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Harald Schmidt und Andreas Meisner als brillantes Duo im Altenberger Dom

Es passiert nicht alle Tage, dass im Altenberger Dom schallend gelacht und spontan applaudiert wird. Doch der Sonntag, an dem dort „Greatest Kirchenhits“ dargeboten wurden, war solch ein Tag. Das lag am Moderator des Orgelnachmittags: Harald Schmidt, bekannt als multitalentierter Entertainer, Kabarettist und Schauspieler, führte eloquent, witzig und mit bisweilen parodistisch-kabarettistischen Sequenzen durch das Ein-Stunden-Programm. Kirchenmusikdirektor Andreas Meisner – zwar zurückhaltend mit dem Wort, aber umso virtuoser an der berühmten und frisch restaurierten Klais-Orgel – entpuppte sich als verschmitzter Partner, der sich das Lachen häufig selbst nicht verkneifen konnte.

„Erhöre das Lallen“
Unter dem Motto „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“ stellte Harald Schmidt Werke vor, die er als Hilfsorganist selbst gern gespielt hätte. Denn – wer hätte es gewusst? – in jungen Jahren legte der Kölner, der in Nürtingen auf der Schwäbischen Alb aufwuchs, das C-Examen ab und besserte allsonntäglich an der Orgel seine Finanzen auf. Für den Altenberger Nachmittag hatte er gemeinsam mit dem versierten Domorganisten sehr unterschiedliche, aber allesamt sehr beliebte Kirchenwerke zusammengestellt, deren eindrucksvoller Auftakt Bachs gewaltig-brausende „Toccata d-Moll“ bildete. „Das bekannteste Orgelwerk überhaupt“, wie Schmidt betonte.

Kerzenanzündechrist statt Prediger
Eigentlich hatte Altenbergs Pfarrerin Claudia Posche, wie sie in ihrer Begrüßung verriet, den bekannten Entertainer für eine Kanzelpredigt im Reformationsjahr gewinnen wollen. Doch Schmidt habe mit der Begründung abgelehnt, „er sei nur ein katholischer Kerzenanzündechrist“ und kein Prediger. Allerdings ließ er sich für die Moderation des musikalischen Nachmittags gewinnen – ohne Honorar, in der Hoffnung auf viele Spenden für den Dom. Luther sei „neben der Theologie die Musik genauso wichtig“ gewesen, baute Claudia Posche die Brücke zum Luther-Jubiläum und untermauerte sie mit Worten des Reformators, der der Kirchenmusik unter anderem bescheinigt habe: „Man vergisst alle Laster.“

Ein Hit nach dem anderen
Tatsächlich entführte Meisners einfühlsames Spiel die Zuhörer vom Alltag in andere Gefilde: durch die energiegeladene Toccata genauso wie durch das fast sanfte Bach-Stück „Wachet auf ruft uns die Stimme“, das normalerweise in den Advent gehört. „Aber da können wir heute keine Rücksicht drauf nehmen“, erklärte Schmidt, „wir brauchen einen Hit nach dem anderen!“ Es folgte das zart wirkende Prélude des Parisers Franck, später Paul Desmonds Jazz-Klassiker „Take Five“ und am Ende – den Bogen zum Anfang schlagend – erneut eine Toccata, dieses Mal die des Franzosen Widor.

Choräle und Sacro Pop zum Mitsingen
Zwischendurch gab es einen Block zum Mitsingen: Drei der beliebtesten Kirchenlieder ertönten – dank der sehr gut besuchten Veranstaltung – volltönend im Gotteshaus: die Choräle „Lobe den Herren“ und „Großer Gott wir loben dich“ sowie der Sacro-Pop-Song „Danke für diesen guten Morgen“ des dieses Jahr verstorbenen Komponisten Martin Gotthard Schneider. Harald Schmidt stimmte an der Seite seiner Partnerin Ellen Hantzsch in den Gesang mit ein – schließlich hatte er in seiner Jugend jahrelang im katholischen und evangelischen Kirchenchor gesungen.

Laien am Altar
Das Publikum war angesichts der „Vorgeschichte“ des Moderators auf Lachen geeicht und folgte willig den ausgelegten Comedy-Brosamen, etwa wenn Schmidt die heimlich Gesangsunterricht nehmende Elfriede aus seinem schwäbischen Kirchenchor oder das kaum verständliche Gemurmel mancher Ehrenamtlicher am Altar imitierte. „Ohne die Laien am Altar ist der Dienst in der Kirche nicht aufrechtzuerhalten“, betonte Schmidt, aber könne es nicht trotzdem möglich sein, ein Lied laut und deutlich anzusagen?

Ballettschuhe beim Orgelspiel
Das Publikum erfuhr auf unterhaltsame Weise auch etliches Wissenswertes: mal über die Komponisten, mal über die Werke und vor allem auch Details aus dem Schmidtchen und Meisnerischen Leben, die von den „vergnügungssüchtigen Gegenden“ Sauerland (Meisner) und Schwäbische Alb (Schmidt) geprägt wurden. Die Zuhörer vernahmen, dass der Organist als Jugendlicher eine Dreiviertelstunde durch den Wald laufen musste (und wieder zurück), um auf einer Orgel spielen zu können, dass er am liebsten Ballettschuhe beim Orgelspiel trägt und dass er das Neigen seines Kopfes nach rechts das Umblättern der Noten in seinem Tablet auslöst. Über sich gab Schmidt unter anderem preis, dass er zehn Jahre als Hilfsorganist georgelt und dabei 15 Mark für einen Gottesdienst und 30 Mark für eine Hochzeit erhalten habe, dass er Gottesdienstbesucher irritierte, weil er beispielsweise den Komponisten Max Reger „zu Ende dachte“, und dass er gerne mit seinen Kumpels Wetten abschloss wie „Wetten, ich spiele, während die Kommunion ausgeteilt wird, ,Je t’aime‘?“

Die Herzen gewinnen
Warum man sich als junger Organist Stücke wie Francks Prélude „draufgeschafft“ habe? Schmidt beantwortete seine Frage gleich selbst: „Wir lebten in der Illusion, dass, wenn wir das Stück spielen könnten, uns die Herzen der Mädchen gehören würden.“ Ähnlich wie bei Procol Harums „A Whiter Shade of Pale“, das er Meisner mal kurz anspielen ließ. Die Herzen des Altenberger Publikums hatte das gutgelaunte Duo an Orgel und Mikro mit Leichtigkeit gewonnen. Viele hätten deshalb wohl am liebsten laut „Jaaaaaaaa!“ gerufen, als Schmidt angesichts des umfangreichen Plauder-Nähkästchens meinte: „Wir könnten bis in den frühen Morgen erzählen.“ Doch die Altenberger Waffeln lockten, und nach einigen Autogrammen und Fotos war das genauso kurzweilige wie hochkarätige „Lallen“ im Dom vorbei.

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser