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„Himmelhochjauchzend“ in der Brühler Johanneskirche

Geradezu euphorisiert scheint Theo Hüntemanns Figur „Himmelhochjauchzend“. Er hat jenen besonderen Zustand, den man als die positive Seite einer Stimmungsschwankung bezeichnen könnte, wirklichkeitsnah in Bronze umgesetzt. Auch angesichts der Situation – sie tanzt auf einem Bein am „Abgrund“ – schwingt unweigerlich das Pendant „zu Tode betrübt“ mit. Aus demselben Material sind seine weiteren Arbeiten gefertigt, die zuletzt in der evangelischen Johanneskirche in Brühl ausgestellt waren. Einige von ihnen, wie „Himmelhochjauchzend“, erinnern an dünne, überstreckte Skulpturen des Schweizer Bildhauers und Malers Alberto Giacometti.

Bandbreite künstlerischer Technik
Mit Darstellungen verschiedener Frauentypen beteiligte sich Sabine Staas. Ihr bevorzugtes Material ist Speckstein, aus dem sie mal mehr, mal weniger ausgearbeitete Figuren formt. Wilfried Beitz wartete etwa mit einem in Lindenholz versenkten Relief eines Kindergesichts auf, das inmitten von Blumenmotiven ruht. Desweiteren zeigte er eine hölzerne Skulptur, in der sich eine Schar Kinder an ihre aufrecht stehende Mutter schmiegt. Doch in Brühl war nicht allein plastische Kunst zu sehen, vielmehr eine Bandbreite an künstlerischen Techniken, Materialien und Umsetzungen. Beispielsweise Malerei. Darunter Stillleben, Landschaften, das Kölner Panorama und Abstraktionen von Josef Bartoniczek, Farben-Formen-Malerei von Dagmar Boffin-Schaefer, Ursel Fischermanns sehr farbenreich in Öl und Acryl individuell umgesetzte biblische Motive und Gabriele Hüntemanns eher abstrakte Kompositionen. Horst Dunkel konfrontierte mit seinen fotografierten „Spiegelungen in Glasfronten“ sowie mit „Farbspielen in Natur und Landschaft“ – von Wasser umspülte Zeichnungen im Fels. Fotokunst ist ebenfalls das Metier von Guido Jakobs, während Marlies Raabe textil arbeitet, etwa Schals und Tücher in Seidenmalerei gestaltet.

Kunstlehrende werden aufgenommen
Alle Genannten gehören der Künstlergruppe „Kreidekreis“ an. So nennt sie sich seit 2012. „In Anlehnung an Brechts Parabel ‚Der Kaukasische Kreidekreis'“, informierte Theo Hüntemann. Er ist Mitinitiator des 1978 gegründeten Kreises, dem anfangs interessierte Kunst-Lehrerinnen und -Lehrer aller Schulformen im Rhein-Erft-Kreis angehörten. „Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, einerseits das eigene Hobby zu pflegen, andererseits das, was wir im Unterricht durchführen, transparent zu machen“, erläuterte Hüntemann. Mit der Zeit sei man davon abgegangen, allein Kunstlehrende aufzunehmen. Soll heißen: Für eine Mitgliedschaft reichte bald die Tätigkeit an einer Schule aus. „Inzwischen sind die meisten von uns aber pensioniert“, so der ehemalige Rektor der Carl-Schurz-Hauptschule in Erftstadt-Liblar. Dabei sei der Ruhestand für viele ein Unruhestand. „Wir arbeiten künstlerisch weiter. Zudem lädt zwei- bis dreimal jährlich eines unserer Mitglieder die anderen in sein Atelier ein, um zu zeigen, was er oder sie wie arbeitet.“

Ausstellung im Ausland
„Zuletzt dachten wir, wir bräuchten einen neuen Namen.“ So erhielt der Künstlerkreis von Lehrerinnen und Lehrern im Rhein-Erft-Kreis den Zusatz „Kreidekreis“. Zum einen stelle Kreide das klassische Werkzeug des Lehrers dar, erklärte Theo Hüntemann. Zum anderen wolle man mit der Anlehung an Brechts Geschichte über die biologische und soziale Mutter, über die wahrhaftige Mütterlichkeit ausdrücken, dass Lehrende ihre Schüler fürsorglich, ohne Zwang und „Zerren“ unterrichten sollten. Laut Theo Hüntemann war die Schau im Gemeindezentrum Johanneskirche die insgesamt 35. des Kreises. „Ausgestellt haben wir nicht nur im Rhein-Erft-Kreis, ebenso in benachbarten Kreisen, Städten sowie nahen Ausland.“

Werke für die Johanneskirche
Von der Kirchengemeinde werde das breite Spektrum der Kunsttechniken interessiert und wohlwollend angenommen, sagte Pfarrer Wilhelm Buhren. In seiner Amtszeit sei es die dritte Präsentation der Künstlergruppe an dieser Adresse. „Wir schätzen die Möglichkeit, eine Verbindung herzustellen zu Menschen, die etwas vermitteln können.“ Zu einzelnen der Kunstschaffenden habe sich ein engerer Kontakt ergeben. „Daraus sind Werke für unsere Kirche und das Zentrum entstanden“, so Buhren. Beispielsweise von dem Holzbildhauer und -schnitzer Beitz. Der in Bad Münstereifel ansässige pensionierte Lehrer habe zunächst eine Krippe für die Johanneskirche realisiert. Später für deren Vorraum eine hölzerne Darstellung von Johannes (dem Seher) gehauen. Inspiriert wurde der Auftrag durch Beitz‘ figürliche Ausgestaltung der Nothelfer-Kapelle in seinem Wohnort, die Buhren fasziniert hat. „Mit solchen Aufträgen und Ausstellungen schlagen wir eine Brücke, zeigen, dass bildende Kunst ihren Platz im kirchlichen Raum hat.“ Davon zeuge ebenso das in der Passionszeit präsentierte Altarbild und der Engel auf dem Turm. Beides stammt von dem im Raum Brühl ansässigen Künstler Jan Schlesinger. Der Maler und Bildhauer habe den Turmengel nicht nur gearbeitet, sondern auch montiert. „Da weiß ich, dass die Sicherheitsbedingungen tatsächlich erfüllt sind“, so Buhren.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich