Mit einem Gottesdienst in der Kartäuserkirche ist Krankenhausseelsorger Karsten Leverenz in den Ruhestand verabschiedet worden. Torsten Krall, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch und in der Kölner Kirchenleitung zuständig für die Krankenhausseelsorge, entpflichtete Leverenz. Dieser war seit 1988 in verschiedenen Kölner Kliniken tätig, unter anderem in St. Marien-, im St. Antonius- und im Hildegardis-Krankenhaus sowie im evangelischen Krankenhaus im Weyertal.
Krall zählte noch weitere Stationen auf, an denen Karsten Leverenz gewirkt hat. Er war tätig in der Evangelischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, im Arbeitskreis Seelsorge, er war Sprecher der Krankenhausseelsorger und -seelsorgerinnen, arbeitete als Supervisor und Coach. Zusammen mit Pfarrerin Dagmar Schwirschke leitete er Kurse zur Aus- und Weiterbildung für Ehrenamtliche in der Seelsorge. Pfarrerin Schwirschke war mit Pfarrer Volkher Preis, Seelsorger in der LVR-Klinik Köln, zuständig für die Liturgie des Abschiedsgottesdienstes. Leverenz werde den Begriff „Ruhestand“ sicherlich sehr frei interpretieren, mutmaßte Superintendent Krall. „Wir als Dienstgeber sagen: ,Uns bis du nichts mehr schuldig. Wir geben dich frei für das, was auf dich zukommt.“ Daraufhin gab es lang anhaltenden Applaus für den scheidenden Krankenhausseelsorger in der gut gefüllten Kirche.
Leverenz hielt seine Predigt zu Exodus 3, 13 + 14: „Und Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Kindern Israel komme und zu ihnen spreche: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie zu mir sagen werden: Welches ist sein Name? Was soll ich zu Ihnen sagen? Da sprach Gott zu Mose: Ich bin, der ich bin. Und er sprach: Also sollst du zu den Kindern Israel sagen: ,Ich bin‘ hat mich zu euch gesandt.“
Gott und diese Welt seien immer im Fluss
„Seelsorge hört den Menschen zu. Hört, wie sie das Leben sehen. Seelsorge möchte Geschichten von Menschen hören.“ Sie öffne Herz und Ohren für die Menschen. „Ich werde der sein, der ich bin“, wiederholte Leverenz einen der entscheidenden Sätze, über den er bereits in seiner Ordinationspredigt 1991 in der Kartäuserkirche nachgedacht habe. Moses habe sich in der Bibelgeschichte, der der Predigttext entnommen war, auf den Weg gemacht, ohne zu wissen, wohin der führte. „Er wurde in einem Volk geboren und wuchs in einem anderen Volk auf.“ Manche könnten das aushalten, andere mache das unruhig und nicht selten aggressiv. Moses hingegen habe eine stabile Basis in seinem Leben gehabt, als er die Erfahrung mit dem brennenden Dornbusch machte. „Eine göttliche Erfahrung, eine Erfahrung der letzten Wirklichkeit“, so Leverenz, „die mit dem Verstand nicht verstehbar ist. Wir können bei der Beschreibung mit unseren Worten nur mühsam hinterherhinken.“ Eines sei sicher: Gott und diese Welt seien immer im Fluss und damit nicht wirklich greifbar. Moses habe die Veränderung heil gemacht, die der Auszug aus Ägypten auch für ihn ganz konkret bedeutet habe.
„In jedem Moment erleben wir die Gegenwart Gottes“
Leverenz erklärte, er werde im Folgenden durch vier Fenster auf sein Leben zurückblicken. Das erste Fenster sei die Krankenhausseelsorge und die damit verbundenen Besuche an Krankenbetten. Er habe Menschen erlebt, die mit sehr heftigen Diagnosen konfrontiert gewesen seien. „Da ist alles weggebrochen. Auch das Gottesbild.“ Da müsse man als Seelsorger nur da sein und die Situation aushalten. Die Kraft dazu gebe einem die Grunderfahrung, dass man nichts festhalten könne im Leben. „Alles fließt. In jedem Moment erleben wir die Gegenwart Gottes. Das hat mir die Kraft gegeben, auch eigene, durchaus unerwünschte Veränderungen auszuhalten und mich auf diese einzulassen. Wir können unser Leben nicht festhalten.“
Das zweite Fenster war die evangelische Beratungsstelle. Dort hat Leverenz viele Paare erlebt, die mit sich gehadert haben, weil sie ihr Empfinden nicht halten, nicht festhalten konnten. „Die Kraft und Macht, die wir uns von dem Bild, das wir uns von dem anderen machen, ist verdammt groß.“ Es sei sehr mühsam, dieses Bild loszulassen. Man müsse lernen, wieder anfänglich miteinander umzugehen. „Wir dürfen nicht festhalten an den Vorstellungen, die wir vom anderen haben. Manche Paare, die ich beraten habe, konnten sich wieder neu sehen.“
„Wir machen uns schuldig, wenn wir ohne Menschlichkeit handeln“
Das dritte Fenster in der Predigt war der Blick auf die Strukturen in der Kirche und in den Krankenhäusern. Der Druck auf die Mitarbeitenden steige exponentiell. Viele hätten Angst vor Bedeutungsverlust. Kündigungen, auch innere, seien an der Tagesordnung. Wirtschaftlichkeit und Funktionalität hätten die Qualität als wichtigstes Kriterium verdrängt. „Wir machen uns schuldig, wenn wir ohne Menschlichkeit handeln.“ Keine Organisation sei gut beraten, wenn sie nur einäugig handele. Man müsse wach sein, damit das, was gestern getragen habe, nicht morgen schon vorläufig sei. Es gebe aber auch den automatischen Reflex, sich an der eigenen Identität festzuhalten. Entscheidend sei bei allen Veränderungen: „Ich bin mehr als der, der ich beruflich bin.“
Durch das vierte Fenster schaute Leverenz auf die Meditation, die sein Leben geprägt habe. Zusammen mit seiner Frau hat er auch Kurse gegeben. „Was machen wir da? Nichts anderes als einfach nur präsent sein. Und nicht festhalten an den Bildern, die wir von der Welt und von anderen haben. Leben geschieht immer nur im Augenblick. Und im Augenblick entsteht die Gegenwart Gottes. Dieses Wissen hat mich geprägt und bestimmt. Es ist die Geschichte von einer Erfahrung, die aber Begleitung braucht.“
Foto(s): Stefan Rahmann