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Heimat? Filmemacher Edgar Reitz sprach mit Thomas Brussig bei der lit.COLOGNE über den schwierigen Begriff

Die lit.COLOGNE, die vom 16. bis 20. März 2005 zum fünften Mal stattfand, hat sich zu einer festen Größe der überregionalen Literaturszene entwickelt. Dieses Jahr besuchten knapp 50.000 Zuschauer das internationale Literaturfestival, das an fünf Tagen und Nächten knapp 90 Veranstaltungen bot. Zu dem besonderen Charakter der lit.COLOGNE zählen – 2005 zum fünften Mal –  neben hervorragenden Autoren aus aller Welt die ungewöhnlichen Begegnungen von Literatur, Kunst, Musik, Theater und Film an ungewöhnlichen Orten – wie zum Beispiel in der KulturKirche Köln, der Nippeser Lutherkirche (Siebachstraße).

KulturKirche Köln und lit.COLOGNE: eine „hervorragende ZUsammenarbeit“
Bevor dort beispielsweise der Filmemacher Edgar Reitz mit dem Co-Autor seiner dritten Staffel von „Heimat“, Thomas Brussig, unter der Moderation von Miriam Meckel (Staatssekretärin für Medien NRW) über den Begriff Heimat im Osten und im Westen, in der Literatur und im Film, diskutierten, begrüßte „Hausherr“ Pfarrer Thomas Diederichs die Gäste in der gut besuchten Kirche kurz mit dem klaren Lob: „Die Zusammenarbeit mit der lit.COLOGNE war immer ganz hervorragend.“

Drei gute Jahre der Zusammenarbeit
Wie gesagt: Das Drehbuch für den dritten Teil der Chronik aus dem Hunsrück, der Film-Serie „Heimat“ schrieb Edgar Reitz gemeinsam mit dem Schriftsteller Thomas Brussig. Dessen jüngstes Werk ‚Wie es leuchtet‘ ist nach ‚Helden wie wir‘ sozusagen der zweite „Wenderoman“ des Autors. So wie Brussigs Texte aus einem Geflecht großer und kleiner Geschichten bestehen, so verfolgt der Film-Zyklus „Heimat“ viele kleine und größere Erzählstränge. Beide stellten klar: Einer hat vom anderen gelernt, der Jüngere (Brussig ist 1965) vom Älteren (Reitz ist 1932) und umgekehrt. Ursprünglich sollte Brussig nur einen der sieben Teile des Drehbuchs schreiben, aber: „Es wurde mit uns was, weil es nicht aufhörte“, grinste Brussig: Aus einem Teil wurde das ganze Drehbuch, aus der lockeren Zusammenarbeit wurden „drei gute Jahre“.


Heimat als Filmtitel – ein Tabubruch
Der wichtigste Punkt aber blieb die „Heimat“. Klar, „Heimat ist etwas Schwieriges – vor allem für uns Deutsche“, wie Reitz sagte. Aber Heimal läßt sich auch ändern: Brussig, der bis vor kurzem in Berlin lebte, „Stadtmensch durch und durch“, stellte bei einem Umzug nach Mecklenburg-Vorpommern fest, dass er „von einem Tag auf den anderen“ zum „Naturburschen“ werden konnte, den in den Nachrichten „nur noch der Wetterbericht interessiert“. So einfach war das für Edgar Reitz nicht: Er erzählte von langen Diskussionen um den Titel seines Filmes, als in der WDR-Redaktion auf „Heimat“ als Filmtitel der ersten Staffel „heftige innere Widerstände“ zu überwinden waren, für Intellektuelle sei dies ein „Tabubruch“ gewesen, so Reitz.
Doch mittlerweile hat sich nicht nur der Filmtitel eingebürgert, auch das Nachdenken über „Heimat“ ist ein anderes geworden. Für Reitz geht es dabei um Erinnerungen. Eine Heimat zu finden, sei nicht möglich, wenn man nicht immer wieder auch Abschied nehme, sagt er. Abschied etwa von Idealen: „Wie bei der Liebe geht es um ein Ideal. Dieses Ideal könnte Unberührtheit sein, könnte eine gewisse Reinheit beinhalten – die so natürlich niemals zu finden sind.“ Von diesem Ideal, so Reitz, gelte es Abschied zu nehmen, um es überhaupt lebbar zu machen. Dies war für ihn ein Hauptmotiv seiner Filme.

Heimat trägt man in sich
Doch Reitz widerspricht auch nicht, als Brussig erzählt: „Wir haben uns nie gefragt: ‚Wie verfilmen wir Heimat?‘ Wir haben ganz unschuldig angefangen.“ Und manche Sachen habe er erst begriffen, als er den fertigen Film gesehen habe – zweifellos das Verdienst von Reitz, als dessen „Lebenswerk“ Brussig die „Heimat-Trilogie“ bezeichnet. Denn auch die – von Meckel mehrfach nachgefragte – Ost-West-Erfahrung Brussigs ergab kein grundsätzlich anderes Bild. Reitz dazu: „Es war keineswegs so, dass Thomas im dritten Teil von „Heimat“ alle Szenen geschrieben hat, die im Osten spielten und ich die anderen.“ Die Zusammenarbeit war für beide wichtig. Reitz: „Wir haben auch Krisen erlebt – und viele gemeinsame Waldspaziergänge.“ Meckels These, dass er mit dem Zusammenbruch der DDR auch seine Heimat verloren habe, wollte Brussig nicht gelten lassen, ganz im Gegenteil: Ohne die „Wende“ hätte er „nicht Schriftsteller werden können“. Er führt das nicht aus, aber es wird deutlich: Seine Arbeit ist ihm eher Heimat als irgendein Ort auf dieser Welt.
Am Ende fasst Edgar Reitz den schwierigen Begriff ganz einfach zusammen: „Heimat trägt man in sich.“

Text: Al-Mana
Foto(s): http://www.heimat3.de