You are currently viewing „Humor ist für mich die sanfte Revolution“, sagte Uwe Seidel. Aber er stand auch für die ethisch-politische Verantwortung im Leben und Handeln von ChristInnen. Nun ist er tot.

„Humor ist für mich die sanfte Revolution“, sagte Uwe Seidel. Aber er stand auch für die ethisch-politische Verantwortung im Leben und Handeln von ChristInnen. Nun ist er tot.

Keinen Tag soll es geben, da du sagen mußt:
Niemand ist da, der mich erfüllt mit seinem Trost.
Keinen Tag soll es geben, da du sagen mußt:
niemand ist da, der mich hält in seiner Hand.
Keinen Tag soll es geben, da du sagen mußt:
niemand ist da, der mich leitet und begleitet
auf all meinen Wegen –
Tag und Nacht.
Und der Friede Gottes der größer ist als unsere Vernunft,
er halte unseren Verstand wach und unsre Hoffnung groß
und stärke unsre Liebe.

Uwe Seidel – Lebenssegen (nach Psalm 21)


Am 19. Dezember 2007 verstarb Pfarrer Uwe Seidel. Er wurde 1937 in Soest geboren, studierte in Wuppertal Theologie, arbeitete für zehn Jahre im Düsseldorfer „volksmissionarischen Amt“ – wo er unter anderem neue, sehr erfolgreiche Gottesdienstformen entwickelte -, bevor er 1985 Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg wurde. Dort blieb er bis zu seiner Pensionierung im September 2000. Und dort lebt er noch heute in den Gedanken vieler Menschen weiter, nicht zuletzt durch die von ihm initiierte Beatmesse, die sein Nachfolger Ivo Masanek gemeinsam mit dem „Beatmessen-Team“ noch immer erfolgreich feiert. Damals, 1979, bei der ersten Messe dieser Art, da war sie revolutionär: Die Beatmesse ist immer ökumenisch, inhaltlich verankert im internationalen Christentum, mit Schwerpunktthemen wie der Globalisierung, den Menschenrechten und deren Verletzung, Armut und Gewalt oder der Rolle von Frauen in christlichen Gemeinschaften weltweit, Fragen nach internationalen politischen Entwicklungen.

Die Beatmesse ist regelmäßig zu Gast auf den Deutschen Evangelischen Kirchentagen – und immer mit von der Partie sind Ruhama, denn Musik ist ebenso wesentlicher Bestandteil einer Beatmesse wie wechselnde Gäste, manchmal höchst prominent. Seidel hatte bei den Beatmessen beispielsweise schon den Theologen Friedrich Karl Barth oder Dietmar Schönherr zu Gast. Und immer wieder: Hanns Dieter Hüsch. Der allerdings war weit mehr als ein Gast – er war ein Freund, der regelmäßig bei und mit Seidel auftrat. Ebenfalls ökumenisch, politisch engagiert und sehr erfolgreich waren die von Seidel initiierten „Lateinamerikatage“ in Klettenberg, wie die Beatmesse strahlte ihr Ruf weit über Klettenbergs Grenzen hinaus.

Seidel hat sich auch als Publizist einen Namen gemacht, zahlreiche Bücher mit eigenen Texten, Liedern, Psalmen und Gedichten sind von ihm erschienen. In einem Interview mit dem Stadt-Anzeiger betonte er 1981 aber auch: „Reden und Handeln, Predigt und Leben müssen übereinstimmen“. Diesen Satz sagte er, als gerade sein Buch „Auf Gottes Spuren – Wege zum Shalom“ erschienen war, in dem es um die „politischen Aspekte des Glaubens“ geht. Die ethisch-politische Verantwortung im Leben und Handeln von Christinnen und Christen war ihm immer ein wichtiges Anliegen.

Aber noch etwas anderes hat ihn ausgezeichnet: Die besondere Rolle, die er dem Humor beimaß. Und das vor allem verband ihn auch mit einem anderen, großen Verstorbenen, mit Hanns Dieter Hüsch. „Humor ist für mich die sanfte Revolution“, sagte Seidel, als er sich 2000 in den Ruhestand verabschiedete.
Und nun hat er sich ganz von uns verabschiedet.
Wir werden ihn vermissen.

