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Historische englische Orgel aus der viktorianischen Zeit erklingt seit kurzem in der evangelischen Lukaskirche von Brüggen/Erft

In einem eindrucksvollen, zugleich würdigen und feierlichen Gottesdienst hat Pfarrer Dr. Thomas Hübner die „neue alte“ historische Orgel aus dem englischen Leicester am 21. Dezember in der evangelischen Lukaskirche der Gemeinde Brüggen/Erft in den Dienst Gottes und seiner Gemeinde gestellt. In seiner Zeit als Superintendent hat Dr. Hübner das Orgelprojekt wesentlich unterstützt. Mit diesm Gottesdienst am Vierten Advent endete nach engagiertem Einsatz aller Beteiligten nun die „orgellose“ Zeit in der Kirchengemeinde Brüggen/Erft. Dass es zu dem geplanten Datum auch wirklich noch vor Weihnachten dazu kommen konnte, verdankt die Gemeinde dem Mut ihres Presbyteriums und dem enormen Einsatz des Kirchbauvereins – fast ein modernes Weihnachtsmärchen, das hier wahr wurde.




Zur Geschichte der Orgel
Die Orgel stand von 1898 bis 1998 in der Methodist Church, 140 Fosse Road North von Leicester, England. Nach der Entwidmung und dem Umbau der der Methodist Church in ein Apartementhaus fand die ehrwürdige englische Orgel ihren Weg 2006 nach Deutschland in das Orgellager von Andreas Ladach in der ehemaligen Trinitatiskirche in Wuppertal. Im Dezember vergangenen Jahres beschloss das Presbyterium einstimmig die Beschaffung der Orgel und die Restaurierung durch die Orgelbauwerkstatt Willi Peter in Köln-Mülheim. Die Restaurierung war aufwändig und dauerte rund vier Monate, die Aufstellung und Intonation der Orgel in der Lukaskirche nochmals drei Wochen. Wie immer bei solchen Projekten, mussten zum Ende hin auch Nachtschichten eingelegt werden, um den Termin des Festakts am Vierten Advent, dem 21. Dezember, einhalten zu können. Die Finanzierung für Restaurierung und Einbau der Orgel hat der „Kirchbauverein Evangelische Lukaskirche Brüggen/Erft“ übernommen, der bereits ein Drittel der Beschaffungs- und Restaurierungskosten an die Gemeinde überweisen konnte.

Der Festgottesdienst
Dr. Thomas Hübner predigte über Lukas 1,46-55. Mit den Metaphern „in guter Hoffnung sein“ und „in anderen Umständen sein“ verglich er die Situation der Gemeinde in dem zu Ende gehenden Jahr, das mit Sanierung und Neugestaltung der Lukaskirche begonnen wurde und nun mit der Restaurierung, Aufstellung und Indienstnahme dieser historischen Orgel aus England zu Ende gegangen ist. Hübner strich den Mut der Gemeinde heraus, die diese Anstrengungen in der Überzeugung auf sich genommen hat, dass auch die nachkommenden Generationen sich in dieser Kirche unter Gottes Wort versammeln werden – auch noch in 150 Jahren, wie Gesa Francke, Pfarrerin in Brüggen, in Anlehnung an das Alter der Orgel später formulierte.

Wein für Klang
Dem leitenden Orgelbauer Christoph Böttcher wurde mit dem alten Brauch gedankt, das Volumen der größten Orgelpfeife in Wein „aufzufüllen“. Das entsprach immerhin 240 Litern Wein – sie wurden dem Orgelbauern im Gottesdienst überreicht. Organist Herbert Vietor leitete mit dem ersten Stück „Tres Vitement – Grave“ aus „Fantasie G-dur“ von Johann Sebastian Bach, BWV 572, die Brüggener „Dienstzeit“ der Orgel ein.

Feierliches Orgelkonzert mit Professor Johannes Geffert
Die erste Bewährungsprobe hatte die Orgel dann am gleichen Nachmittag zu bestehen. Die Gemeinde erlebte dabei ein grandioses Konzert, dargeboten durch den Leiter der Abteilung „Evangelische Kirchenmusik an der Hochschule für Musik zu Köln“, Professor Johannes Geffert. Kein Organist der nationalen wie auch der internationalen Kirchenmusik wäre zu einem solchen Konzert berufener gewesen als der 57-jährige ehemalige Bonner Kirchenmusikdirektor, gilt er doch – nicht zuletzt aufgrund seiner Orgelausbildung, unter anderem bei Nicolas Kynaston in Cambridge – als einer der intimsten Kenner gerade der historischen Orgellandschaft Englands.



Klangvielfalt und Intimität einer „alten Dame“
Und so versteht sich auch die von ihm dargebotene Auswahl der Vortragsstücke auf der 18 Register starken, traditionell mechanischen Orgel aus viktorianischer Zeit. Nicht die großen Orgelwerke Bachs oder Stücke anderer barocker deutscher Komponisten gelangten zur Aufführung, sondern zum einen hymnisch-feierliche und marschbetonte Literatur englischer und französischer Romantiker, zum anderen aber auch verspielte und tonmalerisch verführende Miniaturen aus der Zeit der deutschen Frühklassik. Im einen wie im anderen Fall faszinierten sowohl die Klangvielfalt als auch die Intimität, die diese „alte Dame“ in sich trägt.

Stehende Ovationen
Doch nicht nur die dargebotenen Klänge, sondern auch die aufgelockerte Art, mit der Geffert Instrument und Werk den Zuhörerinnen und Zuhöreren näher brachte, machten dieses Konzert zu einem Erlebnis. Insbesondere in den Variationen über „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ des Bückeburger Bachs aus der Frühklassik konnte sich jedes Register der Orgel eindrucksvoll vorstellen. Die Anwesenden in der voll besetzten Lukaskirche dankten mit stehenden Ovationen. Eine Werbung für die Königin der Instrumente und eine musikalische Sternstunde für die evangelische Kirchengemeinde Brüggen / Erft.

Für Orgel-Kenner: Hier alle Daten der Orgel zum Nachlesen.

Text: Dietmar Reimann/Herbert Vietor
Foto(s): Rolf Axer