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„Gummitwist und Motorwolke“: Installation von Max Scholz im Café Stanton, CityPavillon der evangelischen Antoniterkirche

Die Plätze an der Fensterfront des Café Stanton im CityPavillon der evangelischen Antoniterkirche, Schildergasse 57,  sind für einige Wochen noch empfehlenswerter als ohnehin.Denn von dort aus haben die Gäste den besten Blick auf die dominierende Sichtbetonwand im Inneren des Cafés. Vor dem changierenden Grau „tanzen“ langsam, aber unaufhörlich drei lange rote Striche. Sie fahren hin und her, beschreiben senkrechte, in verschiedenen Graden an- und absteigende Linien. Konzipiert hat diese meditative „Choreographie“ der Kölner Bildhauer Max Scholz. Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten des Cafés noch bis Mittwoch, 20. September, zu sehen.


„Gummitwist und Motorwolke“
nennt der gebürtige Bonner, Jahrgang 1955, seine zweiteilige Installation im Café Stanton. Beide Teile der Installation sind elektrokinetische Skulpturen, Teil seines langjährigen „Raumfahrt“-Programms. Dem Themenkomplex „Raum“ und „Fahrt“, und nicht zuletzt dem Phänomen der „Zeit“  widmet sich Scholz in vielfältiger, intelligenter Weise. Stets fließen dabei spielerische und humorvolle Aspekte ein. Seine Installationen und Objekte sind häufig schienengeführt und elektronisch gesteuert. In diesen bezugsreichen Arbeiten durchfahren etwa mit Wasser gefüllte Glasbehältnisse oder mit ausrangierten Kunststoffverpackungen bestückte Vitrinen den Raum. Woanders legt der technisch versierte Künstler ein begrenztes Schienen-Straßennetz, in dem zig Modellautomobile verkehren, ohne je aneinander zu stoßen. Es geht Scholz (im mehrdeutigen Wortsinn) um Erfahrungen von und im Raum. Also auch um die zeitliche Dimension. Und nicht weniger interessiert ihn die ästhetische Umsetzung.

„Gummitwist“
ist eine auf den Ort bezogene, großzügige Arbeit. In der Höhe misst sie 2,50 Meter, in der Breite insgesamt fast acht Meter. Sie besteht zunächst aus drei horizontalen, zusammenhängenden, lichtgrauen Rahmen. Aufgehängt unmittelbar vor der ausgedehnten Sichtbetonwand, bilden sie in einer Art Triptychon drei offene Segmente. Dabei verfügen die äußeren Teile über ein quadratisches, das mittlere über ein rechteckiges Format. Innerhalb der jeweiligen Fenster fahren die besagten drei roten Striche hin und her. Der auch technisch versierte Scholz nutzt als zentralen Antrieb einen geräuschlosen Elektromotor. Dieser aktiviert am oberen wie unteren Rand eines jeden der drei Abschnitte ein Wägelchen. In minimal unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegen sich diese mehr oder weniger bedächtig von rechts nach links und umgekehrt. Ununterbrochen. Zwischen jedem der drei Wagenpaare ist ein Gummiband gespannt. Während die Vehikel also ihre Bahnen ziehen, führen sie das dehnbare Band über die offene Fläche. Aufgrund des ungleichen Tempos in wechselhaften Konstellationen.

Mit „Gummitwist“ variiert Scholz das Thema Bewegung. Genauer: Er widmet sich dem Ausdruck und zugleich der Ästhetik von zusammenhängender, gegenläufiger Bewegung. Die beständige Veränderung, die Permanenz der abweichenden Ansichten in der kinetischen Installation ist ein spielerischer Verweis auch auf das übergeordnete, gigantische Gebilde der Raum-Zeit.

„Gummitwist“ nimmt die Kargheit der Wand auf. Zwar bilden die Rahmung, die Farbe und Bewegung des Gummis einen Kontrast zum Sichtbeton. Dennoch wirkt diese Zusammenführung keineswegs aufdringlich oder gar störend. Es wäre technisch kein großes Problem gewesen, die Bänder ohne solch deutlich sichtbare Rahmen vor der Wand einzurichten. Doch die von Scholz gewählte Form kommt der Sehnsucht nach „Ordnung“ und einem Ruhepol nach. Tatsächlich finden Auge und Geist in der Alu-Fassung des Triptychons Orientierung. Sie bildet die feste Größe gegenüber den konstanten Bewegungen in der kontemplativ wirkenden Skulptur.

„Motorwolke“
Am östlichen Ende des CityPavillons, in einigem Abstand von der weißen Stirnwand, hat Scholz die zweite Arbeit installiert. Seine „Motorwolke“ scheint im Raum zu schweben. Sie besteht aus einem in sich leicht verdrehten Kupfer-Eisen-Band. An diesem, aktiviert durch einen Bewegungsmelder, dreht ein kleiner Metallkarren seine Bahn. Auch dieses Werk vermittelt: Alles ist in Bewegung. Dafür steht zum einen das Symbol der ziehenden Wolke. Zum anderen der an dem Band fahrende kleine Wagen, der wie Gedanken um ein Thema kreist. Diesen Prozess der steten Veränderung betont der am Minigefährt montierte Bleistift. Er „zeichnet“ unablässig fiktive Linien, „erforscht“, ähnlich einem Fühler, beständig den ihn umgebenden Raum.

Öffnungszeiten
Geöffnet ist die Ausstellung von Max Scholz im Café Stanton im CityPavillon hinter der Antoniterkirche, Schildergasse 57, bis Mittwoch, 20. September 2006, montags bis freitags von 9.30 bis 1 Uhr, samstags von 9 bis 1 Uhr und sonntags von 10 bis 23 Uhr.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich