aller Munde und „nicht nur ein Thema an den Schulen.“ In der Kirchengemeinde bieten sich hier viele Ansätze. Da geht es dann um räumliche Barrieren ebenso wie um Schambarrieren, wenn sich beispielsweise ein arbeitsloses Gemeindeglied nicht traut, an einer kirchlichen Aktivität teilzunehmen.
Ein anderes Aufgabengebiet, das von Dr. Martin Horstmann bearbeitet wird, ist die Sozialraumanalyse, der Bezug der Kirchengemeinde zur Stadt, das Verhältnis von Zivilgesellschaft, Kirche und Stadt. Wie lassen sich hier Daten ermitteln – und welchen Aussagewert haben diese überhaupt?

„Wie kann man gemeinschaftlich die Welt nutzen?“
Mit dieser Frage verweist Martin Horstmann auf ein weiteres Feld seines Arbeitsbereiches. „Nachhaltigkeitsthemen finde ich sehr spannend“, erklärt er. Die Schlagworte Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, die im sogenannten „konziliaren Prozess“ thematisiert wurden, klingen heute ein wenig altbacken nach den 80er-Jahren, als die Bewegung begann. „Heute gibt es die Repair-Bewegung, die Commons-Bewegung und Begriffe wie die Share Economy“, sagt Horstmann, „überhaupt: teilen statt besitzen.“ Und diese Impulse beziehen sich auch auf Gemeindegüter und ganz allgemein auf die Frage: „Wie kann man gemeinschaftlich die Welt nutzen?“
Ohne Zweifel: Der neue Studienleiter hat sich viel vorgenommen. Im Moment bedeutet dies neben dem Konzeptionieren vor allem sehr viel Recherchearbeit. Dazu gehört eine Analyse entsprechender Angebote anderer Institutionen ebenso wie die Suche nach potenziell interessanten neuen Themen und Formaten. Hinzu kommt eine intensive Kontaktpflege. Hier kann Dr. Martin Horstmann aus seinen bisherigen Tätigkeiten – besonders aus dem kirchlichen Bereich – auf ein breites Netzwerk von Referentinnen und Referenten zurückgreifen. All diese Kontakte und all seine Erfahrungen kann er jetzt einbringen – dort, wo er nur sprichwörtlich, aber keinesfalls real wieder am Anfang steht: in der Erwachsenenbildung.

Text: Sabina Schult
Foto(s): Hannes Leitlein