Präses Nikolaus Schneider, Evangelische Kirche im Rheinland, war der Erste, der sich nach Seidels Tod öffentlich zu Wort meldete:
Die Evangelische Kirche im Rheinland trauert um Uwe Seidel. Der frühere Kölner Pfarrer (Kirchengemeinde Köln-Klettenberg) starb am Mittwochabend im Alter von 70 Jahren in Düsseldorf. „Uwe Seidel verdanken wir viele Impulse für eine erneuerte und lebendige Liturgie in unseren Gottesdiensten“, würdigte Präses Nikolaus Schneider den Verstorbenen. Seidel gestaltete erstmals beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf 1973 eine Liturgische Nacht. Die Liturgische Nacht wurde zum Vorbild einer neuen Gottesdienstform, die bis heute ein Grundelement der Kirchentage bildet und die ständig weiterentwickelt wird. „Die Impulse, die Uwe Seidel gegeben hat, wirken bis heute in viele Gottesdienste in der rheinischen Kirche hinein“, so der Präses.

Deutscher Evangelischer Kirchentag, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Fulda:
Der Deutsche Evangelische Kirchentag hat Uwe Seidel sehr viel zu verdanken. So kam von dessen Büro für Medien- und Öffentlichkeitsarbeit eine der ersten Stellungnahmen zu Seidels Tod:
Im Alter von 70 Jahren ist nach langer, schwerer Krankheit am Mittwochabend, 19. Dezember 2007, der Kölner Pfarrer Uwe Seidel gestorben. Seidel gehörte – zusammen mit Piet Janssens, Fritz Baltruweit, Friedrich Karl Barth und anderen – zu den prägenden Persönlichkeiten der „Lebendigen Liturgie“ auf Kirchentagen.
Auf dem Kirchentag 1973 in Düsseldorf gestaltete er zusammen mit seinem Arbeitskreis an der Düsseldorfer Thomaskirche die erste „Liturgische Nacht“. Vor 3500 Zuhörenden und Mitfeiernden sang damals unter anderem der aus Jamaika stammende Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Philip Potter, das Vaterunser. Die „Liturgische Nacht“ wurde zum Vorbild einer neuen Gottesdienstform, die seit den Siebzigerjahren bis heute ein Grundelement der Kirchentage bildet und ständig weiter entwickelt wird.
In den Achtziger- und Neunzigerjahren war Uwe Seidel, später mit seinem Ökumenischen Arbeitskreis an der Johanneskirche in Köln-Klettenberg, die zentrale Figur der „Lateinamerikatage“. Liturgisch-prophetische Beiträge, persönliche Zeugnisse und politische Gespräche galten der Solidarität mit den Armen und Unterdrückten. Neben Gästen aus Nicaragua und anderen Ländern Mittel- und Südamerikas wirkten regelmäßig deutsche Beteiligte wie Dorothee Sölle oder Eugen Drewermann mit. Mit ihren typischen, oft suggestiven Inszenierungen wurden die Veranstaltungen zu eindrucksvollen Manifestationen, die eine hohe Anziehungskraft vor allem auf junge Kirchentagsteilnehmende ausübten.
In Uwe Seidel verliert der Deutsche Evangelische Kirchentag einen Initiator, Impulsgeber und inspirierenden Gestalter des liturgischen Aufbruchs, der weit über die Kirchentage hinaus in die christlichen Gemeinden gewirkt hat und weiter wirkt.

Uwe Seidel bei einem seiner letzten Auftritte während der beatmesse in Köln
Im Mai 2005 war er noch aktiv mit dabei, bei „seiner“ beatmesse in Klettenberg. Stefan Rahmann schrieb damals:
Uwe Seidel, Klettenberger Pfarrer im Ruhestand und der eigentliche „Erfinder“ der Beatmesse, berichtete in seiner Meditation über eine Kakaobohne von dem Schicksal junger „Arbeitssklaven“, die vor allem an der Elfenbeinküste bei der Kakaoernte eingesetzt werden. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, bei Vollmond noch länger, müssten die Kinder arbeiten. Die Essensrationen seien sehr karg bemessen, nach der Arbeit dürften sie ihre Hütten nicht verlassen. „Wer krank wird oder aus anderen Gründen nicht arbeiten kann, wird weggebracht. Niemand weiß wohin“, so Seidel.

Die Abschieds- und Auferstehungsfeier
ist am Samstag, den 5. Januar 2008, um 11 Uhr in der Johanneskirche, Köln-Sülz, Nonnenwerthstraße 78.

Text: AL/diverse Quellen
Foto(s): R. Boedler für den WEG