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Heinz Erhardt, Ingolf Lück und eine Orgel

Zweimal volles Haus an einem Tag. Das schafft noch nicht mal Borussia Dortmund. Wohl aber die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Bayenthal. „Wir hatten morgens 400 Gäste beim Gottesdienst. Und heute Nachmittag sind schon wieder so viele da“, freute sich Gemeindepfarrer und Superintendent im Kirchenkreis Köln-Süd, Dr. Bernhard Seiger, der am Eingang der Reformationskirche zu Marienburg die Besucherinnen und Besucher begrüßte. Grund für deren Kommen war ein Gemeindeglied: Der aus Funk, Netz und TV bekannte Comedian Ingolf Lück las Texte von Heinz Erhardt und erzählte Anekdoten aus dessen Leben.

Die Hälfte ist geschafft
Das Ganze wurde musikalisch untermalt von Kantor Marc Jaquet, der an der Orgel beschwingte Melodien zum Besten gab. Und das, obwohl das Instrument buchstäblich auf dem letzten Loch pfeift. Das soll sich ändern. Die Orgel wird saniert. Die elektrische, elektronische und elektromagnetische Anlage wird überholt, die Windversorgung verbessert, der Austausch der instabilen Register und die Neuintonation ist vorgesehen. Bis spätestens 2015 soll die Klangqualität deutlich erhöht sein. Die Kosten dafür liegen bei 250.000 Euro. Um die zusammen zu bekommen, gründete sich im April der „Orgelbauverein Bayenthaler Reformationskirche”. Mittlerweile hat man über die Hälfte der Sanierungskosten gesammelt. Und nach dem Abend mit Ingolf Lück flossen etliche weitere Euros in die Spendenbüchsen. So sollte es sein, denn der Auftritt des Comedians war ja schließlich eine Benefiz-Veranstaltung. Jaquet gab Stücke von Heinz Erhardt, aber auch den „Hamburger Totentanz“ von Guy Bovet und die „Carmen-Suite“ von Georges Bizet zum Besten.

Eine frühentwickelte Spätausgabe
Doch zurück zu Heinz Erhardt. Lück hatte einige der Klassiker des brillanten Humor-Dichters ausgewählt. Bei „Hinter eines Baumes Rinde wohnt die Made mit dem Kinde“, murmelte die Hälfte der Besucher die Zeilen mit. Und es waren mitnichten nur die älteren Semester, die sich bei der traurigen Geschichte um Vater, Mutter und Kinde hinter der Rinde als äußerst textsicher erwiesen. Lustig waren die Textstellen, die Lück aus Heinz Erhardts unvollendeter Autobiographie „Ich war eine frühentwickelte Spätausgabe“ vorlas: "20. Februar 1909. Das Thermometer zeigte 11 Grad minus und die Uhr 11 Uhr vormittags, als vor unserem Haus das Hauptwasserrohr platzte. Im Nu war die Straße überschwemmt und im gleichen Nu gefroren. Die Kinder kamen zuhauf, um auf ihren Schuhen schlittzulaufen. – (Hier gehen die Meinungen auseinander, denn man kann Schlitt auch groß schreiben, wie zum Beispiel: Ich fahre Boot. Andrerseits schreibt man: Ich fahre rad. Ich bin beim kleinen schlitt geblieben, weil es sich ja hier um Kinder handelt.) – Ich selbst konnte mich an diesem fröhlichen Treiben nicht beteiligen, weil ich noch nicht geboren war. Dieses Ereignis fand erst gegen Abend statt, und da war die Eisbahn längst gestreut."

Nichtschwimmer und Brillenträger
Die Kindheit verbrachte Erhard größtenteils bei seinen Großeltern in Riga, unterbrochen von gelegentlichen „Entführungen“ durch Vater oder Mutter nach Osnabrück oder St. Petersburg. Von 1926 bis 1928 besuchte Erhardt das Konservatorium in Leipzig und studierte dort Klavier und Komposition. Sein Jugendtraum, Pianist zu werden, wurde aber von den Großeltern nicht unterstützt. Sein Großvater wollte, dass Erhardt eine kaufmännische Ausbildung erhielt und stellte ihn als Lehrling in seinem Musikhaus ein. Nach Umwegen als Angestellter im Musikhaus seines Großvaters und Auftritten als Kleinkünstler holte ihn Willy Schaeffer nach Berlin in das Kabarett der Komiker. Nach zwei Musterungen, bei denen er durchfiel, diente Erhardt während des Zweiten Weltkriegs als Nichtschwimmer und Brillenträger bei der Kriegsmarine in Stralsund. Er wurde an vielen Orten in der Truppenbetreuung eingesetzt. Nach dem Krieg startete Erhardt durch und wurde mit Spielfilmen und Kabarettauftritten zum gefeierten Star der Wirtschaftswunderzeit.

Es hat gefallen
Der Entertainer Lück wagte sich auch an einige Songs von Erhardt, so etwa an das berühmte „Fräulein Mabel“ und ließ etliche Verse aus dieser Zeit Revue passieren. Natürlich auch den Klassiker über das Theaterstück, das mit den Worten endet: „Morgen lesen wir dann in der Zeitung, ob es uns gefallen hat.“ An dieser Stelle nicht gedruckt, sondern im Netz: Ja, hat es.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann