Im Turm der Lutherkirche in der Kölner Südstadt sollen demnächst sechs statt drei Glocken hängen. Genau diese Anzahl ist für den Glockenstuhl vorgesehen. Das konnte Pfarrer Hans Mörtter recherchieren. Für die Inaugenscheinnahme der Situation scheute er auch nicht den Aufstieg in „luftige“ Höhe. Seitdem ist der Plan gefasst, das Geläut mit drei kleineren Glocken zu vervollständigen.

Ein Zeichen der Versöhnung
Im Ausschuss des Bezirks Lutherkirche trug Mörtter seinen Plan vor, eine französische Gießerei zu beauftragen: Als ein weiteres Zeichen der Versöhnung und verbindenden Freundschaft zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern Deutschland und Frankreich. „Diese drei Glocken ´heilen´ den durch Krieg und Zerstörung schwer beschädigten Turm und klingen über die Dächer Kölns hinweg für den Frieden.“ Für den Guss und Transport fehlen noch rund 15 000 Euro.

Talente für Talente
In den umfangreichen Überlegungen darüber, welche Wege zur Beschaffung der Finanzmittel begangen werden können, wartete Presbyterin Alida Pisu mit einer pfiffigen Idee auf. Inspiriert von Jesus´ Gleichnis, in dem ein Herr seinen Dienern unterschiedlich viele Talente Silbergeld anvertraut, um damit zu wirtschaften (Matthäus 25, 14-29), trug die Autorin im Bezirksausschuss Lutherkirche ihre Vorstellung von einer „Talente-Aktion“ vor. Die Mitglieder waren begeistert. Ist mit dem biblischen Talent (Gewicht) eine Währung, ein Geldwert gemeint, verbinden wir heute mit dem Begriff vor allem eine Begabung. Die von Pisu angestoßene Aktion verbindet beide Deutungen: Es geht darum, einen anvertrauten Betrag mittels einer „normalen“ oder „besonderen“ Fähigkeit zu vermehren. Zu vergrößern zugunsten zusätzlicher Glocken.

"Gewinn erwirtschaften"
„Unser Startkapital beträgt jeweils 10 Euro“, informiert Pisu. Die bekomme jede(r) Interessierte zur Verfügung gestellt in der Hoffnung, dass er oder sie mit Hilfe eines oder mehrerer Talente „Gewinn erwirtschaftet“. „Wenn jemand keinen Erfolg hat, ist das kein Malheur. Man hat die besten Absichten, aber es muss nicht immer klappen“, so Pisu. Selbstverständlich seien für die Anschaffung der Glocken auch Spenden jederzeit willkommen. Aber die Aktion „Häng Dein Talent an die große Glocke“ verbinde Menschen noch einmal auf eine ganz besondere Weise im Engagement für eine gute Sache, nennt Pisu den ihr wichtigen Aspekt Gemeindebeteiligung. „Es gibt so viele Menschen, die sich gerne einbringen, gerne gemeinschaftlich etwas machen und aktiv beitragen möchten. Das ist doch eine schöne Erfahrung.“ Jeder könne sich angesprochen fühlen. Dieses Prinzip der “Offenheit, die einen atmen lässt”, kennzeichne insgesamt den Gemeindebezirk Lutherkirche.

Überwältigende Reaktionen
Erstmals vorgestellt wurde die Aktion im Gottesdienst am zweiten September-Sonntag. Pisu, die das Projekt koordiniert, und Mörtter erläuterten den Besuchenden Hintergrund und Ziel. „Ich war ganz überwältigt“, erzählt die gebürtige Duisburgerin von diversen Reaktionen. „Ich schreibe und verkaufe selbst geschriebene Texte“, habe etwa ein junges Mädchen vorgeschlagen. Eine Altersgenossin habe spontan angeboten, Weihnachtsplätzchen zu backen und in ihrer Schule zu verkaufen. Dagegen möchte ein Musiker auf das Startkapital verzichten und Kollegen zusammentrommeln, um beim Abschluss der Aktion am 19. Januar 2014 ein Benefizkonzert zu geben.

Jeder hat Talente
Aber Einige waren auch unentschlossen, skeptisch gegenüber ihren Möglichkeiten. „Auch dafür bin ich zuständig“, so Pisu. „Ich überlege gemeinsam mit Interessierten, welches ihrer Talente für die Sache eingesetzt werden könnte.“ Es gebe niemand, der ohne Talent sei. Socken stricken, Marmelade einmachen, Märchen erzählen, Texte schreiben – für irgendetwas sei jeder begabt. Und es sei nicht „verboten“, die eigene berufliche Qualifikation einzubringen. So könne ein Masseur Gutscheine für Behandlungen anbieten, ein Künstler Portraits zeichnen im Kirchencafé der Lutherkirche, eine Friseurin Haare schneiden.

Drei Gänge für die Glocken
Pisu selbst möchte Drei-Gänge-Motto-Menüs anbieten. Gegen eine Spende oder einen festen Betrag, das überlegt sich die ambitionierte Hobbyköchin noch. Schmackhaft werde es in jedem Fall, versichert die Initiatorin. Gleich, ob sie gemäß dem Motto „ich wollt´ ich wär´ ein Huhn“ etwas rund ums Geflügel zaubert oder entsprechend „es grünt so grün“ Vegetarisches anbietet.

Alles ist möglich
„Ich lerne mit jedem Gottesdienst, in dem ich die Aktion vorstelle, dazu“, sagt Pisu. „Die Besuchenden haben immer völlig begeistert reagiert, kamen anschließend auf mich zu, sagten mir, wie toll sie das alles finden, aber ihnen spontan nichts einfällt, was sie machen können.“ So sei ihr etwa der Gedanke gekommen, dass sie Menschen mit ihrer Idee „überfalle“. Daraus habe sie geschlossen, dass man den Angesprochenen Zeit geben müsse, „das alles sacken zu lassen”. Und es lohnt sich unbedingt, diese Zeit zu nehmen, lautet ihre jüngste Erkenntnis. So habe in einem intensiven Gespräch mit zwei Damen die eine plötzlich geäußert: „Ich könnte anderen anbieten, ihre Wohnung von überflüssigem Ballast zu befreien, Chaos zu beseitigen und eine Struktur rein zu bringen.“ Die andere habe gemeint: „Ach, da fällt mir ein, dass ich für mich selbst ja gerade meine Kosmetik auf dem Prüfstand habe. Welche brauche ich, wie kann ich kombinieren, so dass ich mit einem Minimum auskomme, statt mit 1000 Fläschchen und Tuben hantieren zu müssen. Da habe ich mittlerweile so viel Wissen, auch in Hinblick auf allergiefreie Präparate, das würde ich gerne weitergeben."

Bis zum 19. Januar 2014
„Häng dein Talent an die große Glocke" läuft bis zum Gottesdienst am Sonntag, 19. Januar 2014. Dann tragen die Teilnehmenden ihr „vermehrtes“ Geld zusammen. Wer sich weitergehend informieren und/oder beteiligen möchte, kann Alida Pisu unter der E-Mail-Adresse lutherstalente@gmail.com kontaktieren.

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