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Die Kreissynode des Ev. Kirchenkreises Köln-Süd in der Aula der Diakonie Michaelshoven

„Für mich ist eine Kirche wichtig, in der ich frei denken kann“ – Nachrichten von der Herbstsynode des Kirchenkreises Köln-Süd

Mit einem Abendmahls-Gottesdienst in der Diakonie Michaelshoven begann die Tagung der Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd. In der sehr gut besuchten Erzengel-Michael-Kirche gestaltete Pfarrer Jan Ehlert aus der Evangelischen Kirchengemeinde Hürth die Feier. Unter dem Motto „Meine Kirche“ hatte Ehlert Pfarrer Hendrik Schnabel, Pfarrerin Caroline Schnabel, Pfarrer Oliver Mahn und Vikarin Janneke Botta gebeten, ihre persönliche Sicht auf die Kirche in kurzen Einwürfen als Predigt vorzustellen. 

Meine Kirche

Für Pfarrer Schnabel ist es die Verbundenheit von Menschen, die Kirche stiftet. „Ich bin aber auch verbunden mit lieben Menschen, die ich unter den Toten kenne.“ Caroline Schnabel beschrieb eine Szene in einem Krankenhaus, in dem sie einen ihr unbekannten Mann besuchte. Der erzählte der Pfarrerin viel von seinem Leben und seiner Krankheit. Plötzlich sei er in Tränen ausgebrochen. „Das erzähle ich nicht jedem“, habe er gesagt. Zum Schluss habe er ihr fest die Hand gedrückt und länger als üblich in die Augen geschaut. „Er hat mir ein kostbares Geschenk gemacht.“ 

Für Oliver Mahn ist wichtig, dass er in seiner Kirche einen lebendigen Glauben leben kann. „Ich liebe die Freiräume, um diese Spiritualität zu leben. Die Kirche und die Gemeinde geben mir diese Freiheit.“ Der Gottesdienst werde nicht einfach abgefeiert: „Ich feiere mit.“ Vikarin Botta erinnerte an eine Veranstaltung in Münster, bei der über das Verhältnis der Katholischen Kirche zur Homosexualität gesprochen wurde. Danach habe sie eine alte Frau angesprochen, deren Neffe schwul ist. Im Verlauf des Gesprächs kam heraus, dass die Dame noch nie darüber nachgedacht hatte, was Gott über Beziehungen zwischen Männern denkt. „Für mich ist eine Kirche wichtig, in der ich frei denken kann“, zog Botta ihr Fazit und zitierte Paulus: „Ihr aber seid berufen zur Freiheit.“ 

Ehlert erklärte schlicht: „Ich mag meine Kirche. Ich mag die Menschen, die Gott da versammelt. Wo sonst treffe ich auf Menschen, die mit einem teilen, was sie berührt. Die sich auf die Suche machen nach Gott. Da ist Platz für so vieles.“ Kirche sei im Übrigen auch der Ort, wo man gemeinsam singt. „Beim Zahnarzt oder in der U-Bahn macht man das ja nicht.“ Die Kollekte des Gottesdienstes erbrachte 321 Euro für das Evangelisch-Theologische Studienhaus Adolf Clarenbach in Bonn.

Eröffnung der Herbstsynode des Ev. Kirchenkreises Köln-Süd

Superintendent Bernhard Seiger vor der Kreissynode des Ev. Kirchenkreises Köln-Süd

Anschließend begrüßte Superintendent Bernhard Seiger 82 Synodale im Saal des Berufsförderungswerkes Köln der Diakonie Michaelshoven. Mit einigen Bezügen zum Karl-Barth-Jahr eröffnete er den Bericht des Superintendenten. Der erinnerte an den berühmten Kommentar zum Römerbrief, den Barth vor 100 Jahren veröffentlicht hat. „Das Buch ist in ganz und gar in geistlicher Sprache und in Polarisierungen geschrieben, bildete einen klaren Kontrast zur aktuellen Zeit und war daher so aufrüttelnd. Barth stellte die Frage nach dem Reden von Gott radikal und unbequem. Er legte Wert darauf, dass das Erste Gebot ernst genommen wird und wir Gott nicht bequem in unsere Lebensführung und in die Deutung der Geschichte einbetten dürfen, sondern dass er den ersten Platz beansprucht und von daher alles Reden und Dichten und Denken infrage stellt.“ Barth habe gedacht und gelebt, dass Gott am Ostermorgen sein Ja zu Jesus Christus und seinen Dienst der Versöhnung gesprochen habe. „Er übt ein, dass unser Denken und Glauben als Christen von der Osterbotschaft bestimmt sind, wenn wir die Frage nach der Herrschaft, nach der Macht theologisch richtig stellen.“

Schwerpunktthema: Taufe

Im Kirchenkreis Köln-Süd wird man sich in den kommenden beiden Jahren schwerpunktmäßig mit dem Thema Taufe beschäftigen. Auf der Ebene des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region habe man dazu eigens eine Arbeitsgruppe eingesetzt. „Wir verstehen die Taufe als Feier für das große Ja Gottes zum Menschen. Wann und wo ist dieses Ja Gottes spürbarer als bei der Zuwendung zu kleinen Kindern und bei Müttern und Vätern, die über das Wunder des Lebens in ihrer Nähe staunen? Als Kirche können wir Orte bieten für die Begegnung mit dem Spender des Lebens und als Christen eine stützende Gemeinschaft sein.“ Der Superintendent lobte ausdrücklich einen Gottesdienst mit 18 Taufen und 400 Menschen der Gemeinden Lindenthal und Hürth am Otto-Maigler-See. 

Missbrauch

Zum Thema Missbrauch erinnerte Seiger an das Schuldbekenntnis der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland und zitierte Vizepräses Christoph Pistorius: „Unter dem Dach der Kirche haben Menschen die Würde anderer missachtet und verletzt. Unter dem Dach der Kirche haben Menschen ihren Mitmenschen Gewalt angetan, sie missbraucht und in vielen Fällen ist deren weiteres Leben bleibend zerstört. Unsere Kirche ist schuldig geworden, weil in ihr Täter geschützt wurden. In Gemeinden ist weggeschaut worden, weil das Ansehen des Amtsträgers hoch war. In der Kirche sind Opfer sexualisierter Gewalt nicht gehört worden. In den Gemeinden und Einrichtungen unserer Kirche sind Kinder und Jugendliche nicht geschützt worden. Das ist unverzeihlich. 

Ich kenne auch die andere Seite. Ich kann erzählen von Tätern, die die Folgen zu tragen hatten, nicht nur strafrechtlich, sondern auch ihren Dienst in der Kirche betreffend, wo die Institution schnell und konsequent gehandelt hat. Ich kann erzählen von Opfern, denen zu ihrem Recht verholfen wurde und die Unterstützung von vielen Menschen in der Kirche erfahren haben. … Opfer nehmen wir ernst. Betroffenen hören wir zu. Gegen das Wegschauen gehen wir vor. Verharmlosung und Unwissen müssen wir vorbeugen.“ 

Pfarrstellenplanung

Nach der Pfarrstellenplanung müssen im Kirchenkreis bis 2030 sieben Pfarrstellen abgebaut werden. Die Zahl sinkt von 24,5 auf 17,5 Stellen. Seiger appellierte an die Gemeinden, gemeinsam Strategien zu entwickeln.

Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung

„Bewahrung der Schöpfung und Strukturwandel im Braunkohlerevier“ war ein weiteres Kapitel in dem Bericht überschrieben. Die Aufmerksamkeit für das Thema muss auch innerkirchlich bleiben, weil es um die Verantwortung für die uns anvertraute Schöpfung und insbesondere die Begrenzung der Klimaveränderung geht. Dies gilt mit Blick auf die nächsten Generationen und das gegenwärtige und künftige Leben der Menschen in unserer Region. Dazu gehört Realismus in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes als eine wesentliche Rahmenbedingung des künftigen Lebens.“ Die politisch Tätigen hätten Anspruch auf Unterstützung. Und: „Wir müssen uns als Kirchengemeinden über den eigenen Anteil am Klimaabdruck unserer Generation im Klaren sein und zum Beispiel in Bezug auf die Energiebilanz unserer Gebäude, unsere Verantwortung stärker wahrnehmen. Ich erinnere an die unterstützende Wirkung des Energiesparfonds des Kirchenkreises.“ Grundlage jeder weiteren politischen Auseinandersetzung müsse Gewaltfreiheit sein.

Antisemitismus

Auch das Thema Antisemitismus griff der Superintendent auf: „Es ist Christen- und Bürgerpflicht, sich in der Bedrängnis an die Seite der Juden in unserem Land zu stellen, die Stimme öffentlich zu erheben, Schweigeminuten einzulegen und im Alltag, Ansätzen von Hass und Menschenverachtung entgegen zu treten. Gesellschaftlich ist vor allem Bildung gefragt, um den Gefahren rechten Gedankengutes zu wehren. Zu wenige junge Menschen wissen von den Greueltaten, die vor 80 Jahren stattgefunden haben. Hier sind wieder verstärkte Anstrengungen nötig. Auf jeden Fall nehmen die Kirchen heute anders als zu anderen Zeiten der Geschichte und hoffentlich auf Dauer ihren Platz eng an der Seite der Synagoge wahr.“ Bildung hätten Berufsschülerinnen und -schüler erfahren bei einer Reise zum „Neuen Kreisau“ mit dem Besuch des Arbeitslagers Groß-Rosen. „Ich hatte den Eindruck, dass der halbe Tag auf diesem eisig kalten Gelände auf die jungen Menschen einen tieferen Eindruck gemacht hat, als es viele Unterrichtsstunden je alleine vermocht hätten.“

Der vollständige Bericht des Superintendenten steht Ihnen hier zum Download und zum Nachlesen zur Verfügung. 

Schutzkonzept zur Prävention sexualisierter Gewalt

Einstimmig beschlossen die Synodalen das „Schutzkonzept des Kirchenkreises Köln-Süd“ zur Prävention sexualisierter Gewalt und zum Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung. Das Papier war im Frühjahr an alle Gemeinden geschickt worden. Die hatten danach einige Änderungswünsche angemeldet, die zum Teil in das Konzept eingearbeitet wurden. Nach der Beschlussfassung wird es eine gedruckte Neuauflage geben, die den Gemeinden zur Verfügung gestellt wird.

Finanzen

Lothar Ebert, Vorsitzender des Finanzausschusses des Kirchenkreises, erläuterte den Synodalen im weiteren Verlauf der Sitzung, die Zahlen des Haushalts. Erstmals brachte der Kreissynodalvorstand einen Doppelhaushalt ein. Für 2020 plant man bei Erträgen in Höhe von 763.536 Euro und Rücklagen-Entnahmen in Höhe von 66.440 Euro sowie Aufwendungen in Höhe von 753.045 Euro ein Bilanzergebnis in Höhe von 76.931 Euro.

Berichte der Gemeinden sowie der Ämter und Einrichtungen

Die Mitglieder des Kreissynodalvorstandes des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd

Skriba Simone Drensler warf einige Schlaglichter auf die Berichte der Gemeinden sowie der Ämter und Einrichtungen. „Gottesdienst wirkt – Wirkfelder des Gottesdienstes entdecken und gestalten“ lautete das Thema der Frühjahrssynode 2018 des Kirchkreises. Danach hätten sich die Gemeinden auf den Weg gemacht, so Drensler. „Die Themensynode hat den Impuls gesetzt, sich die Gemeinde-Gottesdienste unter den sich wandelnden Bedingungen mal genauer anzuschauen. Sich des eigenen Tuns und Lassens zu vergewissern. Mal einen Blick aus dem Fenster der Parochie und aus dem Fenster der Funktionsgemeinde zu werfen.“ Es gebe so viele Gottesdienstformen.

Beispielhaft nannte sie Schulgottesdienste, für die viel Vorbereitung nötig sei. Besonderes Augenmerk sei zu richten auf die Einschulungs- und Schulabschlossgottesdienste. „Hier leisten wir lebensgeschichtliche Begleitung. Hier machen die jungen Menschen positive Erfahrungen mit der Kirche. Das sind Relevanzerfahrungen.“ Relevanz hätten aber auch die Kasual-Gottesdienste etwa bei Taufen und Trauungen. „Hier geht es um mich und ich bin gemeint“, sei die Erfahrung, die viele Menschen in Gottesdiensten einforderten. Und Beteiligung. Sei es mit einem Musikwunsch, sei es mit einen eigenen Instrument. „Die Menschen wollen ihre Kirche zu ihrer Kirche machen, zu einer Kirche der Mitgestaltung. Sie wollen den Gottesdienst nicht einfach konsumieren, sondern Teil davon sein.“ Der Gottesdienst, so Drensler, müsse ausgerichtet sein auf das ganze Volk und nicht nur auf die Kerngemeinde. 

Gemeinde Hürth

In Hürth feiere man ein Jahr lang Gottesdienste zu unterschiedlichen Zeiten und evaluiere dann, welche Zeit die beste ist. Immer mehr Menschen wollten ihre Kinder nicht mehr im Gottesdienst taufen, sondern bei privaten Feiern in der Kirche. Das sei Ausdruck von gesellschaftlicher Individualisierung. In die „Gemeinde hineintaufen“ käme immer seltener vor. Darüber müsse man reden. Die Skriba thematisierte auch die Aufgabe von Gottesdienststätten, die für viele Gemeindeglieder ein Stück Heimat seien. „Der Ort, die Menschen und die Liturgie machen Heimat aus.“ Angesichts der bevorstehenden Schließung weitere Gottesdienststätten könnten Gemeinden von anderen Gemeinden lernen. Zum Schluss gab Drensler noch eine Anregung: „Wir wollen immer, dass junge Erwachsene in unsere Gottesdienste kommen. Ich bin der Meinung, dass nicht das Alter entscheidend ist. Wir müssen Themen setzen.“

Personalia:

Jan Ehlert, Pfarrer aus Hürth, wurde zum Synodalbeauftragen für Informations-Technologie gewählt.


Stichwort Kirchenkreis Köln-Süd:

Der Evangelische Kirchenkreis Köln-Süd umfasst insgesamt 16 Gemeinden. Dazu gehören: Brüggen/Erft, Brühl, Frechen, Horrem, Hürth, Kerpen, Köln-Bayenthal, Köln-Raderthal, Köln-Rodenkirchen, Köln-Zollstock, Lechenich, Liblar, Rondorf, Sindorf, Sürth-Weiß und Wesseling. Dort  leben etwa 65.800 Gemeindeglieder.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann/APK