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„Ich bin Pfarrer. Und allein deshalb immer zuversichtlich.“ Auf der Bewahrung der Schöpfung lag 2019 der Schwerpunkt im Kirchenkreis Köln-Nord

Kirchenkreis Köln-Nord: Einige Höhepunkte des Jahres 2019

Die Themen Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung standen in diesem Jahr ganz oben auf der Agenda im Kirchenkreis Köln-Nord. Der „Arbeitskreis Nachhaltigkeit“ im Kirchenkreis lud gemeinsam mit der Gemeinde Ehrenfeld ein zu der Veranstaltung „Gutes Leben überall“.

“Wir wollen, dass die Evangelische Kirche als nachhaltige Organisation bekannt wird“, sagte Pfarrer Hanser Brandt-von Bülow. Daher sei das große Ziel unter anderem ein ökofairer Einkauf der Gemeinden. Und ein verantwortlicher und möglichst müllfreier Konsum von Nahrungsmitteln. Themen wie diese standen bei der Veranstaltung im Ernst-Flatow-Haus im Mittelpunkt und boten vier Ehrenfelder Initiativen die Chance, ihre Arbeit vorzustellen.

Wenngleich sie alle unterschiedliche Ansätze verfolgen, so ist eines allen gemeinsam: Ihr Engagement für Nachhaltigkeit. Nicole Klaski etwa rettet mit ihrer Initiative „The Good Food“ Lebensmittel vor dem Weg in die Tonne. Pro Jahr würden in Deutschland allein 20 Millionen Tonnen Lebensmittel dort landen, so berichtete sie, weil sie in Größe, Form oder Aussehen nicht den EU-Normen entsprächen. Seit vier Jahren fährt sie mit ihrem Team jede Woche zur Nachernte auf das Feld eines Bauern in Kaarst, um dort nicht-normgerechte Kartoffeln, Möhren oder Salatköpfe zu retten. Im Ehrenfelder Ladenlokal werden diese zu einem vom Kunden selbst bestimmten „Was ist es dir wert-Preis“ angeboten.

Der Landwirt Jochen Groß von der Initiative „Stadt Land Gemüse“ stand den Besuchern Rede und Antwort an seinem Obst- und Gemüsestand. „Ich bewirtschafte in Stommeln einen Demeterhof“, erklärte er. Vor acht Jahren ließ er sich zum biologisch-dynamischen Landwirt nach Demeter ausbilden und bewirtschaftet seit drei Jahren seinen Hof. Groß stellt eigenen Dünger her und betreibt eine biologische Schafzucht. Sein Obst und Gemüse vertreibt er in einem Hofladen in Ehrenfeld. Der Demeter-Landwirt setzt auf langsames Wachstum statt auf hohe Rendite.

Im Unverpackt-Laden „Die Veedelskrämer“ in Ehrenfeld werden Waren des täglichen Bedarfs wie Reis, Hülsenfrüchte und Müsli ebenso wie Waschmittel und Seife ohne Verpackung verkauft. Der Kunde bringt Behältnisse mit, füllt um, wiegt seine Waren ab und zahlt grammgenau an der Kasse.

Kirche diskutiert anders – Podiumsdiskussion

Um die Bewahrung der Schöpfung in deutlich größerem Maßstab ging es bei der vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region initiierten Veranstaltungsreihe „Kirche diskutiert anders“. Thema war der Braunkohleabbau im Rhein-Erft-Kreis und die damit verbundenen gesellschaftlichen Verwerfungen. Antworten auf die Frage „Was macht ziviler Ungehorsam mit der Region?“ suchten im Gemeindehaus der Friedenskirche in Bedburg. Dirk Weinspach, Polizeipräsident in Aachen, Christian Mertens, Rechtsanwalt aus Köln, und Klaus Emmerich, Betriebsrat bei RWE.

Die Moderation hatte Sammy Wintersohl übernommen, Pressesprecher des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. „Wir müssen dialogfähig bleiben und die Schritte weiter gehen, nachdem wir uns unsere Geschichten erzählt haben. Dafür wird die Kirche ihren Beitrag leisten“, sagte Pfarrer Markus Zimmermann, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord, am Ende und lud Befürworter wie Gegner des Braunkohletagebaus zum Dialog ein.

Der Veranstaltungsreihe waren monatelange heftige, teils gewalttätige Auseinandersetzungen um den Erhalt des Hambacher Forstes vorausgegangen. Höhepunkt war eine friedliche Demonstration gegen die Rodung des Forstes mit 50.000 Teilnehmern. „Wir haben es hier mit einem gravierenden gesellschaftlichen und politischen Konflikt zu tun. Die Polizei hat nicht den Anspruch, diesen Konflikt zu lösen. Sie kann es auch nicht“, erklärte Weinspach. Den Konflikt müsse die Politik lösen.

Ziviler Ungehorsam war für den Polizeipräsidenten eine „im Grunde harmlose Form von Protest“. Die Beteiligten müssten sich als Personen mit ihren Namen einbringen und bereit sein, die Konsequenzen für ihre Regelverletzungen zu tragen. „Die Polizei sitzt zwischen den Stühlen. Sie muss dafür sorgen, dass der Konflikt politisch nach den Regeln des Grundgesetzes geführt wird.“ Denn eines müsse in jedem Fall gelten: „Gewalt ist nicht hinnehmbar.“ Auf den Hinweis Zimmermanns, dass die Evangelische Kirche mit ihren Kirchenasylen zivil ungehorsam sei, erklärte Rechtsanwalt Mertens: „Wenn Sie beim Kirchenasyl den Schlüssel der Kirchentür umdrehen, gilt das als gewalttätiger Widerstand gegen Vollziehungsbeamte.“

Der Superintendent wies darauf hin, dass bei jedem Kirchenasyl die Polizei verständigt werde. „Wir leben in einem Rechtsstaat. Wir als Kirche positionieren uns nicht konfrontativ gegen die Behörden.“ Konkret wurde auch Gewerkschaftler Emmerich, der die Belegschaft von RWE vertrat: „Ziviler Ungehorsam kann die Region bereichern und auf Missstände aufmerksam machen. Aber was erleben wir? Schwere Wackersteine und Molotow-Cocktails werden auf RWE-Autos geworfen, Fäkalienbeutel auf Polizisten. Wenn es gegen die leibliche Unversehrtheit geht, ist es Gewalt. Vor zivilem Widerstand haben wir Gewerkschafter weiterhin großen Respekt.

Für den Satz „Ziviler Ungehorsam ist von vornherein nichts Schlechtes“ erntete Emmerich Applaus vom größten Teil des Publikums. Auch Superintendent Zimmermann erteilte dem zivilen Ungehorsam nicht von vornherein eine Absage. „Er kann unter bestimmten Umständen legitim und aus christlicher Überzeugung angebracht sein. Ich erinnere an die Bürgerrechtsbewegung in den USA und die Bürgerproteste vor dem Ende der damaligen DDR. Aber ziviler Ungehorsam ist an Regeln gebunden.“

Zimmermann hat beobachtet, dass der Konflikt um die Braunkohle innerhalb von Gemeinden zu Konflikten mit gegenseitiger Sprachlosigkeit geführt hat. „Das darf nicht sein. Wir müssen immer sprachfähig bleiben.“ Kirchen seien nicht die Experten für Energiewirtschaft. Ihr Auftrag sei die Bewahrung der Schöpfung. Und es sei ihr Auftrag, zur Gewaltlosigkeit aufzurufen: „Vielleicht deutlicher, als wir das bis jetzt getan haben.“ Auch Emmerich versuchte sich an einer Annäherung: „Ich glaube, dass wir an vielen Punkten gar nicht so weit auseinander liegen“, sagte er mit Blick auf die zahlreichen „Hambi-Aktivisten“ im Gemeindesaal. „Wir möchten“, so der Betriebsrat, „dass der Kohle-Kompromiss in Gesetze gegossen und verlässlich umgesetzt wird. Kein Mitarbeiter soll ins Bergfreie fallen“, forderte er die soziale Absicherung seiner Kolleginnen und Kollegen. Superintendent Zimmermann fasste zusammen: „Ich bin Pfarrer. Und allein deshalb immer zuversichtlich.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann